Fünf Fragen an: Wolfgang Gern, Vorsitzender der Diakonie Hessen

Fünf Fragen an Pfarrer Dr. Wolfgang Gern über die Wesensgestalt von Kirche, diakonische Frömmigkeit und die begrüßte Vielfalt menschlichen Lebens.

Pfarrer Dr. Wolfgang GernPfarrer Dr. Wolfgang Gern, geb. 1951 in Berlin, studierte in Berlin und Heidelberg sowie als ökumenischer Stipendiat in Bangalore/Südindien. Er war während des Vietnamkrieges Flüchtlingshelfer in Laos und Kambodscha. Er arbeitete als Wissenschaftlicher Assistent an der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg und promovierte dort zum Dr. theol.. Nach seinem Vikariat in Hirschhorn am Neckar war er Gemeindepfarrer in Reichelsheim/Odenwald. Anschließend war er Leiter des Seminars für Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt in Mainz. Seit 2000 ist er Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau und seit 2013 Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hessen
Diakonisches Werk in Hessen und Nassau und Kurhessen-Waldeck e.V.. Er ist Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und gehört landesweiten und bundesweiten kirchlichen, diakonischen und sozialpolitischen Gremien an. In den Jahren 2007 bis 2011 war er Sprecher der Nationalen Armutskonferenz.

Rogate-Frage: Herr Vorstandsvorsitzender Dr. Wolfgang Gern, wie definieren Sie Diakonie? Und wie Caritas?

Wolfgang Gern: Diakonie ist sichtbare und spürbare Nächstenliebe als Tatwort des Glaubens. Darin ist Diakonie auch Wesensgestalt von Kirche. Im Kontext der offenen und öffentlichen Volkskirche erscheint Diakonie in ihren unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern als subsidiärer Träger im Sozialstaat unverzichtbar. Sie erreicht auch und gerade Menschen und Milieus, die sonst nichts mit unserer Kirche zu tun haben. Diakonie ist parteilich für eine soziale und gerechte Gesellschaft, wo jede und jeder einen Platz finden kann, um menschenwürdig zu leben. Eine Utopie, die ihre Nahrung findet in den Vorstellungen vom Reich Gottes – wie Gott uns und unser Zusammenleben gemeint hat.

Ich verbinde mit Caritas engagierte Kolleginnen und Kollegen, die sich für die gleichen Ziele einsetzen und mit uns vertrauensvoll zusammenarbeiten.

Rogate-Frage: Wie wird in der praktischen diakonischen Arbeit christliche Spiritualität und Frömmigkeit gelebt?

Wolfgang Gern: Dies geschieht auf sehr unterschiedliche Weise und ist von den jeweiligen Einrichtungen abhängig. Etwa in einem Wohnheim der Wohnungslosenhilfe feiert regelmäßig ein Dekan Andachten oder Gedenkveranstaltungen mit den Mitarbeitenden und Klienten. In einem unserer Mitgliedskrankenhäuser ist es üblich, dass alle Mitarbeitenden Andachten vorbereiten und feiern. Räume der Stille und der Andacht werden bewusst zur Verfügung gestellt bzw. bereits bei Bauprojekten mit geplant. In unserer Landesgeschäftsstelle der Diakonie Hessen werden regelmäßige Treffen – seien es Feste oder Besprechungen – mit einem geistlichen Impuls begonnen. Wichtiger allerdings ist es uns, dass unsere Zusammenarbeit durch eine Haltung der Wertschätzung und durch Respekt vor den Menschen geprägt ist. Ich bin überzeugt, wo sich Menschen anrühren lassen von der Not anderer und auch in Krisensituationen in der liebenden Zuwendung durchhalten, da leuchtet Gottes Güte auf, auch ohne dass es in Worte gefasst werden muss.

Rogate-Frage: Welchen Stellenwert haben die geistlichen Gemeinschaften und Diakonissen heute in der Diakonie Hessen?

Wolfgang Gern: Sie sind ein wertvoller und traditionsreicher Strang unserer Geschichte. Wir tragen einen guten Namen, weil unter anderem viele Diakonissen in den Gemeinden vor Ort als Gemeindeschwestern in übergroßem Einsatz Menschen hilfreich begleitet haben. Noch heute erinnern sich viele Menschen dankbar an diese Frauen. Immer wieder berichten Mitglieder, dass die Diakonissen in ihren Einrichtungen einen besonderen Geist mitbringen. Auch wenn sie weniger geworden sind, sie haben das Fundament gelegt.

Heute ist die Diakonie in vielen Bereichen tätig und sie ist in ihrer Arbeit und in ihren Angeboten bunter geworden, auch bunter an Menschen und Lebensentwürfen. Ich finde, das macht uns ungemein reich. Es ist daher eine anspruchsvolle Aufgabe, die viele Mitglieder und auch wir aktiv annehmen, im Kontext der Vielfalt unser diakonisches Profil im Dialog zu klären und Mitarbeitenden Spielräume des Nachdenkens zu eröffnen.

Rogate-Frage: Ihr Landesverband wurde öffentlich kritisiert, weil sogenannte „Homoheiler“ Mitglied sind. Inwieweit teilt die Diakonie Hessen den Ansatz dieser Organisationen, die eine Homosexualität als behandlungsbedürftig sehen?

Wolfgang Gern: Die Diakonie Hessen ist kritisiert worden, weil ein rechtlich selbstständiges Mitglied (Weißes Kreuz) der Diakonie Hessen auf einer Tagung – neben vielen anderen – auch Referenten eingeladen hatte, die die These vertreten, dass Homosexualität „heilbar“ sei.

