Fünf Fragen an: Claudia Goede, Pfarrerin Weihnachtskirche zu Spandau

Fünf Freitagsfragen an Claudia Goede, Pfarrerin an der Weihnachtskirche zu Berlin-Spandau, über den gestrigen Heiligen Abend, das Leben als „Weihnachtsfrau“ und Gott, der mitten in der Nacht zu uns kommt.

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Claudia Goede (Bild: Weihnachtskirchengemeinde)

Claudia Goede, 1962 geboren, studierte Theologie zuerst an der Kirchlichen Hochschule in Berlin (KIHO) und wechselte dann zur Ruprechts-Karls Universität in Heidelberg. 1. Theologisches Examen im Herbst 1989 in Berlin, 2. Theologisches Examen Herbst 1992 in Berlin. Ordination am 20.12.1992 in der St. Marienkirche. Seit Dezember 1992 Pastorin im Hilfsdienst und seit April 1996 Pfarrerin in der evangelischen Weihnachtskirchengemeinde in Berlin-Haselhorst. 2006 folgte eine Ausbildung zur Mediatorin am Amt für Kirchliche Dienste in Berlin.

Rogate-Frage: Frau Pfarrerin Goede, frohe und gesegnete Weihnachten Ihnen! Wie haben Sie den Heiligen Abend verbracht und was kommt an den Weihnachtstagen auf Sie zu?

Claudia Goede: Vor allem in der Kirche. Um 14.30 Uhr begann der erste Gottesdienst mit einem Krippenspiel, das unsere Konfirmandinnen und Konfirmanden gestaltet haben. Das musste ich natürlich sehen. Diesen Gottesdienst hat mein Kollege gehalten. Dann habe ich zwei Gottesdienste gehalten, den einen mit einem Krippenspiel, in dem Kinder und Eltern mitgespielt haben, und in dem anderen hat unser Chor mitgewirkt. Beide Gottesdienste waren auf ihre Art schön – der eine, in dem sich Kinder in Engel verwandeln und der andere mit viel Musik.

Ich habe mich gefreut, in den Gottesdiensten viele bekannte Gesichter zu sehen, darunter auch viele ehemalige Konfirmanden und Konfirmanden. Das ist immer schön zu hören, was sie gerade machen und wie es ihnen geht. Nach den drei Gottesdiensten haben wir gegessen und um 22.00 Uhr war ich wieder in der Kirche, diesmal zu einem besinnlichen Gottesdienst, den mein Kollege gehalten hat. Ich genieße diese Gottesdienste mit ihrer besonderen Atmosphäre.

Heute werde ich noch einen Gottesdienst halten, in dem wir viele Weihnachtslieder singen und in dem es auch um ein Weihnachtslied geht: „Es ist ein Ros entsprungen„.

Rogate-Frage: Was ist Weihnachten theologisch, kirchlich und persönlich für Sie?

Claudia Goede: Theologisch ist mir wichtig, dass Gott im Kleinen zu uns kommt, im Alltäglichen. Gott kommt zu Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen. Mitten in der Nacht, im Dunkeln entsteht Neues. Auch in der Schöpfung entsteht neues Leben im Dunkeln, auch in der hebräischen Bibel beginnt der neue Tag mit dem Abend, da wurde aus Abend und Morgen der erste Tag, heißt es da. „Weil Gott in tiefster Nacht erschienen, kann unsere Nacht nicht dunkel sein“, wird in einem modernen Lied gesungen. In einem Taize-Lied heißt es: „Inmitten unsrer Nacht entzünde ein Feuer, das nie mehr erlischt.“ Das hat für mich eine große symbolische Bedeutung.

Und drittens waren Joseph und Maria mit ihrem Kind darauf angewiesen, aufgenommen zu werden sowohl in Bethlehem als auch in auf ihrer Flucht nach Ägypten. Darum wird es in den Gottesdiensten, die ich halte, auch gehen – um Mitmenschlichkeit in Notsituationen und darauf, dass Jesus gleich zu Beginn seines Lebens mit auf die Flucht musste.

