Fünf Fragen an Pfarrer Dr. Wolfgang Gern über die Wesensgestalt von Kirche, diakonische Frömmigkeit und die begrüßte Vielfalt menschlichen Lebens.
Pfarrer Dr. Wolfgang Gern, geb. 1951 in Berlin, studierte in Berlin und Heidelberg sowie als ökumenischer Stipendiat in Bangalore/Südindien. Er war während des Vietnamkrieges Flüchtlingshelfer in Laos und Kambodscha. Er arbeitete als Wissenschaftlicher Assistent an der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg und promovierte dort zum Dr. theol.. Nach seinem Vikariat in Hirschhorn am Neckar war er Gemeindepfarrer in Reichelsheim/Odenwald. Anschließend war er Leiter des Seminars für Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt in Mainz. Seit 2000 ist er Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau und seit 2013 Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hessen –
Diakonisches Werk in Hessen und Nassau und Kurhessen-Waldeck e.V.. Er ist Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und gehört landesweiten und bundesweiten kirchlichen, diakonischen und sozialpolitischen Gremien an. In den Jahren 2007 bis 2011 war er Sprecher der Nationalen Armutskonferenz.
Rogate-Frage: Herr Vorstandsvorsitzender Dr. Wolfgang Gern, wie definieren Sie Diakonie? Und wie Caritas?
Wolfgang Gern: Diakonie ist sichtbare und spürbare Nächstenliebe als Tatwort des Glaubens. Darin ist Diakonie auch Wesensgestalt von Kirche. Im Kontext der offenen und öffentlichen Volkskirche erscheint Diakonie in ihren unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern als subsidiärer Träger im Sozialstaat unverzichtbar. Sie erreicht auch und gerade Menschen und Milieus, die sonst nichts mit unserer Kirche zu tun haben. Diakonie ist parteilich für eine soziale und gerechte Gesellschaft, wo jede und jeder einen Platz finden kann, um menschenwürdig zu leben. Eine Utopie, die ihre Nahrung findet in den Vorstellungen vom Reich Gottes – wie Gott uns und unser Zusammenleben gemeint hat.
Ich verbinde mit Caritas engagierte Kolleginnen und Kollegen, die sich für die gleichen Ziele einsetzen und mit uns vertrauensvoll zusammenarbeiten.
Rogate-Frage: Wie wird in der praktischen diakonischen Arbeit christliche Spiritualität und Frömmigkeit gelebt?
Wolfgang Gern: Dies geschieht auf sehr unterschiedliche Weise und ist von den jeweiligen Einrichtungen abhängig. Etwa in einem Wohnheim der Wohnungslosenhilfe feiert regelmäßig ein Dekan Andachten oder Gedenkveranstaltungen mit den Mitarbeitenden und Klienten. In einem unserer Mitgliedskrankenhäuser ist es üblich, dass alle Mitarbeitenden Andachten vorbereiten und feiern. Räume der Stille und der Andacht werden bewusst zur Verfügung gestellt bzw. bereits bei Bauprojekten mit geplant. In unserer Landesgeschäftsstelle der Diakonie Hessen werden regelmäßige Treffen – seien es Feste oder Besprechungen – mit einem geistlichen Impuls begonnen. Wichtiger allerdings ist es uns, dass unsere Zusammenarbeit durch eine Haltung der Wertschätzung und durch Respekt vor den Menschen geprägt ist. Ich bin überzeugt, wo sich Menschen anrühren lassen von der Not anderer und auch in Krisensituationen in der liebenden Zuwendung durchhalten, da leuchtet Gottes Güte auf, auch ohne dass es in Worte gefasst werden muss.
Rogate-Frage: Welchen Stellenwert haben die geistlichen Gemeinschaften und Diakonissen heute in der Diakonie Hessen?
Wolfgang Gern: Sie sind ein wertvoller und traditionsreicher Strang unserer Geschichte. Wir tragen einen guten Namen, weil unter anderem viele Diakonissen in den Gemeinden vor Ort als Gemeindeschwestern in übergroßem Einsatz Menschen hilfreich begleitet haben. Noch heute erinnern sich viele Menschen dankbar an diese Frauen. Immer wieder berichten Mitglieder, dass die Diakonissen in ihren Einrichtungen einen besonderen Geist mitbringen. Auch wenn sie weniger geworden sind, sie haben das Fundament gelegt.