Die Diakonie Hessen teilt diesen Ansatz und diese Ansicht nicht. Sie setzt sich für ein inklusives Menschenbild ein, das jeglicher Form von Ausgrenzung und Diskriminierung entgegensteht. Jegliche Stigmatisierung oder Pathologisierung von Schwulen und Lesben lehnen wir kategorisch ab. Wir begrüßen vielmehr die Vielfalt menschlichen Lebens in unserer Gesellschaft. Darin stimmt die Diakonie Hessen mit der Haltung der beiden hessischen evangelischen Landeskirchen überein, und sie hat sich diesbezüglich dahingehend mehrfach geäußert.

Die Diakonie Hessen begleitet das Weiße Kreuz daher kritisch und begrüßt dessen Antidiskriminierungspapier. Grundsätzlich erwarten wir von allen Mitgliedern die Einhaltung demokratischer Spielregeln, zu denen die „Null-Toleranz“ gegenüber Diskriminierung und auch der faire Austausch von Meinungen gehören.

Rogate-Frage: Das Kirchenportal „evangelisch.de“ titelte im Juni „Ohne Homosexuelle wäre die Kirche aufgeschmissen„. Wie sieht´s bei der Diakonie aus?

Wolfgang Gern: Das ist nicht der Blickwinkel, unter dem wir unsere Mitarbeitenden betrachten. Es geht um ihre fachliche Qualifikation, die professionelle Bereitschaft, die jeweilige Arbeit zu tun und wertschätzend, menschlich zugewandt, verantwortungsbewusst und vertrauensvoll mit Kolleginnen und Kollegen sowie mit Klienten zusammenzuarbeiten. Das steht bei uns im Mittelpunkt, um auch zukünftig gute Arbeit für und mit Menschen leisten zu können. Ja, Kirche und Diakonie wären aufgeschmissen, wenn sie nicht so hoch engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten, die die Menschlichkeit Jesu zum Leuchten bringen.

Rogate: Vielen Dank.

Mehr Infos über die Diakonie Hessen finden Sie hier: diakonie-hessen.de

Unsere Reihe Freitagsfragen – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de

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Willkommen zu unseren öffentlichen Gottesdiensten in der gastgebenen Ev. Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg, Lageplan:

  • Donnerstag, 31. Juli 14|19:30 Uhr, Komplet, das Nachtgebet
  • Dienstag, 5. August 14 |19:00 Uhr, VESPER, das Abendgebet
  • Donnerstag, 7. August 14 |19:30 Uhr, KOMPLET, das Nachtgebet
  • Sonnabend, 9. August 2014, 12:00 Uhr, Mittagsgebet und Andacht für Trauernde, Neuen-Zwölf-Apostel-Kirchhof, Werdauer Weg 5, S Schöneberg. Organist: Malte Mevissen.
  • Dienstag, 12. August 14 |19:00 Uhr, VESPER, das Abendgebet, anschließend 9. Mitgliederversammlung Rogate-Kloster St. Michael zu Berlin e.V.
  • Unseren August-Plan finden Sie hier.

Fünf Fragen an: Dr. Birgit Klostermeier, Kirchenkreis Schöneberg

Fünf Freitagsfragen an Superintendentin Dr. Birgit Klostermeier über mehr Möglichkeiten, Fantasie und zwei sich annähernde Berliner Kirchenkreise.

Superintendentin Dr. B. KlostermeierDr. Birgit Klostermeier stammt aus Nordrhein-Westfalen, studierte in Göttingen, Heidelberg und Basel Soziologie und Theologie, war Pastorin in Hannover und Loccum, und ist seit 2011 Superintendentin in Berlin-Schöneberg. Zum 1. Januar 2015 wird sie eine andere Aufgabe in der Landeskirche Hannover übernehmen.

Rogate-Frage: Frau Superintendentin Dr. Klostermeier, Sie sind mit Ihren Mitarbeitenden und den Gremien auf dem Weg in einen neuen Kirchenkreis. Wie kam es zu der Absicht die Kirchenkreise Tempelhof und Schöneberg zu vereinen und wer hatte die Idee?

Birgit Klostermeier: Als der kleinste Kirchenkreis in Berlin ist Schöneberg schon seit Längerem mit der Idee beschäftigt. Auf einer gemeinsamen Kreiskirchenratsrüste im Frühjahr 2013 hat es dann zwischen Tempelhof und Schöneberg gewissermaßen „gefunkt“, und wir sind nach Hause gefahren mit der Vorstellung: Das könnte richtig gut werden!

Rogate-Frage: Geht es um finanzielle Einsparungen oder was erhoffen Sie sich durch die Neustrukturierung der Kirchenkreise genau?

Birgit Klostermeier: Es geht vor allem um mehr Freiheit und mehr Möglichkeiten der Gestaltung. Beides gewinnen wir durch eine Neuordnung der Kirchenkreise. So können wir neue und besser ausgestattete Stellen schaffen, die der gemeindlichen Arbeit zugute kommen. Das Motto heißt: Mehr Köpfe, mehr Ideen, mehr Kooperationsmöglichkeiten“. Und: „In Ruhe agieren, statt in Hektik reagieren.“ Wenn es finanzielle Einsparungen gibt, dann auf der kreiskirchlichen Leitungsebene, auf der personelle Veränderungen sowieso anstehen.