Rogate-Frage: Wie kam es zu dem Namen Ihrer Gemeinde beziehungsweise der Weihnachtskirche und wie lebt es sich damit? 

Claudia Goede: Die Weihnachtskirche sollte zu Weihnachten 1935 eröffnet werden. Sie wurde am Epiphaniastag 1936 eingeweiht – mit einer kleinen Verspätung- beim Namen blieb es trotzdem. Der Name ist ziemlich einmalig, es gibt nur noch eine Weihnachtskirche und die befindet sich in Bethlehem. Einmalig zu sein, ist doch nett.

Bis Anfang der 90er Jahre arbeiteten drei Pfarrer in der Weihnachtskirche. Dass sie auch als „Weihnachtsmänner“ tituliert wurden, gefiel ihnen allerdings wenig. Ich finde es dagegen nett, „Weihnachtsfrau“ genannt zu werden.

Manchmal frage ich Kinder nach ihren Ideen, warum wir Weihnachtskirche genannt werden. Sie meinen, dass unsere Kirche nur zu Weihnachten geöffnet hat. Doch das wäre recht wenig.

Rogate-Frage: Jede Woche gibt es bei Ihnen ein Weihnachtscafé. Erinnert irgendwie an die Erzählung „Nicht nur zur Weihnachtszeit“ von Heinrich Böll, oder?

Claudia Goede: Ein Techniker fragte neulich, ob bei uns wohl ständig Weihnachten sei. Nein, auch im Weihnachtscafé, das jeden Mittwoch stattfindet, gibt es nicht dauernd Stollen. Ehrenamtliche Frauen backen jede Woche andern Kuchen. In der Sommerzeit sitzen wir gerne im Garten und genießen die Sonne. Nein, auch in der Weihnachtskirche wird Weihnachten nur in der Weihnachtszeit gefeiert.

Rogate-Frage: Welche Themen haben Ihre Gemeinde und Sie in diesem Jahr besonders beschäftigt und worauf freuen Sie sich im kommenden Jahr?

Claudia Goede: Anfang des Jahres haben wir einen Imam in die Gemeinde eingeladen, um von ihm einen Vortrag über den Islam zu hören. Eigentlich wollten wir in den folgenden Monaten eine Moschee besuchen, aber das haben wir immer wieder verschoben.

Natürlich hat uns auch die Flüchtlingsthematik beschäftigt. Wir haben im Stadtteil gemeinsam mit dem Gemeinwesenverein Kleidung wie auch Spielzeug, Schulsachen, Schuhe und vieles andere mehr gesammelt, was jede Woche in ein Heim gefahren wurde. In Haselhorst soll im nächsten Jahr ein Flüchtlingsheim aufgebaut werden. Da werden wir auch Kontakte knüpfen.

Eine weitere Thematik war der Prozess Spandau 2020. Hier sollen mehrere Gemeinden in unserem Kirchenkreis eine Region bilden mit circa 10 000 Gemeindegliedern. Da Gemeinden nur noch in der Lage sind, Teilzeitstellen zu besetzen, können Gemeinden, die sich zusammentun, ganze Stellen besetzen. Damit kann verhindert werden, dass prekäre Arbeitsverhältnisse geschlossen werden. Der Prozess der Regionenbildung ist für unsere Gemeinde noch nicht abgeschlossen. Wir haben aber schon viele Gespräche mit unseren Nachbargemeinden geführt. Mit dem neuen Sollstellen 2016-2020 gehen Personal-Einsparungen einher. Keiner unserer Mitarbeitenden hat eine ganze Stelle bei uns. Unsere Sozialpädagogin mussten wir mit 50 Prozent abordnen. Sie arbeitet nun mit 50 Prozent in einem Beratungsladen für ausländische Frauen. Unser Haus- und Kirchwart hat auch nur noch eine halbe Stelle. Diese Einschnitte mussten wir erst einmal verkraften.

