Fünf Freitagsfragen an Konsistorialpräsident Ulrich Seelemann über Geld, Mitgliedermanagement und gelebte Transparenz in der Kirche.
Ulrich Seelemann: Geboren, aufgewachsen, studiert und über 50 Jahre gelebt in Hamburg, jetzt seit neun Jahren in Berlin. Er war Richter im Staatsdienst und ist 1993 – nach ehrenamtlichen Engagement in der Kirchengemeinde (Kirchenvorstand, Kantorei) und im Kirchenkreis (Kreissynode) – in den hauptamtlichen kirchlichen Dienst gewechselt, zunächst in Hamburg, dann ab 2005 in Berlin. Sein besonderes Interesse gilt dem Gottesdienst und der Diakonie.
Rogate-Frage: Herr Konsistorialpräsident Seelemann, wie hoch schätzen Sie die Zahl der Kirchenaustritte aus der EKBO, die es durch den römisch-katholischen Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst bzw. durch die intensive Medienberichterstattung gab?
Ulrich Seelemann: Eine Quantifizierung ist schwer möglich, da man für einen Kirchenaustritt keinen Grund angeben muss. Ich bin mir aber sicher, dass es deswegen Austritte gegeben hat. Viel schlimmer allerdings als einzelne Austritte ist, dass dieses Ereignis und die öffentliche Debatte darüber das ohnehin weit verbreitete Misstrauen gegenüber allen Religionsgemeinschaften, das oft auf Unkenntnis beruht, in der Öffentlichkeit sehr gefördert hat. Dieses Misstrauen wird häufig – leider auch von der Presse – völlig undifferenziert allem entgegen gebracht, das mit Kirche – egal mit welcher – zu tun hat.
Rogate-Frage: Wie könnte die Bindung von Mitgliedern an die Kirche verbessert werden, um einen (voreiligen) Austritt aus der „Gemeinschaft der Gläubigen“ zu verhindern?
Ulrich Seelemann: Wir müssen Wege finden, den Mitgliedern zu zeigen, dass sie dazu gehören und gebraucht werden – auch wenn sie nicht zur „Kerngemeinde“ zu zählen sind. Das kann am besten auf Gemeindeebene geschehen durch gezielte Ansprache auch derer, die nicht sowieso immer da kommen. Wir müssen den Menschen leicht verständlich vermitteln, was unsere Aufgabe ist und dass sie ein Teil von Kirche, nicht ihr Gegenüber sind. Um dies zu fördern haben wir auf landeskirchlicher Ebene eine Stelle „Mitgliedermanagement“ eingerichtet, um die Gemeinden bei solchen Projekten und in der Mitgliederkommunikation zu unterstützen.
Rogate-Frage: Sie stellen sich seit Jahren kritischen Fragen zum Thema „Die Kirche und das Geld“. Welche Einwände hören Sie und wie antworten Sie darauf?
Ulrich Seelemann: Häufig beklagt werden die „Ökonomisierung der Kirche“ die Kirchensteuer und angeblich mangelnde Transparenz. Das erste gipfelt manchmal in dem Satz „Reden wir hier über Geld oder über das Evangelium?“. Dazu sage ich dann: „Wir müssen leider auch über das Geld reden, um morgen noch in der Öffentlichkeit über das Evangelium reden zu können“. Geld und Inhalt sind keine Gegensätze, aber es muss klar sein, dass Geld und Bewirtschaftung oder ein ausgeglichener Haushalt nicht „Unternehmenszweck“ sind, sondern Voraussetzungen, um den Auftrag erfüllen zu können. Der gute Haushalter spielt auch bei Jesus eine Rolle, und die Gelder, die uns von den Mit-Gliedern mit ihren anderen Gaben anvertraut sins, müssen treu und klug für die Erfüllung des einen Auftrags der Kirche eingesetzt werden. Es wäre töricht, sich nicht um die wirtschaftlichen Fragen zu kümmern, auch um die Einnahmeseite, weil wir dann unseren Auftrag vernachlässigen müssten. Auch Jesus brauchte die Reichen, um den Armen geben zu können!