Rogate-Frage: Welche Reaktionen erreichen Sie aus den Schöneberger Gemeinden und von deren Gemeindegliedern?

Birgit Klostermeier: Viele stimmen zu und sagen: das ist sinnvoll. Manche Gemeindeglieder verbinden mit dem Wort „Fusion“, was sie aus ihren eigenen beruflichen Zusammenhängen kennen, Einsparung von Stellen und Zentralisierung. Befürchtungen werden laut, der Gestaltungsspielraum der Gemeinden könne sich einschränken. Dies soll nach dem Willen der Kreissynoden gerade nicht sein, ganz im Gegenteil wollen wir so gemeindliche Möglichkeiten, Lebenswertes und Liebgewordenes, erhalten. Das „böse F –Wort“ würde ich deshalb in ein schöneres umwandeln, wie „Fantasie“.

Rogate-Frage: Sie haben im März zu einer großen Informationsveranstaltung „in der geografischen Mitte des neuen Kirchenkreises“ eingeladen. Wie sehen die weiteren Schritte aus und was wird bis zum Zusammenschluss passieren?

Birgit Klostermeier: Das Interesse an der Veranstaltung war überwältigend und wir haben gemerkt, wie Viele mitdenken wollen. Die Steuerungsgruppe nimmt deshalb eine Menge dort gewonnener Anregungen auf. So werden wir zukünftig über Newsletter regelmäßig über den Prozess informieren und Gemeinden dabei unterstützen, sich gegenseitig kennen zu lernen. Bis zum Sommer wollen wir den Kreiskirchenräten und Gemeinden einen Zeitplan vorlegen. Die Herbstsynoden 2014 werden erstmals zumindest zeitweise gemeinsam tagen. 2015 wird es in Arbeitsgruppen und Synoden um die engeren Absprachen gehen, die wichtige Finanzsatzung zum Beispiel, ehe dann zum Ende des nächsten Jahres die Synoden über die Neuordnung entscheiden.

Rogate-Frage: Was wird sich für unsere gastgebende Zwölf-Apostel-Kirchengemeinde und für das im Kirchenkreis Schöneberg angesiedelte Rogate-Kloster ändern?

Birgit Klostermeier: Es wird keine fusionsbedingten Kündigungen geben und Vereinbarungen gelten auch weiterhin. Ansonsten: „Mehr Köpfe, mehr Ideen, mehr Kooperationsmöglichkeiten“– das wird zu spüren sein und auch für die Zwölf-Apostel-Gemeinde und das Rogate-Kloster einen, so hoffe ich, guten und motivierenden Unterschied machen.

Rogate: Vielen Dank.

Mehr Infos über den Kirchenkreis finden Sie hier: schoeneberg-evangelisch.de

Weitere Freitagsfragen – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de

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Willkommen zu unseren öffentlichen Gottesdiensten in der gastgebenen Ev. Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg, Lageplan:

  • Dienstag, 29. Juli 14|19:00 Uhr, VESPER, das Abendgebet
  • Dienstag, 5. August 14 |19:00 Uhr, VESPER, das Abendgebet
  • Donnerstag, 7. August 14 |19:30 Uhr, KOMPLET, das Nachtgebet
  • Sonnabend, 9. August 2014, 12:00 Uhr, Mittagsgebet und Andacht für Trauernde, Neuen-Zwölf-Apostel-Kirchhof, Werdauer Weg 5, S Schöneberg.
  • Unseren kompletten August-Plan finden Sie hier.

Fünf Fragen an: Rainer Kampling, Professor für Biblische Theologie an der FU Berlin

Fünf Freitagsfragen an Prof. Rainer Kampling über die Gottesgebärerin Maria, Vorbilder im Glauben und den Unterschied zwischen Anbetung und Anrufung.

Univ.-Prof. Dr. Rainer KamplingRainer Kampling wurde 1953 im Münsterland (Nordrhein-Westfalen) geboren. Nach dem Zivildienst studierte er Katholische Theologie, Lateinischen Philologie und Judaistik an der Westfälische-Wilhelms-Universität in Münster. Seit 1992 ist er Professor für Biblische Theologie/Neues Testament am Seminar für Katholische Theologie an der Freien Universität Berlin. Einer seiner Schwerpunkte ist die Theologie und Geschichte der Jüdisch-Christlichen Beziehungen. Er ist derzeit Sprecher des Zentrums Jüdische Studien Berlin-Brandenburg (ZJS).

Rogate-Frage: Herr Prof. Kampling, welche Rolle hat Maria in der römisch-katholischen Kirche und Theologie? Bleibt da noch Platz für Christus und den Heiligen Geist?

Rainer Kampling: Wenn wir in die Spätantike zurückgehen, finden wir den Beschluss des Konzils von Ephesos von 431. Dort wird ausgesagt, Maria sei „Gottesgebärerin“. Damit ist freilich nicht vorrangig eine Aussage über Maria gemacht worden, sondern über Jesus Christus. Von hierher lässt sich Ihre Frage beantworten: Alles, was über Maria gesagt werden kann, hat seinen Grund und sein Ziel im Handeln Gottes in und durch den, den Christinnen und Christen als seinen Sohn glauben und bekennen. Zugleich aber wird mit Ephesos überdeutlich ausgesagt, dass Maria in dieses Handeln mithineingenommen ist. Von hierher erklärt sich ihre Verehrung, die aber immer der Hinwendung zum trinitarischen Gott untergeordnet bleibt.

