Fünf Fragen an: Curt Stauss, Beauftragter der EKD für Seelsorge und Beratung von Opfern der SED-Kirchenpolitik

Fünf Freitagsfragen an Pfarrer Curt Stauss über die jüngere deutsche Geschichte, die staatliche Obrigkeit und geistliche Begleitung im Widerstand.

Pfarrer Curt StaussCurt Stauss, geboren 1948 in Cottbus, Autoschlosserlehre, Studium in Berlin, Leipzig und Naumburg, Pfarrer, Beauftragter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland für Seelsorge und Beratung von Opfern der SED-Kirchenpolitik, Mitbegründer des Ökumenischen Instituts für Diktatur-Folgen-Beratung, engagiert seelsorgerlich und theologisch in der Vergebungsarbeit.

Rogate-Frage: Herr Pfarrer Stauss, was macht ein Beauftragter des Rates für Seelsorge und Beratung von Opfern der SED-Kirchenpolitik und wie sind Sie zu dieser Aufgabe gekommen?

Curt Stauss: Einzelberatung, Seelsorge und geistliche Begleitung, fachliche Voten und Beratung des Kirchenamtes, der Landeskirchen und von Kirchengemeinden, Kooperation mit Dienststellen beziehungsweise Behörden wie der Bundesbeauftragten und den Landesbeauftragten für die Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes, psychosoziale Beratung für Betroffene von Systemunrecht und Gewaltherrschaft in der SBZ/DDR im Rahmen der Arbeit des Instituts für Diktatur-Folgen-Beratung, Zusammenarbeit mit Gedenkstätten und mit Betroffenen- beziehungsweise Opferverbänden, mit Psychotherapeut_innen und mit Forschungseinrichtungen.
Der Rat der EKD hat 1995, als die kirchliche Aufarbeitung im wesentlichen abgeschlossen war, eine Person gesucht, die für diese Fragen auch für die folgenden Jahre Ansprechpartner sein kann. Mein Auftrag ist zweimal verlängert worden und reicht bis zum Sommer 2015.

Rogate-Frage: Wie sah die SED-Kirchenpolitik aus und wie reagierte die Kirche darauf?

Curt Stauss: Die von der SED bestimmte Staatsführung der DDR hat in den 50er Jahren zunächst versucht, die kirchliche Arbeit massiv einzugrenzen: Enteignungen von kirchlichen Heimen, Verhaftung von Mitarbeitern, Verfolgung christlichen Jugendlichen. Nach einer ersten Welle bis zum Juni 1953, die nicht die erwarteten Ergebnisse brachte, wurden die Mittel subtiler: die Einführung der Jugendweihe, die schärfere Kontrolle kirchlicher Aktivitäten (Meldepflicht für fast alle Veranstaltungen, Abschaffung des Religionsunterrichts an den Schulen), atheistische Propaganda. Die Kirchen haben unterschiedlich darauf reagiert, es gab angepasste und eher widerständige Christen und unterschiedlich agierende Landeskirchen. Bis zum Ende der DDR waren die Kirchen die einzige relativ staatsunabhängige Großorganisation. Die Bindung an Christus als eine höhere Loyalität, aber auch die Beziehungen zu den westdeutschen Kirchen und zur weltweiten Ökumene machten eine Arbeit mit innerer Freiheit trotz äußeren ideologischen Druckes möglich. Im Sinne einer politischen Opposition haben die Kirchen sich nicht betätigt; aber sie haben zum Beispiel die Militarisierung der DDR-Gesellschaft nicht zuletzt in den Schulen beharrlich kritisiert, und sie haben nach Kräften Menschen, die ausgegrenzt oder verfolgt wurden, unterstützt.

Rogate-Frage: Sie gehörten zur Opposition in der DDR. Wie war zu der Zeit der Kontakt zur Landeskirche? Haben Sie Unterstützung erfahren?