Die oft kritisierte Kirchensteuer ist kein bürokratisches Monstrum, sondern eine gute und sehr effizientes Instrument, um den Grundsatz umzusetzen, dass jede und jeder nach ihrer und seiner Leistungsfähigkeit und mit seinen Gaben an der Erfüllung des Auftrags der Kirche mitzuwirken hat. Ein durchaus biblischer Grundsatz! Diese Finanzierungsart ermöglicht es der Kirche, unabhängig von einzelnen Geldgebern nur der Verkündung des Evangeliums zu dienen und gibt so Freiheit und Unabhängigkeit.
Schließlich ist unsere Haushalterschaft transparent. Alle Haushalte und die Abschlüsse sind öffentlich zugänglich, unsere Haushaltsgrundsätze schreiben Transparenz fest. Dass es schwer ist, Gesamtübersichten über die Geldverwendung zu geben, liegt daran, dass wir eben kein Konzern sind, der zentral verwaltet und verantwortet wird, sondern jede Gemeinde, jeder Kirchenkreis und die Landeskirche selbständig sind – und das ist auch gut so.
Rogate-Frage: Die Kirchensteuereinnahmen sinken durch Arbeitslosigkeit und Austritte, das verfügbare Geld wird für die Landeskirche und für die Gemeinden noch weniger werden. Wie reagieren Gemeinden und die EKBO konstruktiv darauf?
Ulrich Seelemann: Wir müssen uns klar sein, dass derzeitige Strukturen und Arbeitsweisen nicht für die Ewigkeit sind. Sie sind eine gute und taugliche Antwort auf frühere und derzeitige Fragen der Auftragserfüllung der Kirche. Sie werden sich ändern müssen, wenn sich die Rahmenbedingungen und damit die Fragen ändern. Dafür steht die Landeskirche als „semper reformanda“ derzeit in einem Reformprozess „welche Kirche morgen“, in dem genau diese Fragen gestellt und Antworten gesucht werden. Im Sinne der klugen Haushalterschaft müssen wir uns immer wieder fragen, wo und wie wir unsere beschränkten Kräfte und Ressourcen einsetzen müssen, um bestmöglich unseren Auftrag zu erfüllen. Wo sich keine Gemeinde mehr unter Gottes Wort sammelt, wäre es unverantwortlich, dort die noch vorhandenen vor allem personellen Ressourcen zu vergeuden, nur weil es immer so war.
Rogate-Frage: Erlauben Sie bitte noch eine Frage zum Thema Klöster im Protestantismus der Gegenwart: Welchen Platz haben geistliche Gemeinschaften und Kommunitäten in und für die EKBO?
Ulrich Seelemann: Geistliche Gemeinschaften und evangelische Klöster sind eine Form unter den vielfältigen Möglichkeiten gelebten christlichen Glaubens. Gerade wir als unierte Kirche bejahen die Vielfalt und die Unterschiedlichkeit der Formen, wie man seinen Glauben bekennt und lebt. Sie sind damit willkommener und bereichernder Teil unserer Kirche und werden auch von der Krichenleitung wahrgenommen und begleitet. Persönlich ist mir dabei wichtig, dass sie sich dabei aber nicht abkapseln, sondern sich als Teil des wandernden und suchenden Gottesvolks sehen.
Mehr Infos über Fakten und Zahlen der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz finden Sie hier: ekbo.de/zahlen_fakten
Weitere Freitagsfragen – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de
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Willkommen zu unseren öffentlichen Gottesdiensten in der gastgebenen Ev. Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg, Lageplan:
Heute: Freitag, 13. Juni 2014, 19:30 Uhr, Ökumenischer Gottesdienst zur Eröffnung des 22. Stadtfestes des Regenbogenfonds e.V., Predigt: Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein. Weitere Mitwirkende: Dekan Ulf-Martin Schmidt (Alt-katholische Gemeinde Berlin), Pfr. Stephan Kienberger (American Church Berlin), den Tauwerk-Schwestern (Franziskanerinnen Münster St. Mauritz), Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD), MdB Volker Beck (Die Grünen) und Pastorin Dagmar Wegener (Baptistische Gemeinde Schöneberg). Chor: Bro kyrkokör, Schweden.
- Dienstag, 17. Juni 14|19:00 Uhr, VESPER, das Abendgebet
- Donnerstag, 19. Juni 14|19:30 Uhr, KOMPLET, das Nachtgebet
- Dienstag, 24. Juni 2014, 19.00 Uhr, Ökumenische Eucharistie zum St. Johannistag mit der alt-katholischen Gemeinde, anschließend Sommerfest des Förderverein Rogate-Kloster e.V.. Orgel: Malte Mevissen.