Rogate-Frage: Der biblische Befund ist nicht unbedingt umfassend, wenn es um Jesu Mutter geht. Wie konnte es dann zu der großen Rolle kommen, die man ihr im katholischen Kontext eingeräumt hat?

Rainer Kampling: Nun, immerhin steht Maria nach dem lukanischen Werk am Anfang der Geschichte Gottes in Jesus Christus und am Anfang der Kirche. Beides bildet die zwei Säulen der Marienverehrung der katholischen Kirche: Maria ist dem Geheimnis nahe und der Kirche verbunden. An ihr wird Wirklichkeit, was wir berechtigt hoffen und glauben dürfen: die vollkommene Annahme in der Gnade Gottes.  Die unerwartete Erfahrung der Gnade Gottes ohne Ansehung der Person findet bis heute ihre Antwort in der Verehrung der Frau aus Nazaret (Lukas-Evangelium 1,48: „denn hingesehen hat er auf die Niedrigkeit seiner Magd“) als Mutter der Gläubigen („Siehe, von nun an werden mich seligpreisen alle Geschlechter“).

Rogate-Frage: Es heißt, Maria, die Apostel und Heiligen werden nicht angebetet, sondern angerufen. Wo ist der Unterschied?

Rainer Kampling: Hier helfen die Worte selbst: Wer etwas anbetet, anerkennt, dass der oder das grösser ist als man selbst. Die Geschichte hat gezeigt, dass man gewiss Menschen, Ideologien und Dinge angebetet und vergötzt hat und darin untergegangen ist. Aber nur dem Einen kommt Anbetung zu: „Denn es steht geschrieben: Zum Herrn, deinem Gott, sollst du beten und ihm allein dienen.“ (Matthäus-Evangelium 4,10) Die Verehrung der Heiligen, besonders die der Jungfrau Maria, beruhen auf der Anerkenntnis ihrer Vollkommenheit, die Gott ihnen geschenkt hat. Und weil sie in der Kirche gegenwärtig – der Tod trennt niemanden in der Gemeinschaft Gottes – sind, können sie angerufen werden als Fürsprecher vor Gott, damit sich ihre Bitte mit der unsrigen verbindet.

Rogate-Frage: Welche Rolle haben die Heiligen in Ihrer eigenen Frömmigkeit und Glaubenspraxis?

Rainer Kampling: Der selige Rainer von Osnabrück ist mein Namenspatron, und ich blicke ein wenig scheu und mit viel Demut auf ihn. Meine Lieblingsheiligen sind Filippo Neri und Josef von Copertino. Man lese nach, wie sehr sie die Freude Gottes lebten. Und schon als kleines Kind lernte ich das Ave Maria; es begleitet mich durch manchen Alltag.

Rogate-Frage: Welche Schnittmengen sehen Sie in der Frage der Marienverehrung und Heiligenfrömmigkeit in der Ökumene zu den Protestanten?

Rainer Kampling: Bei dem Luthertext „Das Magnificat“ verdeutscht und ausgelegt (WA 7, 546–601) könnte man wohl anfangen. Und während eines Aufenthalt in Sachsen-Anhalt konnte ich doch viele sehen, die den Lutherpilgerweg gingen. Kann es nicht sein, dass es eine größere Sehnsucht nach Vorbildern im Glauben gibt, als man manchmal denkt…

Rogate: Herr Prof, Kampling, herzlichen Dank!

Weitere Freitagsfragen – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de

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Willkommen zu unseren öffentlichen Gottesdiensten in der gastgebenen Ev. Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg, Lageplan:

  • Ausstellung "Töten aus Überzeugung"Sonntag, 20. Juli 14|10:00 Uhr, Gottesdienst zur Eröffnung der Ausstellung „Töten aus Überzeugung“, Predigt: Pfarrerin Barbara Eschen, Direktorin Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Hier der Einladungsflyer „Töten aus Überzeugung“.
  • Dienstag, 22. Juli 14|19:00 Uhr, VESPER, das Abendgebet
  • Donnerstag, 24. Juli 14|19:30 Uhr, EUCHARISTIE, Vorabend Tag Apostel Jakobus d. Älteren
  • Dienstag, 29. Juli 14|19:00 Uhr, VESPER, das Abendgebet

 

Gottesdienst: Erinnerung an Morde der Nationalsozialisten. Dreisprachige Wanderausstellung eröffnet am Wochenende.

Plakat "Töten aus Überzeugung"„Töten aus Überzeugung“ ist der Titel einer Ausstellung zum Thema „Euthanasie“, die am Sonntag in der Schöneberger Zwölf-Apostel-Kirche eröffnet wird. Sie erinnert an die Ermordung psychisch kranker und geistig behinderter Menschen als Teil der nationalsozialistischen Rassenideologie. Veranstalter sind die Pinel Gesellschaft und das Rogate-Kloster Sankt Michael zu Berlin.

Schirmherrin der fünfwöchigen Ausstellung ist die Direktorin des Diakonisches Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Pfarrerin Barbara Eschen. Sie wird im Rahmen eines Eröffnungsgottesdienstes am Sonntag, 20. Juli, die Predigt halten. Die Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin, Prof. Barbara John, spricht ein Grußwort.