In diesem und im nächsten Jahr arbeitet ein Pfarrer in der Entsendung bei uns. Er hat viele neue Ideen eingebracht. Abendgebete, Bibelgesprächskreis, Abendgottesdienste kamen dazu. Das hat viel Spaß gemacht. Eine unserer Kitas wurde umgebaut, im Januar ist das hoffentlich überstanden und die Kita sieht hell und ansprechend aus.

Ich freue mich, im nächsten Jahr interreligiöse Gespräche weiter zu führen und mit meinem Kollegen zusammenzuarbeiten. Ich freue mich, die Weihnachtskirchengemeinde mit unserem kleinen Team der Weihnachtskirche, mit unserem Gemeindekirchenrat und mit den ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch die Zeiten zu schippern. Ich freue mich auf viele Begegnungen und auf Gespräche über den Glauben.

Das ist ja das Schöne am Pfarrberuf, dass man vielen Menschen begegnet, etwas von ihrer Lebensgeschichte oder Lebensweise erfährt und gemeinsam mit anderen Gemeinde gestalten kann.

Rogate: Vielen Dank, Frau Pfarrerin Goede, für das Gespräch und Ihnen eine gesegnete Weihnachtszeit!

Mehr über die Weihnachtskirchengemeinde Spandau finden Sie hier: ev-weihnachtskirche.

Weitere Freitagsfragen – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de

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Willkommen zu unseren nächsten öffentlichen Gottesdiensten in der Kapelle der gastgebenden Ev. Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg:

  • Gottesdienstliche Winterpause bis zum 12. Januar
  • Dienstag, 12. Januar 16 | 19:00 Uhr, Eucharistie, in der Kapelle, ohne Gesang/Musik
  • Dienstag, 19. Januar 16 | 19:00 Uhr, Vesper, in der Kapelle
  • Dienstag, 26. Januar 16 | 19:00 Uhr, Vesper, in der Kapelle
  • Sonntag, 31. Januar 16 | 10:00 Uhr, Predigtgottesdienst, in der Zwölf-Apostel-Kirche. Liturgie: Bruder Willehad Kaleb RGSM
  • Dienstag, 2. Februar 16 | 19:00 Uhr, Eucharistie, in der Kapelle, mit Posaunenmusik
  • Dienstag, 9. Februar 16 | 19:00 Uhr, Vesper, in der Kapelle
  • Dienstag, 16. Februar 16 | 19:00 Uhr, Vesper, in der Kapelle
  • Dienstag, 23. Februar 16 | 19:00 Uhr, Vesper, in der Kapelle
  • Unseren Fördervereinsflyer finden Sie hier.
  • Hier unser Monatsplan Dezember 15/Januar 16.

Aktuell: EKBO-Abendforen zur Gleichstellung von Traugottesdiensten

Wir möchten gern einer Bitte der Landeskirche nachkommen und auf die folgenden Veranstaltungen hinweisen:

Landeskirchenweite Abendforen zur rechtlichen und liturgischen Gleichstellung von Traugottesdiensten für Paare in eingetragener Lebenspartnerschaft mit Gottesdiensten aus Anlass einer Eheschließung

Wenn zwei eins werden wollen, dann gehört es zu den schönsten Aufgaben von Pfarrerinnen und Pfarrer, für Paare da zu sein, die um Gottes Segen bitten. Auch wenn sich Partnerschaft und Ehe in unserer Zeit immer wieder wandeln, so bleiben sie doch randvoll gefüllt mit Sehnsüchten, Hoffnungen und einem großen Versprechen. Darum feiern wir sie in unseren Kirchen, wissend, wie gefährdet und begrenzt gemeinsame Lebenszeit sein kann.