Curt Stauss:  Ich war Pfarrer der evangelischen Kirche, ich habe als Jugendpfarrer die Wehrdienstverweigerung von Jugendlichen und ein Netzwerk von Basisgruppen seit Ende der 70er Jahre unterstützt. Eine Szene kann diese Funktion (die wir selbst nicht als Opposition bezeichneten) schildern. Der Magdeburger Bischof wurde 1983 von einem Stasi-Offizier gewarnt: Wenn er den Landesjugendpfarrer nicht unverzüglich versetze und dessen staatsfeindliche Aktivitäten unterbinde, werde man den verhaften. Worum ging es? Der Jugendpfarrer lud regelmäßig haupt- und auch ehrenamtliche Mitarbeiter zu Fortbildungen ein, in denen sie lernten, wie sie sich vor den Aktivitäten des Staatssicherheitsdienstes schützen und widerstehen könnten. Der Bischof erwiderte, das tue der Landesjugendpfarrer doch in seinem Auftrag – aber er bat diesen dann doch rasch zu sich und fragte, was denn in diesen Kursen geschähe. Das fand er denn auch in Ordnung – und dem Landesjugendpfarrer geschah nichts! In den Stasiakten freilich war das Schulungsprogramm „5 Faustregeln für den Umgang mit Stasi“ dann nachzulesen… Aber den jungen Leuten, so erzählen sie heute noch, hat’s geholfen.

Rogate-Frage: Wie sind die Landeskirchen mit ihrer Vergangenheit im Kontext „Kirche im Sozialismus“ und der teilweisen Zusammenarbeit mit der Stasi umgegangen? Vergessen oder Aufarbeitung der Geschichte?

Curt Stauss:  Die Landeskirchen haben verschiedene Wege der Aufarbeitung eingeschlagen; in der Regel waren das rechtlich geordnete Verfahren. Die Zahl der Haupt- und Ehrenamtlichen, die mit dem Staatssicherheitsdienst zusammenarbeitete, war statistisch gering (je nach Zählweise 1,5 bis 2 Prozent). Aber jeder einzelne solche Vertrauensbruch war, nicht zuletzt angesichts des Beichtgeheimnisses, eine schlimme Verletzung. Freilich ist diese Bilanz angesichts der massiven Aktivitäten der Stasi gegenüber den Kirchen insgesamt auch als Zeichen von Zivilcourage zu werten.
Nachdem seit Mitte der 90er Jahre das Thema in den Kirchen kaum noch eine Rolle spielte, ist in diesem Jahr – 25 Jahre danach –  eine neue Aufmerksamkeit entstanden; auch nach der Schuld der Kirche fragt nun die nächste Generation, und dies insbesondere im Blick auf die heutige Rolle der Kirche in den zivilgesellschaftlichen Konflikten. Mit wem ist sie solidarisch? wie geht sie mit ihren Privilegien um? welches Zeugnis gibt sie im Blick auf die Leiden der natürlichen Mitwelt und die Lebenschancen der künftigen Generationen.
Die Formel ‚Kirche im Sozialismus‘ war umstritten und missverständlich; aber selbst bei den angepassteren Kirchenleuten in der DDR meinte sie nicht ‚Kirche des Sozialismus‘. Was man heute in der Öffentlichkeit kaum zu sagen wagt, da sogleich mit dem Schimpfwort ‚Linksprotestant‘ zu rechnen ist: es gab eine biblisch und theologisch begründete Nähe zu sozialen und politischen Emanzipations- und Gerechtigkeitskämpfen, die mit dem Wort ‚Sozialismus‘ verbunden wurden! Diese Kämpfe sind durch den „real-existierenden Sozialismus“ der DDR verraten worden – aber sie sind deswegen nicht falsch und gar nicht überholt.

Rogate-Frage: Was können Christen, Kirchengemeinden und die Landeskirche aus Ihrer Erfahrung mit dem SED-Staat lernen?

Curt Stauss: Wir haben Römer 13 neu lesen gelernt als kritische Solidarität mit jedem Staatswesen: seine Ordnungsaufgaben haben wir zu bejahen, wo der Staat aber Herrschaft über die Gewissen auszuüben beginnt, ist Widerstand geboten! Wir haben gelernt, auch politische Gegner als vom Gebot der Feindesliebe gemeinte Menschen zu achten. Und: die Kirchen waren dort am glaubwürdigsten, wo sie absichtslos, ohne eigene Interessen in der Gesellschaft präsent waren: als Dach für die Basisgruppen in den 70er und 80er Jahren, als Raum, der zu Gebet und Gewaltlosigkeit einlud in den Herbstwochen 1989, und mit dem Angebot der Beratung, der geistlichen Begleitung und Seelsorge für politisch Verfolgte der DDR und deren Traumatisierungen seither.

Rogate: Vielen Dank, Herr Pfarrer Stauss, für das Gespräch!