In Fotographien, Dokumenten und in nachgebildeten Szenen werden die Methoden und Verbrechen der Nationalsozialisten an Menschen mit Behinderung deutlich. Die konkrete Darstellungsform in Schaukästen verdeutlicht nicht nur die historischen Geschehnisse, sondern ermöglicht den Bezug auf eine Gedenk- und Erinnerungskultur der Gefühle. Die Initiatoren der Wanderausstellung wollen einen Eindruck des persönlichen Leids der Betroffenen vermitteln, ohne die erlittenen Grausamkeiten selber darzustellen.

Alle Texte der Schautafeln sind in englischer, polnischer und deutscher Sprache verfasst. Der Paritätische hat die Erarbeitung und Umsetzung der Ausstellung finanziell unterstützt.

Termin: Eröffnungsgottesdienst am 20. Juli in der Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg, am 20. Juli 2014, 10:00 Uhr.

Die Ausstellung ist bis zum 30. August zu sehen: Mittwochs und donnerstags, von 10:00 bis 12:00 Uhr, sonnabends von 11:00 bis 15:00 Uhr sowie vor und nach den Gottesdiensten.

Erreichbar ist die Zwölf-Apostel-Kirche mit öffentlichen Verkehrsmitteln und über die U-Bahnhöfe: Kurfürstenstraße (U1) Nollendorfplatz (U1, U2, U3, U4). Oder per Bus: Kurfürstenstraße (M85, M48), Nollendorfplatz (M19, 187) und Gedenkstätte Dt. Widerstand (M29). PKW-Stellplätze sind vorhanden vor dem Gemeindezentrum und in der Genthiner Straße.

Weitere Informationen: Das Plakat zur Ausstellung finden Sie hier. Hier der Einladungsflyer zur Ausstellung “Töten aus Überzeugung”. Ein Interview mit dem Initiator Michael Gollnow finden Sie hier.

Information zur Ausstellung in polnischer Sprache:

W niedzielę, 20 lipca, zostanie otwarta wystawa objazdowa pod tytułem „Zabijanie z przekonania“, która informuje w trzech językach (polskim, niemieckim oraz angielskim) o morderstwach narodowych socjalistów w ramach akcji „eutanazja“ na 300 000 osobach umysłowo upośledzonych lub psychicznie chorych w Niemczech i w Europie. Wstęp na wystawę jest bezpłatny.

Nabożeństwo otwierające wystawę odbędzie się w niedzielę, 20 lipca, o 10 godz. w Kościele Dwunastu Apostołów (Zwölf-Apostel-Kirche) przy ulicy An der Apostelkirche 1 (10783 Berlin), niedaleko stacji metra Nollendorfplatz. Wystawę będzie można zwiedzać w Kościele Dwunastu Apostołów do 30 sierpnia br., w środy i czwartki od 10 do 12 godz., a w soboty od 11 do 15 godz. oraz przed i po nabożeństwach.

Wystawa „Zabijanie z przekonania“ została przygotowana przez Pinel gemeinnützige Gesellschaft mbH z Berlina, która razem z Klasztorem Rogate Św. Michała w Berlinie organizuje ww. wystawę w Kościele Dwunastu Apostołów. Wystawa została umożliwiona przez finansowe wsparcie Der Paritätische Berlin, berlińskiej organizacji obejmującej ponad 700 niezależnych organizacji pożytku publicznego.

Fünf Fragen an: Stephan Ackermann, Bischof des Bistums Trier

Fünf Freitagsfragen an Bischof Dr. Stephan Ackermann, Bistum Trier, über die eigene Zeit zum Beten, manche Sprachlosigkeit und die gewonnene Weite, wenn man mit den Augen des Glaubens auf die Welt sieht.

Bischof Dr. Stephan AckermannBischof Dr. Stephan Ackermann ist 1963 in Mayen (Eifel) geboren und in Nickenich aufgewachsen. In einem gläubigen Elternhaus verwurzelt und angeregt durch Erfahrungen in der Jugendarbeit wuchs sein Interesse am Priesterberuf. Nach Studienjahren in Trier und Rom wurde Stephan Ackermann am 10. Oktober 1987 in Rom vom Rottenburger Bischof Georg Moser zum Priester geweiht. Nach Abschluss seiner theologischen Ausbildung und einer zweijährigen Kaplanszeit in Bad Breisig war er von 1991-1998 Subregens am Bischöflichen Priesterseminar Trier. Ab September 1999 war er Regens im Seminar „Studienhaus St. Lambert“ in Lantershofen. Am 14. März 2006 wurde Ackermann von Papst Benedikt XVI. zum Weihbischof in Trier ernannt, am 14. Mai 2006 zum Bischof geweiht. Am 8. April 2009 ernannte ihn Papst Benedikt zum Bischof von Trier. Ackermann ist Vorsitzender der deutschen Kommission „Justitia et Pax“ und Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für alle Fragen im Zusammenhang des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger im kirchlichen Bereich. Ackermann ist Mitglied der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen (VI) der Deutschen Bischofskonferenz und seit März 2014 auch der Liturgiekommission der Deutschen Bischofskonferenz sowie Mitglied im Päpstlichen Rat Justitia et Pax.

Rogate-Frage: Herr Bischof Ackermann, wie und wann betet ein Bischof? Wann haben Sie Zeit für Gott?