Ehepartner haben die Möglichkeit, in einem Traugottesdienst ihre gemeinsame Zukunft unter Gottes Gebot und Verheißung zu stellen. Gleichgeschlechtliche Paare lassen sich in Gottesdiensten für ihren gemeinsamen Lebensweg Gottes Segen zusprechen.

Propst Dr. Christian Stäblein (Bild: EKBO)

Propst Dr. Christian Stäblein (Bild: EKBO)

Die von der Landessynode der EKBO beabsichtigte rechtliche und liturgische Gleichstellung von Traugottesdiensten für Ehe als auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaft hat gute Gründe. Ihnen ist der Diskurs verschiedener Abende gewidmet.

Reden Sie mit Propst Stäblein über das Vorhaben, Paare zu trauen, die als Mann und Mann oder Frau und Frau verbunden leben. An mehreren Abenden wird er dazu an verschiedenen Orten unserer Landeskirche bereit sein.

Abendforen im Sprengel Berlin:

  • Dienstag, 12. Januar 2016, Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, Breitscheidplatz, 10787 Berlin, 19-21 Uhr

Abendforen im Sprengel Potsdam:

  • Montag, 25. Januar 2016, Ev. Stadtkirche St. Nicolai, Havelstraße 28, 16515 Oranienburg, 19-21 Uhr
  • Montag, 22. Februar 2016, Ev. Kirchenkreis Mittelmark-Brandenburg, Klosterkirchplatz 20, 14797 Kloster Lehnin, 19-21 Uhr

Abendforen im Sprengel Görlitz:

  • Dienstag, 05. Januar 2016, Haus Plitt, Bauzener Straße 21, 02906 Niesky, 19-21 Uhr
  • Freitag, 22. Januar 2016, Kirchengemeinde Werben/Spreewald, Am Anger 2, 03096 Werben, 19-21 Uhr
  • Dienstag, 26. Januar 2016, Dom St. Marien, Domplatz 10, 15517 Fürstenwalde/Spree, 19-21 Uhr
  • Mittwoch, 17. Februar 2016, Ev. Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde Lübben, Paul-Gerhardt-Straße 2, 15907 Lübben, 19-21 Uhr

Fünf Fragen an: Josef Annen, Generalvikar Kantone Zürich und Glarus (Schweiz)

Generalvikar Josef Annen (Bild: Christoph Wider)

Generalvikar Josef Annen (Bild: Christoph Wider)

Fünf Freitagsfragen an Josef Annen, Generalvikar für die Kantone Zürich und Glarus (Bistum Chur/Schweiz), über die Notwendigkeit von eigenen Entschuldigungsbitten, die Schicksalsgemeinschaft der Kirchen und die Suche des Glaubens nach der Vernunft.

Geboren wurde Josef Annen 1945 in Küssnacht am Rigi. Nach dem Studium in Theologie und Philosophie in Chur und Tübingen erfolgte 1973 die Priesterweihe. Es folgte ein Promotionsstudium in Münster. Danach war er Vikar und Jugendseelsorger in Winterthur und Zürich, 1987 – 2000 Pfarrer in St. Peter und Paul in Winterthur, 2000 – 2009 Regens am Priesterseminar in Chur. Seit 2009 ist Josef Annen als Generalvikar der Stellvertreter des Bischofs von Chur für die Kantone Zürich und Glarus. Josef Annen wandert gern und liest viel.

Rogate-Frage: Herr Generalvikar Annen, im August 2015 haben Sie sich – zusammen mit dem Synodalrat – öffentlich für Ihre Kirche und diskriminierende Äußerungen von Bischöfen entschuldigt. Was hat Sie dazu bewogen?