Weitere Freitagsfragen – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de

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Willkommen zu unseren öffentlichen Gottesdiensten in der gastgebenen Ev. Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg, Lageplan:

  • Dienstag, 3. Juni 14|19:00 Uhr, VESPER, das Abendgebet
  • Donnerstag, 5. Juni 14|19:30 Uhr, KOMPLET, das Nachtgebet
  • Dienstag, 10. Juni 14|19:00 Uhr, VESPER, das Abendgebet
  • Donnerstag, 12. Juni 14|19:30 Uhr, KOMPLET, das Nachtgebet

Fünf Fragen an: Cornelia Radeke-Engst, Garnisionskirche Potsdam

Fünf Freitagsfragen an Pfarrerin Radeke-Engst über eine temporäre Kapelle, einen umstrittenen kirchlichen Ort und „BETEN, BILDEN, ERINNERN und SEHEN“.

Cornelia Radeke-EngstCornelia Radeke-Engst, geboren in Dresden, studierte an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena, an der kirchlichen Hochschule Naumburg und am Sprachenkonvikt Berlin. Sie war 20 Jahre lang Dompfarrerin am Brandenburger Dom, danach Landespfarrerin für Frauen- und Familienarbeit. Ihr wichtigstes Anliegen: Engagement in der Kirche als den „Ort, an dem Menschen in dem Friedens- und Lebensraum, den Gott uns eröffnet, Geborgenheit finden“. Seit dem 1. April hat sie die „Pfarrstelle Temporäre Kapelle“ in Potsdam inne.

Rogate-Frage: Frau Pfarrerin Radeke-Engst, von der landeskirchlichen Frauenarbeit zur Garnisionskirche ist es schon ein weiter Weg. Was reizt Sie an der neuen Aufgabe?

Cornelia Radeke-Engst: Mich reizt der Auftrag, an diesem umstrittenen Ort die „innere, spirituelle Kirche“ zu bauen. Die Temporäre Kapelle am Ort der ehemaligen Garnisonkirche ist seit 10 Jahren eine Nagelkreuzkapelle. Hier soll eine Profilkirche für Friedens und Versöhnung entstehen.

Rogate-Frage: Eine Pfarrerin ohne Kirche und ohne Gemeinde, wie wird Ihr neuer Arbeitstag aussehen?

Cornelia Radeke-Engst: Es gibt eine temporäre Kapelle. Dort feiern wir an jedem Samstag 18:00 Uhr einen Wochenschlussgottesdienst. Es wird wieder Nagelkreuzgebete geben. Regelmäßig werde ich Glaubenskurse anbieten, für Menschen, die den christlichen Glauben kennenlernen oder sprach- und auskunftsfähig über den christlichen Glauben werden wollen. Für den Deutsch-, Geschichte- und Religionsunterricht werden wir ein Curriculum erarbeiten, auf das Lehrerinnen und Lehrer zurückgreifen können, um mit ihren Klassen hier in der Nagelkreuzkapelle Unterrichtseinheiten zum Thema „Frieden und Versöhnung“, „Christlicher Widerstand“ oder zu preußischer Geschichte und Militarismus zu behandeln.

Rogate-Frage: Braucht Potsdam eine neue Kirche, einen Wiederaufbau ausgerechnet der historisch belasteten Garnisionskirche?

Cornelia Radeke-Engst: Potsdam braucht keine neue Kirche, aber dieser belastete Ort braucht es, keine Leerstelle zu bleiben, die Menschen mit den unterschiedlichsten Deutungen besetzen, sondern hier muss Kirche Profil zeigen und erkennbar sein, als eine Kirche des Friedens und der Versöhnung.

Es ist eine Augenwischerei, wenn der Tag von Potsdam auf die Garnisonkirche reduziert wird. In allen anderen Kirchen wurden vor dem Staatsakt zur Eröffnung des Reichstags Gottesdienste gefeiert. Der „geschichtsträchtige Handschlag“ von Hindenburg und Hitler ist eine nachträgliche Inszenierung. Es handelt sich schlichtweg um die Verabschiedung. Und vergessen sollte man nicht die jubelnden Massen, die die Straßen säumten. Übrigens hat es an der Garnisonkirche viele Personen gegeben, die zum Widerstand gegen Hitler am 20. Juli und darüber hinaus gehörten. In Auseinandersetzung mit der Geschichte hat die kleine Zivilgemeinde der Garnisonkirche nach dem Krieg die Kapelle im zerstörten Turmrumpf in „Heilig-Kreuz-Kapelle“ umbenannt und damit schon damals begonnen, an diesem Ort ein Zeichen zu setzen.