Stephan Ackermann: Zu meinen täglichen Gebetszeiten gehören die Feier der Eucharistie und das Stundengebet, das ja vor allem aus Psalmen besteht. Darüber hinaus habe ich das Glück, dass es in meinem Haus eine Kapelle gibt, so dass ich mich im Verlauf des Tages immer wieder einmal, und wenn es nur für kurze Zeit ist, dorthin zurückziehen kann, etwa um mich auf ein Gespräch vorzubereiten oder eine Begegnung im Gebet nachklingen zu lassen. Diese kurzen Gebetsunterbrechungen im Tagesablauf sind mir in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Sie schärfen nicht nur meine Aufmerksamkeit für Personen und Situationen, sondern geben mir auch die Gelegenheit, im Vielerlei des Alltags mit Gott in Verbindung zu bleiben.

Rogate-Kloster: Sie gelten in der Kommunikation als ausgesprochen aufgeschlossen – auch mit kirchendistanzierten Menschen. Liegt es an Ihrem Wahlspruch „In lumine tuo Domine“ („In deinem Licht, Herr“)? Welche Botschaft wollen und können Sie von der Kirche senden?

Stephan Ackermann: Mein Wahlspruch stammt aus dem 36. Psalm, in dem es im 10. Vers heißt: „Herr, bei dir ist die Quelle des Lebens, in deinem Licht schauen wir das Licht.“ Dieser Vers drückt die Haltung aus, mit der ich versuche, meinen Dienst als Bischof zu tun. Es geht darum, das Leben und die Welt nicht nur mit rein menschlichen Augen anzuschauen und zu beurteilen, also nicht nur mit „gesundem Menschenverstand“ – den es natürlich auch braucht –, sondern im Licht der Glaubensbotschaft. Denn das ist meine tiefste Überzeugung: Wenn wir mit den Augen des Glaubens auf die Welt schauen, wird sie nicht kleiner und enger, sondern reicher, weiter und tiefer. Das möchte ich den Menschen vermitteln.

Rogate-Frage: Wann bleibt Ihnen die Sprache weg? Wann können auch Sie als erfahrener Bischof nichts mehr sagen und schweigen lieber?

Stephan Ackermann: Natürlich gibt es auch für mich immer wieder Situationen, in denen mir die Sprache wegbleibt. Das können Situationen sein, in denen es mir vor Staunen oder vor Rührung die Sprache verschlägt, etwa in einem schönen Gottesdienst oder angesichts eines Zeugnisses, das ein Mensch ablegt. Aber es gibt natürlich auch die Situationen, in denen mir vor Erschütterung oder Ratlosigkeit die Sprache wegbleibt: Wenn ich höre, was Menschen in ihrem Leben an Belastungen, an Nachteilen oder Leid zu ertragen haben. Ich denke an schwierige Familiensituationen, an Flüchtlingsschicksale, aber auch noch einmal an die Betroffenen des sexuellen Missbrauchs. Da verbietet sich jedes leichtfertige Wort, auch wenn es noch so gut gemeint sein mag. Da heißt es schweigen und bleiben, auch wenn man seine Hilflosigkeit mit Worten zudecken oder viel lieber die Flucht ergreifen möchte.

Rogate-Frage: Was raten Sie Menschen, die zwar an Gott glauben, aber mit der Kirche erhebliche Probleme haben und sie als Belastung empfinden?

Stephan Ackermann: Ich rate ihnen, auf der Suche nach Gott zu bleiben, das heißt sich nicht ganz in dieser Welt einzurichten, aber auch offen zu sein für das Gespräch mit Menschen, die ebenfalls an Gott glauben und bewusst Mitglieder der Kirche sind. Wer nämlich in seiner Suche nach Gott oder in seiner Beziehung zu ihm ganz allein auf sich gestellt ist, steht in der Gefahr, am Ende doch bei einem selbstgemachten Gottesbild zu bleiben, das mir aber nicht wirklich Gott zeigt, sondern bloß eine Vorstellung von Gott nach den Maßen meines beschränkten Horizonts.

Rogate-Frage: Wie erleben Sie die evangelische Kirche und was schätzen Sie an ihr?

Stephan Ackermann: Ich erlebe, dass die evangelische Kirche mit ganz ähnlichen Herausforderungen zu ringen hat wie wir Katholiken. Wir leben in Deutschland in einer freiheitlichen, säkularen und vom Wohlstand geprägten Gesellschaft. Da braucht es neue Vergewisserungen über die grundlegenden Werte. Traditionelle Begründungsmuster überzeugen viele Menschen nicht mehr. Das wird für mich besonders anschaulich im Ringen um das Verständnis von Ehe und Familie: Die Auseinandersetzungen um die Orientierungshilfe des Rates der EKD zeigt das im evangelischen Bereich. Für die katholische Kirche zeigen das die Diskussionen um die Synode zum Thema Ehe und Familie, die Papst Franziskus für Oktober einberufen hat. In den ökumenischen Kontakten erlebe ich sehr positiv, dass wir in aller Regel nicht darauf aus sind, uns gegeneinander zu profilieren, sondern uns in der Pflicht sehen, gemeinsam ein möglichst glaubwürdiges christliches Zeugnis abzulegen. Andererseits lassen wir uns aufgrund unseres unterschiedlichen Selbstverständnisses und unserer unterschiedlichen Glaubensgeschichte seit der Reformation gegenseitig auch nicht einfach in Ruhe. Das ist mitunter anstrengend, gehört aber wohl auch dazu. Insofern ist auch das schätzen.

Rogate: Vielen Dank, Herr Bischof Dr. Ackermann, für das Gespräch!