Josef Annen: Ich habe mich für die Äusserung des Churer Bischofs Dr. Vitus Huonder, die er in Fulda gemacht hat, entschuldigt. Kritiker haben mir daraufhin entgegnet: Wie kann man sich für etwas entschuldigen, das man selber nicht getan hat? Die Frage ist berechtigt. Diese habe ich mir selber auch gestellt. Aber ich weiss mich mit meiner Kirche und meinem Bistum und auch mit dem Bischof verbunden. Ich sitze im selben Boot, wenn mein Bischof sich öffentlich äussert. Sein Wort betrifft mich und die ganze Öffentlichkeit. Homosexuelle Menschen, Seelsorger und engagierte Gläubige aus Pfarreien haben sich bei mir gemeldet. Sie waren verletzt. Als Repräsentant des Bischofs im Generalvikariat Zürich-Glarus konnte ich nicht anders, als diesen Menschen sagen: Es tut mir leid, ich entschuldige mich.

Rogate-Frage: Will die katholische Kirche in Ihrem Bistum mit homosexuellen Menschen Frieden schließen?

Josef Annen: Ich kann nur für mich sprechen, nicht für die katholische Kirche in meinem Bistum. Persönlich will ich den homosexuellen Menschen begegnen wie allen anderen Menschen: mit Respekt und Hochachtung. Gott selber gibt ihnen Würde und Ansehen. Wo immer Menschen ihr Leben in Verantwortung vor Gott und den Mitmenschen gestalten, habe ich ihren Lebensentwurf zu respektieren, selbst wenn mir dieser persönlich fremd bleiben mag. Homosexuelle Menschen sind wertvolle Glieder unserer Kirche und bringen nicht selten besondere Charismen in die kirchliche Gemeinschaft ein.

Rogate-Frage: Wie kann vor dem Hintergrund der katholischen Tradition ein Glaube gelebt werden, der das Gespräch mit der Vernunft sucht und vor ihr bestehen kann?

Josef Annen: „Fides quarens intellectum“ – Der Glaube sucht die Vernunft – hat Anselm von Canterbury im 11. Jahrhundert formuliert. Diese Aussage bleibt bis heute aktuell. Ein Glaube, der nur auf Erfahrung gründet und nicht nach Begründung für die Glaubenserfahrung sucht, gleitet leicht in Fideismus ab. Umgekehrt wirkt ein Glaube, der sich nur auf die Lehrsätze stützt, intellektualistisch und nicht überzeugend. Es ist gute Tradition der katholischen Kirche, Glaube und Vernunft stets miteinander ins Gespräch zu bringen. Nach 1 Petrus 3,15 sollen wir stets „bereit sein, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt“, die uns erfüllt. Heutige Zeitgenossen finden kaum Zugang zum Glauben, wenn ihnen dieser Glaube nicht einleuchtet und vor der Vernunft nicht bestehen kann. Nur ein Glaube, der überzeugt, hat Zukunft.

Rogate-Frage: Sie haben geschrieben: „Mit Sorge stellen wir fest, dass das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Kirche grossen Schaden nehmen.“ Wie kann verlorenes Vertrauen wiedergewonnen werden?

Josef Annen: Vertrauen gewinnt, wer Vertrauen schenkt.

Rogate-Frage: In Ihre Entschuldigungsbitte haben Sie zudem die Mitglieder der evangelisch-reformierten Kirche genannt. Warum?

Josef Annen: Wir sind im Kanton Zürich als Christen in säkularer Gesellschaft eine einzige Schicksalsgemeinschaft. Als katholische, evangelisch-reformierte und christkatholische Christen bilden wir miteinander (zusammen mit den orthodoxen Kirchen und den vielen freien christlichen Gemeinschaften) den einen Leib der Kirche Jesu Christi, der leider gespalten ist. Dennoch leiden alle Glieder, wenn ein Glied leidet. Unsere säkulare Welt unterscheidet nicht mehr zwischen katholisch und reformiert. Wenn ein Bischof sich in der Öffentlichkeit äussert, dann äussert sich für viele einfach die Kirche. So verzeichnet beispielsweise die reformierte Kirche auch Kirchenaustritte, wenn sich die katholische Kirche in nicht überzeugender Weise zu einer umstrittenen Frage verlautbaren lässt. Es gehört darum zu einem guten ökumenischen Miteinander, dass ich mich bei der Schwesterkirche entschuldige, wenn sie wegen Äusserungen der katholischen Kirche Schaden nimmt. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Tatsache, dass sich auch die jüdische Religionsgemeinschaft in Zürich über die Äusserungen des Bischofs beklagt hat.