Ich merke, wie dieser Ort Menschen anzieht, sehr viele Menschen kommen „einfach so“ mal vorbei und fragen nach, hören zu.

Rogate-Frage: Sie wissen von der Kritik und auch von Spannungen zwischen Befürwortern und Gegnern. Wie wollen Sie Brücken schlagen zwischen beiden Seiten?

Cornelia Radeke-Engst: Im Dialog mit den Gegnern kann der christliche Versöhnungsgedanke konkret werden. Wir setzen auf den Dialog, auf gewaltfreie Kommunikation. Die Vorwürfe, die die Bürgerbewegung vorträgt, sind wichtige Anfragen, die ernst zu nehmen sind. Sie zu beantworten helfen uns, unser Profil als Friedens- und Versöhnungskirche zu schärfen.

Rogate-Frage: Wenn die Stiftung das Geld zusammenbekommen hat und die Vision einer neu errichteten Garnisionskirche realisiert sein wird, wie sich dort die Arbeit gestalten?

Cornelia Radeke-Engst: Zunächst wird der Turm gebaut werden mit einer Kapelle, Seminarräumen und der Zweckbestimmung BETEN, BILDEN, ERINNERN und SEHEN – damit ist der Ausblick von dem 88 Meter hohen Turm gemeint. Das heißt, dass die in der Temporären Kapelle, der Nagelkreuzkapelle begonnene Arbeit fortgeführt werden wird. Wenn dann tatsächlich auch das Kirchenschiff gebaut wird, wird man noch einmal eine neue Konzeption erarbeiten.

Rogate: Vielen Dank. Mehr über das Projekt finden Sie hier: garnisonkirche-potsdam.org

Weitere Freitagsfragen – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de

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Fünf Fragen an: Renke Brahms, Friedensbeauftragter der EKD

Friedensbeauftragter Renke BrahmsFünf Freitagsfragen an Renke Brahms, Friedensbeauftragter des Rates der EKD, über den Zusammenhang von Frieden, Gerechtigkeit & Recht, den Vorrang des Zivilen und die Stärkung gewaltfreier Konfliktbearbeitung.

Pastor Brahms ist Leitender Geistlicher der Bremischen Evangelischen Kirche. Nach dem Theologiestudium in Münster, Tübingen und Göttingen war er 16 Jahre Gemeindepastor der Melanchthon-Gemeinde in Bremen. Es folgten sieben Jahre Tätigkeit als Religionspädagoge für die Kindertageseinrichtungen der Bremischen Kirche. Seit 2007 ist Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche und seit 2008 Friedensbeauftragter der EKD.

Rogate-Frage: Herr Pastor Brahms, Sie sind Friedensbeauftragter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Was macht man mit so einer Beauftragung?

Renke Brahms: Als Friedensbeauftragter des Rates der Evangelischen Kirche sitze ich einer Konferenz für Friedensarbeit vor, in der Vertreterinnen und Vertreter der Landeskirchen und Institutionen wie z.B. Brot für die Welt, die Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr, die Evangelischen Akademien und die Forschungsstätte der Evangelischen Studienstiftung zusammen arbeiten und sich für den Frieden engagieren. Ich berate den Rat der EKD und spreche gelegentlich für den Rat in aktuellen Fragen des Friedens.

Rogate-Frage: Geht Ihre Arbeit Hand in Hand mit der Militärseelsorge oder ist der Friedensbegriff der EKD breiter aufgestellt?

Renke Brahms: Der Leitgedanke der evangelischen Friedensarbeit ist der „Gerechte Frieden“, wie er in der Denkschrift des Rates der EKD 2007 unter dem Titel „Aus Gottes Frieden leben – für gerechten Frieden sorgen“ formuliert wurde. Dabei geht es um ein breites Verständnis des Friedens im Sinne des biblischen Schaloms, um den Zusammenhang von Frieden, Gerechtigkeit und Recht, den Vorrang des Zivilen und die Stärkung gewaltfreier Konfliktbearbeitung. Die Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr nimmt dabei ihren besonderen Auftrag in der Seelsorge an Soldatinnen und Soldaten wahr – ebenfalls unter dem Leitgedanken des gerechten Friedens.