Weitere Freitagsfragen – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de

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Willkommen zu unseren öffentlichen Gottesdiensten in der gastgebenen Ev. Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg, Lageplan:

Gottesdienst: Ausstellungseröffnung „Töten aus Überzeugung“ am 20. Juli in Schöneberg

Das Plakat zur Ausstellung In Schöneberg wird ab dem 20. Juli bis zum 31. August die Ausstellung „Töten aus Überzeugung“ gezeigt. Sie erinnert an die Ermordung psychisch kranker und geistig behinderter Menschen als Teil der nationalsozialistischen Rassenideologie.

Michael Gollnow initiierte die Ausstellung, der Historiker Robert Parzer hat sie historisch aufbereitet. Veranstalter sind die Pinel Gesellschaft und das Rogate-Kloster Sankt Michael zu Berlin. Pfarrerin Barbara Eschen, Direktorin Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, eröffnet im Rahmen eines Gottesdienstes am 20. Juli in der  Zwölf-Apostel-Kirche die Präsentation. Die Theologin hält die Predigt. Prof. Babara John spricht als Vorsitzende der Parität Berlin ein Grußwort.

Die Ausstellungselemente geben einen tiefen Eindruck in das dahinter stehende Leid, ohne die Grausamkeiten direkt darzustellen. In Fotographien, Dokumenten und in nachgebildeten Szenen werden die Methoden und Verbrechen der Nationalsozialisten an Menschen mit Behinderung deutlich. Die konkrete Darstellungsform in Schaukästen verdeutlicht nicht nur die historischen Geschehnisse, sondern nimmt zudem Bezug auf eine Gedenk- und Erinnerungskultur der Gefühle. Somit ermöglicht die Ausstellung im „Themenjahr der zerstörten Vielfalt“ neben der Vermittlung von historischen Kontexten auch eine Aufarbeitung mit dem Herzen. Das Ziel der vom Paritätischen Berlin geförderten Ausstellung ist eine besondere Form der Erinnerungskultur in Zusammenarbeit mit der Initiative eines virtuellen Mahnmals in der Tiergartenstr. 4.

Termin: Eröffnungsgottesdienst in der Ev. Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg, Lageplan, U Nollendorfplatz, am 20. Juli 2014 um 10:00 Uhr. Die Ausstellung ist bis zum 30. August zu sehen: Mittwochs und donnerstags, 10:00 bis 12:00 Uhr sowie sonnabends von 11:00 bis 15:00 Uhr.

Das Plakat zur Ausstellung finden Sie hier. Hier der Einladungsflyer zur Ausstellung “Töten aus Überzeugung”. Ein Interview mit Michael Gollnow finden Sie hier.

Fünf Fragen an: Frido Pflüger, Jesuiten Flüchtlingsdienst im Erzbistum Berlin

Fünf Freitagsfragen an Pater Frido Pflüger SJ über Menschen ohne Papiere, unsichere Herkunftsländer und Aufträge aus dem christlichen Glauben.

Pater Frido Pflüger SJPater Frido Pflüger SJ trat 1966 in den Jesuitenorden ein und studierte zunächst Philosophie und Theologie in München und Innsbruck, später zudem Mathematik und Physik in Tübingen. Er unterrichtete zuerst in St. Blasien und leitete bis 2003 das katholische St. Benno-Gymnasium in Dresden. Seit 2003 ist er für die Flüchtlingsorganisation des Ordens tätig: Er betreute in Uganda ein Projekt mit sudanesischen Flüchtlingen und war von 2008 bis 2012 Regionaldirektor des Jesuit Refugee Service (JRS) in Ostafrika. Seit 2012 leitet er den Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland, der in Berlin, Brandenburg und München tätig ist und vertritt das Erzbistum Berlin in der Härtefallkommission des Landes.

Rogate-Frage: Pater Pflüger, Sie sind Direktor des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes. Bei Ihrem Ordenseintritt haben Sie vermutlich nicht gleich daran gedacht, in dieses Aufgabenfeld gestellt zu werden? Wie kamen Sie zu der Aufgabe?

Frido Pflüger: Nein, zunächst nicht. Zunächst war ich mal über 20 Jahre begeistert Lehrer für Mathe und Physik. Im Schuljahr 2002/2003 wurde mir klar, dass das St. Benno-Gymnasium als neue Schule gut aufgebaut war und ich deshalb als Jesuit meine Aufgabe erfüllt hatte. Der Auftrag des Ordens ist, sich für den Glauben, der die Gerechtigkeit einfordert, zu engagieren. Ich wollte diesen Auftrag nun auf eine andere Weise erfüllen, direkt im Dienst von Flüchtlingen und bewarb mich beim JRS, der mich nach Norduganda schickte, wo ich Schulen für 30.000 Flüchtlingskinder organisierte. Die Idee dazu war mir schon vorher eingepflanzt worden, als ich im Jahr 1987 mehrere Monate für vietnamesische boat people auf den Philippinen arbeiteten durfte. Nach Ablauf meiner Zeit in Afrika fragte mich dann mein Orden, ob ich jetzt nicht in Deutschland für Asylsuchende, für Menschen ohne Papiere, für Menschen, die schon so lange hier leben, aber keinen sicheren Aufenthalt besitzen, arbeiten wolle. Meine bisherigen Erfahrungen helfen mir dabei sehr, die Situationen und Probleme der Menschen besser zu verstehen.

Rogate-Frage: Wie arbeitet der Flüchtlingsdienst und wie ist er organisiert?