Rogate: Vielen Dank, Herr Generalvikar Annen, für das Gespräch!

Mehr über römisch-katholische Kirche im Kanton Zürich finden Sie hier: zh.kath.ch.

Weitere Freitagsfragen – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de

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Willkommen zu unseren nächsten öffentlichen Gottesdiensten in der Kapelle der gastgebenden Ev. Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg:

  • Gottesdienstliche Winterpause bis zum 12. Januar. Wir besuchen in unseren Heinatgemeinden die Andachten und Feiern.
  • Dienstag, 12. Januar 16 | 19:00 Uhr, Eucharistie, in der Kapelle, ohne Gesang/Musik
  • Dienstag, 19. Januar 16 | 19:00 Uhr, Vesper
  • Dienstag, 26. Januar 16 | 19:00 Uhr, Vesper
  • Sonntag, 31. Januar 16 | 10:00 Uhr, Predigtgottesdienst. Liturgie: Bruder Willehad Kaleb RGSM
  • Dienstag, 2. Februar 16 | 19:00 Uhr, Eucharistie, in der Kapelle, mit Posaunenchor.
  • Unseren Fördervereinsflyer finden Sie hier.
  • Hier unser Monatsplan Dezember 15/Januar 16.

Fünf Fragen an: Volker Beck, Die Grünen

Fünf Freitagsfragen an Volker Beck, Mitglied des Deutschen Bundestages, über eine Geste des Respekts, homosexuelle Menschen als Gottes Ebenbild und genug Ehe für alle. Ein Beitrag zum Tag der Menschenrechte.

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MdB Volker Beck (Bild Fabian Stürtz)

Volker Beck ist seit 1994 Kölner Bundestagsabgeordneter. Als Parlamentarier hat Volker Beck für eine Reihe von wichtigen gesellschaftlichen Modernisierungsprojekten gekämpft, so z.B. für ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz, ein Informationsfreiheitsgesetz und ein modernes Zuwanderungsrecht. Auch eine angemessene Erinnerungskultur und Wiedergutmachung von geschehenem Unrecht ist ihm wichtig: Deshalb setzt er sich seit Jahren für die Entschädigung für alle Opfer des Nationalsozialismus und für ein würdiges Gedenken ein. Als Menschenrechtspolitiker tritt er für die universale Geltung der Menschenrechte ein.

Rogate-Frage: Herr Abgeordneter Beck, wieso ist für Sie der Paragraph 175 heute immer noch wichtig?

Volker Beck: Verurteilungen nach dem § 175 StGB nach 1945 sind bis heute nicht aufgehoben. Die Opfer des Paragraphen wurden bis heute nicht entschädigt.

Rogate-Frage: Was bedeutet eine Rehabilitation für die Betroffenen der nach dem §175 Verurteilten und für das Rechtssystem der Bundesrepublik?

Volker Beck: Es ist vor allem eine Geste des Respekts. Den zu Unrecht Verurteilten wird damit ihre Ehre wieder zurückgegeben und der Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland  gesteht ihnen gegenüber seine verheerenden Irrtümer ein.

Rogate-Frage: Wie kann sich Ihre Partei hier engagieren? Was fordern Sie?

Volker Beck: Wir fordern, dass die Bundesregierung endlich einen Gesetzentwurf vorlegt, der alle menschenrechtswidrigen Verurteilungen von Homosexuellen aufhebt und die Opfer entschädigt. Der Bundesjustizminister darf sich hier nicht mehr in fadenscheinige Ausreden flüchten. Die Fakten liegen auf dem Tisch.