Rogate-Frage: Um den Frieden in der Welt ist es nicht gut bestellt. Manche Menschen fürchten einen neuen kalten Krieg zwischen Ost und West durch den Konflikt um die Ukraine. Mit welcher Brille schauen Sie auf die Konfliktherde unserer Tage?

Renke Brahms: In der Tat beobachten wir eine Vielzahl von Konflikten und Kriegen. Heute sind es dabei nicht mehr die Konflikte zwischen einzelnen Staaten, sondern Konflikte in zerbrechenden Staaten. Das ist auch in der Ukraine zu beobachten. Alle Erfahrungen aus den vergangenen Jahren und den internationalen Einsätzen in solchen Staaten zeigen uns, dass es keine militärische Lösung dieser Konflikte gibt. Deshalb muss mehr Wert auf frühzeitige Prävention und zivile, politische und diplomatische Lösungen gesetzt werden. Die Voraussetzung für einen nachhaltigen Frieden ist die Bekämpfung der Ursachen wie Armut und mangelnde Regierungsfähigkeit. Als eine der großen Weltreligionen haben wir als Christenmenschen dabei auch einen besonderen Auftrag im interreligiösen Dialog und Verständnis.

Rogate-Frage: Neueste Zahlen zeigen, dass die Rüstungsausgaben insgesamt weltweit gestiegen sind. Manche deutsche Firma profitiert davon. Die Politik spricht gern von Arbeitsplätzen, die so erhalten werden. Wie entschieden zeigt sich die evangelische Kirche in diesem Feld?

Renke Brahms: Die neueren Zahlen sagen, dass die weltweiten Ausgaben für Rüstung eher zurückgehen, aber einige Regionen wie zum Beispiel Asien enorm aufrüsten. Deutschland ist der drittgrößte Exporteur von Rüstungsgütern. Das ist für ein Land, dass zwei Weltkriege und eine friedliche Revolution erlebt hat, ein Armutszeugnis für den Frieden. Die evangelische Kirche engagiert sich bei diesem Thema unter anderem zusammen mit der katholischen Kirche durch einen sehr anerkannten Rüstungsexportbericht der Gemeinsamen Konferenz für Kirche und Entwicklung. Einige kirchliche Organisationen engagieren sich auch in der Aktion Aufschrei, die einen drastische Reduzierung oder auch einen Stopp der deutschen Rüstungsexporte fordert. Es sind nicht mehr sehr viele Arbeitsplätze, die in Deutschland von der Rüstungsindustrie abhängig sind. Dennoch steht hinter jedem Arbeitsplatz ein Mensch oder eine Familie. Deshalb ist die Umwandlung, die Konversion, der Rüstungsindustrie ein wichtiger Aspekt dieser Debatte.

Rogate-Frage: Wie lautet Ihr Lieblingsfriedensgebet?

Renke Brahms: Ich singe gerne: Verleih uns Frieden gnädiglich… Darin wird deutlich, dass uns der Frieden geschenkt wird. Aus diesem Geschenk heraus können wir uns dann auch für den Frieden einsetzen.

Rogate: Vielen Dank!

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Weitere “Fünf Fragen” – und Antworten – find Sie hier:

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Herzlich willkommen zu den nächsten Rogate-Andachten und Gottesdiensten. Den Monatsplan Mai 2014 finden Sie hier. Unsere geplanten Termine in der gastgebenen Ev. Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg, Lageplan:

 

Fünf Fragen an: Jörg Steinert, Geschäftsführer LSVD Berlin-Brandenburg

LSVD-Geschäftsführer Jörg SteinertFünf Freitagsfragen an Jörg Steinert über das Verschweigen gesellschaftlicher Realitäten, tausend Hände und einen Regenbogen am Nollendorfplatz.

Jörg Steinert stammt aus Sachsen und ging zum Studium nach Berlin. Der Politologe engagiert sich im Bereich der Menschenrechte und arbeitet seit 2006 beim Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg – seit 2010 als Geschäftsführer. Zusammen mit dem LSVD lädt das Rogate-Kloster morgen, 10. Mai 2014, 12:00 Uhr, zu einem Gedenkgebet für alle durch Trans- und Homophobie getöteten und verletzten Menschen in die Kapelle auf den Neuen-Zwölf-Apostel-Kirchhof.

Rogate-Frage: Warum ist der 17. Mai 2014 der Internationale Tag gegen Homophobie und Transphobie?