Frido Pflüger: Der Flüchtlingsdienst war 1980 die Reaktion des Jesuitenordens auf die ungeheure Not der vietnamesischen Boat People. Er beruht auf der Überzeugung, dass zur Förderung des Glaubens unbedingt auch das Eintreten für Gerechtigkeit gehört. Heute ist der JRS in mehr als 50 Ländern weltweit aktiv. Wir arbeiten in großen Flüchtlingslagern oder mit Flüchtlingen in den Großstädten überall in der Welt. Uns ist es dabei wichtig, mit Flüchtlingen gemeinsam tätig zu sein, in vielen JRS Einrichtungen sind Flüchtlinge unsere MitarbeiterInnen.

In Deutschland setzen wir uns seit 1995 für Menschen in der Abschiebungshaft, langjährig „Geduldete“ und Menschen ohne Papiere durch Seelsorge, Rechtsberatung und politische Fürsprache ein. Wir beraten also im Einzelfall – zum Beispiel in der Härtefallkommission, in der ich das Erzbistum vertrete -, treten aber auch politisch für einen gerechteren Umgang mit Flüchtlingen ein.

Rogate-Frage: In einer gemeinsamen Stellungnahme verurteilen zahlreiche Anwalts-, Flüchtlings- und Romaverbände den Kabinettsbeschluss vom 30. April, der es ermöglichen soll, Roma aus Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina noch schneller abzuschieben. Diese Herkunftsländer sollen grundsätzlich zu „sicheren Herkunftsländern“ erklärt werden, obwohl Roma dort einer so massiven rassistischen Diskriminierung unterworfen sind, dass es teilweise einer Verfolgung gleichkommt. Gestern war es nun Thema im Bundestag. Warum haben Sie beim Bundesinnenminister Protest eingelegt?

Frido Pflüger: Diese Menschen fliehen zu uns, und wir ändern sogar unsere Gesetze – nicht, um ihnen zu helfen, sondern um sie noch schneller wieder loszuwerden. Das ist doch ein Armutszeugnis für unseren Rechtsstaat! Schon jetzt ist die Anerkennungsquote der Asylverfahren minimal – was aber angesichts der vielen Berichte über Vertreibung und Gewalt gegen Roma große Zweifel aufwirft, ob ihre Asylanträge unvoreingenommen und gewissenhaft geprüft werden. Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass Roma in vielen Balkan-Ländern massiver Gewalt und brutaler Diskriminierung ausgesetzt sind; dies wird aber bei uns nicht als Asyl-Kriterium anerkannt. Dieses systematische Wegsehen vom Unrecht sollte uns sehr viel mehr Sorgen machen als die 18.000 Asylanträge aus Serbien und Mazedonien, die wir im letzten Jahr hatten.

Rogate-Frage: Was können Menschen in unserem Land tun, die die Nachrichtenbilder vom Flüchtlingselend und dem Sterben auf dem Mittelmeer erschüttert und hilflos macht?

Frido Pflüger: Wenn Menschen sich erschüttern lassen, ist das viel wert! Nicht gleichgültig werden und nicht abstumpfen. Wir können und müssen unseren Politikern deutlich sagen, dass wir uns eine bessere, menschlichere Asylpolitik für Europa wünschen. Das können wir ihnen auch außerhalb der Wahlen sagen. Wir können uns informieren und offen widersprechen, wenn die Mär von der „Asylflut“ in das eigene Umfeld hinüberschwappt. Wir können etwas für diejenigen tun, die es auf ihrer Flucht bis zu uns geschafft haben – und die statt Sicherheit zu finden, oft nur weitere Unsicherheit und Ausgrenzung erleben müssen. Es gibt viele Nachbarschaftsnetzwerke in der Nähe von Flüchtlingsunterkünften, in denen man sich einbringen und Kontakt zu Flüchtlingen aufbauen kann.

Rogate-Frage: Ihre Organisation spricht in allen Stellungnahmen in für kirchliche Verhältnisse selten klarer Eindeutigkeit und mit konkreten Forderungen an die Politik. Wie geht´s Ihnen mit dem Satz mancher Politiker: „Religion ist Privatsache!“?

Frido Pflüger: Da musste ich erst mal lachen! Natürlich ist Religion Privatsache in dem Sinn, dass es den Staat nichts angeht, welche Religion ich wähle und wie ich sie ausübe. Glaube ist etwas sehr Persönliches. Aber aus dem Glauben, zumal aus dem christlichen, erwachsen doch Aufträge an unser Leben und Handeln. Christus hat uns unmissverständlich klar gemacht, welche: Er selbst steht auf der Seite der Armen, der Flüchtlinge, der Ausgegrenzten. Als Christ kann ich doch nicht Unrecht und Leiden sehen und mich schweigend abwenden. Gerade als Christ bin ich ganz persönlich aufgefordert, etwas dagegen zu tun.

Und die Kirche als die Gemeinschaft derer, die sich aus persönlicher Entscheidung zum Glauben bekennen, muss auch Stellung nehmen, wenn die in ihrer Glaubensüberzeugung gegründeten Werte wie Gerechtigkeit, Frieden und Menschenwürde verletzt werden. Und über die Stellungnahme hinaus sollte sie immer die Menschen in ihrem Engagement für Gerechtigkeit, Menschenrechte und Menschenwürde fördern, ja mittragen, denn dieses Engagement ist oft sehr aufreibend und braucht moralische und spirituelle Unterstützung.

Rogate: Vielen Dank, Pater Pflüger, für das Gespräch!

Mehr über den Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland finden Sie hier: jesuiten-fluechtlingsdienst.de

Weitere Freitagsfragen – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de

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