Rogate-Frage: Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) wird künftig die Trauungen für homosexuelle Paare öffnen und gleichstellen. Die Bundesregierung zögert mit einer völligen Gleichstellung der registrierten Partnerschaften mit den Ehen. Ist die evangelische Kirche gesellschaftlich im Vergleich zum Staat weiter?

Volker Beck: Die Kirche sollte Frau Merkel ins Gebet nehmen: Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz hat erkannt, dass auch homosexuelle Menschen Gottes Ebenbild sind. Die Bundesregierung dagegen kann sich immer noch nicht dazu durchringen, die homosexuelle Identität in die Achtung der Menschenwürde und die daraus resultierende Gleichheit vor dem Gesetz zu integrieren. Hier ignoriert sie systematisch die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts.

Rogate-Frage: Was wird aus der „Ehe für alle“?

Volker Beck: Der Gesetzentwurf des Bundesrates und meiner Fraktion liegt dem Bundestag vor. Nach dem vermurksten Herumdoktern am Lebenspartnerschaftsgesetz ist es Zeit für gleiche Rechte ohne wenn und aber. Das Eheschließungsrecht für gleichgeschlechtliche Paare nimmt niemand etwas weg. Es ist genug Ehe für alle da.

Rogate: Vielen Dank, Herr Beck, für das Gespräch!

Weitere Informationen hier: volkerbeck.de

Zum Thema haben wir weitere Freitagsfragen veröffentlicht:

  • Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, über Unrecht an homosexuellen Männern, die Schuld des Staates und die Öffnung der Ehe für alle.
  • Ansgar Dittmar, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Lesben und Schwule in der SPD, über den Einsatz für Gleichstellung in seiner Partei, Unrechtsurteile und politische Machbarkeiten in der Großen Koalition.
  • Georg Härpfer, Vorstandsmitglied der Schwulenberatung Berlin, über eine für manche tödliche Rechtssprechung, Verurteilungen in der jungen Bundesrepublik und den Verdacht, ein ‚175er‘ zu sein.

Weitere Freitagsfragen – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de
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Willkommen zu unseren öffentlichen Gottesdiensten (Auswahl) in der gastgebenden Ev. Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg:

  • 2015 12 13 Sternenkinder-GottesdienstSonntag, 3. Advent, 13. Dezember 2015 | 17:00 Uhr, Sternenkinder-Gottesdienst für verwaiste Eltern und ihre Angehörigen zum Worldwide Candle Lighting Day, mit Pater Engelbert Petsch, Aktion “Die Flamme der Hoffnung”, und Pfarrer Burkhard Bornemann, amtierender Superintendent im Kirchenkreis Schöneberg. Orgel: Dr. Julian Heigel.
  • Dienstag, 15. Dezember 15 | 19:00 Uhr, Eucharistie
  • Gottesdienstliche Winterpause bis zum 12. Januar
  • Dienstag, 12. Januar 16 | 19:00 Uhr, Eucharistie, in der Kapelle, ohne Gesang/Musik und mit viel Stille
  • Dienstag, 19. Januar 16 | 19:00 Uhr, Vesper
  • Dienstag, 26. Januar 16 | 19:00 Uhr, Vesper
  • Dienstag, 2. Februar 16 | 19:00 Uhr, Eucharistie, in der Kapelle
  • Freitag, 15. Juli 2016 | 19:30 Uhr, Eröffnungsgottesdienst zum 24. Lesbisch-schwulen Stadtfest des Regenbogenfonds. Mit Angelika Schöttler, Bezirksbürgermeisterin Tempelhof-Schöneberg.
  • Hier unser Monatsplan Dezember 15/Januar 16. Unseren Fördervereinsflyer finden Sie hier.

Fünf Fragen an: Ansgar Dittmar, Bundesvorsitzender der Schwusos

Fünf Freitagsfragen an Ansgar Dittmar, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Lesben und Schwule in der SPD, über den Einsatz für Gleichstellung in seiner Partei, Unrechtsurteile und politische Machbarkeiten in der Großen Koalition. Ein Beitrag zum Tag der Menschenrechte.