Heute ist die Diakonie in vielen Bereichen tätig und sie ist in ihrer Arbeit und in ihren Angeboten bunter geworden, auch bunter an Menschen und Lebensentwürfen. Ich finde, das macht uns ungemein reich. Es ist daher eine anspruchsvolle Aufgabe, die viele Mitglieder und auch wir aktiv annehmen, im Kontext der Vielfalt unser diakonisches Profil im Dialog zu klären und Mitarbeitenden Spielräume des Nachdenkens zu eröffnen.
Rogate-Frage: Ihr Landesverband wurde öffentlich kritisiert, weil sogenannte „Homoheiler“ Mitglied sind. Inwieweit teilt die Diakonie Hessen den Ansatz dieser Organisationen, die eine Homosexualität als behandlungsbedürftig sehen?
Wolfgang Gern: Die Diakonie Hessen ist kritisiert worden, weil ein rechtlich selbstständiges Mitglied (Weißes Kreuz) der Diakonie Hessen auf einer Tagung – neben vielen anderen – auch Referenten eingeladen hatte, die die These vertreten, dass Homosexualität „heilbar“ sei.
Die Diakonie Hessen teilt diesen Ansatz und diese Ansicht nicht. Sie setzt sich für ein inklusives Menschenbild ein, das jeglicher Form von Ausgrenzung und Diskriminierung entgegensteht. Jegliche Stigmatisierung oder Pathologisierung von Schwulen und Lesben lehnen wir kategorisch ab. Wir begrüßen vielmehr die Vielfalt menschlichen Lebens in unserer Gesellschaft. Darin stimmt die Diakonie Hessen mit der Haltung der beiden hessischen evangelischen Landeskirchen überein, und sie hat sich diesbezüglich dahingehend mehrfach geäußert.
Die Diakonie Hessen begleitet das Weiße Kreuz daher kritisch und begrüßt dessen Antidiskriminierungspapier. Grundsätzlich erwarten wir von allen Mitgliedern die Einhaltung demokratischer Spielregeln, zu denen die „Null-Toleranz“ gegenüber Diskriminierung und auch der faire Austausch von Meinungen gehören.
Rogate-Frage: Das Kirchenportal „evangelisch.de“ titelte im Juni „Ohne Homosexuelle wäre die Kirche aufgeschmissen„. Wie sieht´s bei der Diakonie aus?
Wolfgang Gern: Das ist nicht der Blickwinkel, unter dem wir unsere Mitarbeitenden betrachten. Es geht um ihre fachliche Qualifikation, die professionelle Bereitschaft, die jeweilige Arbeit zu tun und wertschätzend, menschlich zugewandt, verantwortungsbewusst und vertrauensvoll mit Kolleginnen und Kollegen sowie mit Klienten zusammenzuarbeiten. Das steht bei uns im Mittelpunkt, um auch zukünftig gute Arbeit für und mit Menschen leisten zu können. Ja, Kirche und Diakonie wären aufgeschmissen, wenn sie nicht so hoch engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten, die die Menschlichkeit Jesu zum Leuchten bringen.
Rogate: Vielen Dank.
Mehr Infos über die Diakonie Hessen finden Sie hier: diakonie-hessen.de
Unsere Reihe Freitagsfragen – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de
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Willkommen zu unseren öffentlichen Gottesdiensten in der gastgebenen Ev. Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg, Lageplan:
- Donnerstag, 31. Juli 14|19:30 Uhr, Komplet, das Nachtgebet
- Dienstag, 5. August 14 |19:00 Uhr, VESPER, das Abendgebet
- Donnerstag, 7. August 14 |19:30 Uhr, KOMPLET, das Nachtgebet
- Sonnabend, 9. August 2014, 12:00 Uhr, Mittagsgebet und Andacht für Trauernde, Neuen-Zwölf-Apostel-Kirchhof, Werdauer Weg 5, S Schöneberg. Organist: Malte Mevissen.
- Dienstag, 12. August 14 |19:00 Uhr, VESPER, das Abendgebet, anschließend 9. Mitgliederversammlung Rogate-Kloster St. Michael zu Berlin e.V.
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