 Jörg Steinert: Am 17. Mai 1990 beschloss die Generalversammlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Homosexualität von der Liste psychischer Krankheiten zu streichen. Der 17. Mai wurde daraufhin zum Internationalen Tag gegen Homophobie und Transphobie ausgerufen. In Deutschland wird dieses Datum besonders mit dem berüchtigten Paragraphen 175 des deutschen Strafgesetzbuches assoziiert, der bis 1994 sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe stellte. Der früher zahlenspielerisch und spöttisch „Feiertag der Schwulen“ genannte 17. Mai (17.5.) wurde schließlich zum Symbol gegen die Diskriminierung Homosexueller.

Rogate-Frage: Homophobie verbinden viele mit Putins Politik. Warum ist sie zusammen mit der Transphobie auch Thema in Berlin?

Jörg Steinert: Wenn auch die Situation in Berlin nur schwierig mit der in Russland vergleichbar ist, stellt Homophobie, also die soziale, gegen nicht-heterosexuelle Menschen gerichtete Feindseligkeit und Angst, in Berlin ebenfalls ein Problem dar. Dies hat viele Facetten und Ausdrucksformen: Diskriminierung, Ausgrenzung und Benachteiligung, Beleidigung, Mobbing, Körperverletzung und Sachbeschädigung, Verschwörungstheorien, Hassparolen und Hetzartikel. Leider sind solche Fälle auch in Berlin noch verbreitet, sowohl in offener als auch in versteckter Art und Weise. Gesellschaftliche Missstände, wie z.B. die weit verbreitete Verwendung von „schwule Sau“ auf Schulhöfen und die wiederholte Beschädigung von Gedenkorten für die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus, bestehen bis heute.

Rogate-Frage: Welche Formen der versteckten Homo- und Transphobie gibt es?

Jörg Steinert: Es fängt mit dem Verschweigen von gesellschaftlichen Realitäten an. Auch 13 Jahre nach Einführung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft finden sich noch immer Formulare, in denen gleichgeschlechtliche Lebensweisen nicht vorgesehen sind. Diese Form der Heteronormativität ist diskriminierend.

Rogate-Frage: Der LSVD hat ein Bündnis gegen Homophobie gegründet. Was macht dieser Zusammenschluss genau?

 Jörg Steinert: Das Bündnis gegen Homophobie ist die Allianz der heterosexuellen Mehrheitsgesellschaft für die gesellschaftliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen. Es ist ein Zusammenschluss von Organisationen, Institutionen und Verbänden – unter anderem aus den Bereichen Sport, Kultur, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sowie Wirtschaft. Die Mitglieder engagieren sich innerhalb ihrer Organisationen, aber auch nach außen sichtbar gegen Homophobie. Denn Homophobie darf nicht tatenlos hingenommen werden und geht alle etwas an. Zusammen mit dem Berliner Fußball-Verband wurden zum Beispiel Handreichungen für Vereine entwickelt, die Wall AG unterstützt jedes Jahr eine Sensibilisierungskampagne und die evangelische Kirche veranstaltet CSD-Gottesdienste – jede Organisation beteiligt sich auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Es gibt eine Vielzahl von Aktivitäten.

Rogate-Frage: Was hat der LSVD an Aktionen zum 17. Mai geplant?

Jörg Steinert: Am 17. Mai 2014 lädt der LSVD, zusammen mit der Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, Angelika Schöttler, und dem Bündnis gegen Homophobie zu einer Kundgebung und Mitmachaktion namens „Tausend Hände für den Regenbogen“ ein. Am Ende der Kundgebung können bei der Mitmachaktion Handabdrücke in den sechs Regenbogenfarben auf einer großen Leinwand hinterlassen werden. Alle Menschen – unabhängig von ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität – sind eingeladen, sich zu beteiligen. Die Veranstaltung findet von 12:00 bis 13:00 Uhr an der Gedenktafel für die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus am U-Bahnhof Nollendorfplatz statt.

Weitere Informationen: berlin.lsvd.de

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Weitere „Fünf Fragen“:

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Herzlich willkommen zu unseren Andachten und Gottesdiensten. Den Monatsplan Mai 2014 finden Sie hier. Unsere geplanten Termine in der gastgebenen Ev. Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg, Lageplan, bzw. auf dem Neuen-Zwölf-Apostel-Kirchhof:

Fünf Fragen an: Josef Wieneke, Pfarrer der St. Matthias-Gemeinde Berlin

Pfr. Dr. Josef WienekeFünf Freitagsfragen an Dr. Josef Wieneke, Pfarrer der großen St. Matthias-Kirchengemeinde in Berlin-Schöneberg.

Rogate-Frage: Herr Dr. Wieneke, Sie – vom Land kommend – sind seit einem halben Jahr Pfarrer an St. Matthias mitten in Berlin-Schöneberg. Wie war Ihre erste Zeit hier und wie würden Sie Ihren neuen Stadtteil Menschen in Ihrer alten Gemeinde beschreiben?

Josef Wieneke: Die erste Zeit war natürlich voll neuer Eindrücke, deshalb nur ein kleines Stakkato: Ich erlebe eine sehr lebendige Kerngemeinde mit viele Menschen aus allen Kulturen, die sich zu den Heiligen Messen treffen, sozusagen ständig Weltkirche live. Im selbst Stadtteil innerhalb weniger hundert Meter ein Wechsel zwischen unterschiedlichsten Lebensweisen. Jeder Tag ist spannend wegen stets neuer Anforderungen.

Rogate-Frage: Die St. Matthias-Kirche hat die Tradition, einen Pfarrer aus dem Münsterland in die Hauptstadt zu berufen. Was hat Sie bewogen, dem Ruf zu folgen und diese ganz andere Herausforderung anzunehmen?

Josef Wieneke: Seit 1976 hatte ich familiär bedingt gleichsam einen „Koffer“ in Berlin – bin also immer mal wieder zu einem Besuch nach Berlin gekommen und habe daher die Stadt auch schon vor dem Mauerfall kennengelernt. Gerade in den Herausforderungen einer Hauptstadt Seelsorger zu sein und von Christus zu künden, ist das, was mich reizt.

Rogate-Frage: In Ihrer Gemeinde hat Clemens August Graf von Galen 15 Jahre Dienst als Kaplan und Pfarrer geleistet, später nannte man ihn wegen seiner Eindeutigkeit gegen die Nationalsozialisten und ihr Regime den „Löwen von Münster“. Welchen Einfluss hat sein Wirken heute auf Ihre Gemeinde und wie wird er und sein Vermächtnis gewürdigt?

Josef Wieneke: In einem der Kirchenfenster, der großen Pforte, in dem Reliquar und bei der Nennung in der Heiligen Messe ist der Gemeinde ihr seliger Pfarrer immer wieder präsent. Wir haben aber noch mehr Vorbilder aus der Zeit. In diesem Jahr wollen wir anlässlich des 80. Jahrestages des Röhmputsches der Ermordung von Erich Klausener besonders gedenken, der Kirchenvorstand in St. Matthias war. Ich sitze hier am Schreibtisch von Pfarrer Coppenrath, des Nachfolgers von Pfarrer von Galen – ein Schreibtisch, den die Gestapo einige Male durchsucht hat…

Ich erlebe hier deutlicher als im Volkschristentum entschiedenes Christentum – also Menschen, die sich auch den Seligen zum Vorbild nehmen, um als Katholik heute bewusst den Glauben zu leben.

Rogate-Frage: Wie erleben Sie die Ökumene in Berlin und Schöneberg und wie stellen Sie sich das ökumenische Leben in 20 Jahren vor?

Josef Wieneke: Ich habe in den ersten Wochen die evangelischen Nachbarpfarreien besucht und eine schöne Aufgeschlossenheit erlebt.

2034 kann ich noch nicht denken.

Rogate-Frage: Sie haben über Luthers Theologie promoviert. Wie kam es dazu und hat die Forschung Ihre Sicht auf die protestantische Theologie verändert? Wenn ja, wie?

Josef Wieneke: Über die Faszination der Denkschärfe der Scholastik und durch meinen Lehrer Erwin Iserloh bin ich zu den spätscholastischen Lehrern Luthers gekommen. Luther mit seinen Anliegen spielt nach meinen Eindruck trotz Reformationsgedenken eine eher geringe Rolle im heutigen Protestantismus.

Rogate: Vielen Dank!

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Mehr über die St. Matthias-Kirchengemeinde finden Sie hier und sowie weitere „Fünf Fragen“ – und Antworten –  hier:

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  • Donnerstag, 8. Mai 14|19:30 Uhr, KOMPLET, das Nachtgebet