Ansgar Dittmar (Bild: privat)

Ansgar Dittmar, Bundesvorsitzender der Schwusos (Bild: privat)

Ansgar Dittmar wurde am 9. Februar 1971 in Frankfurt am Main geboren und wuchs in Langen auf. Rechtswissenschaften studierte er an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt. Ehrenamtlich ist er Vorsitzender des Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Frankfurt und Fachanwalt für Arbeitsrecht & Wirtschaftsmediator in Frankfurt/Main. Er gehört beratend dem Parteivorstand der SPD an.

Rogate-Frage: Herr Bundesvorsitzender Dittmar, was genau sind die Schwusos und wofür steht die Organisation?

Ansgar Dittmar: Die Arbeitsgemeinschaft der Lesben und Schwulen in der SPD (Schwusos) ist fester Bestandteil der SPD. Als Arbeitsgemeinschaft arbeiten wir im Inneren und Äußeren an der Auseinandersetzung und Verankerung von LSBTI-Themen in der SPD.
Unser Ziel ist eine Gesellschaft, die auch ohne Verfassungsauftrag begreift, dass sie verarmt, wenn sie Menschen ausgrenzt und sie sich somit selbst ihrer Zukunftschancen beraubt. Die Akzeptanz und der Respekt der Vielfalt sind wesentlich für eine Gesellschaft. Und daran arbeiten wird.

Rogate-Frage: Am 10. März 1994 hat der Deutsche Bundestag den Paragraphen 175 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Warum ist es damit nicht erledigt?

Ansgar Dittmar: Der Paragraph ist gestrichen – aber die Urteile bestehen weiter. Der Umstand, dass die vor 1945 nach dem gleichen Gesetzestext Verurteilten problemlos rehabilitiert wurden, die danach verurteilt wurden, jedoch nicht sorgt für Unverständnis und ist nicht haltbar. Fadenscheinige Vorwände, eine Aufhebung der Unrechtsurteile nach den Paragrafen 175, 175a und in der DDR nach Paragraf 151 verurteilte Homosexuelle sei aus juristischen Gründen nicht möglich, können nicht mehr greifen.

Rogate-Frage: Warum ist die Rehabilitation der Verurteilten nach §175 für die Betroffenen wichtig und was tun Sie dafür?

Ansgar Dittmar: Wir sind es den Opfern unserer Unrechtsurteile schuldig, dass sie nicht als gebrandmarkte Verbrecher sterben. Eine Entschuldigung reicht nicht. Ich kämpfe hier in meiner Position für Klarheit und Gleichheit. Wir brauchen eine vollständige  Rehabilitation. Wer aktuell einer Rücknahme der Urteile verweigert, verurteilt die Betroffenen ein zweites Mal. Eine Entschädigung für das ergangene Unrecht ist aber ebenso wichtig im Rahmen dieser Rehabilitierung.

Rogate-Frage: Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) wird künftig die Trauungen für homosexuelle Paare gleich den Gottesdiensten für Heterosexuelle gestalten. Die Bundesregierung zögert mit einer völligen Gleichstellung der registrierten Partnerschaften mit den Ehen. Ist die evangelische Kirche gesellschaftlich weiter im Vergleich zum Staat?

Ansgar Dittmar: In der Großen Koalition ist es äußerst schwierig, auf dem Gebiet Verbesserungen zu erreichen. Die rückwärtsgewandte Union sperrt sich gegen jede noch so kleine Veränderung. Dennoch konnte die SPD einiges auch gegen den Widerstand der CDU/CSU durchsetzen. Aber es gibt noch viel zu tun. Neben der gesetzlichen Gleichstellung ist die gesellschaftliche Akzeptanz von Lesben und Schwulen immer noch eine wichtige Aufgabe. Ich bin der Überzeugung, dass Akzeptanz und Respekt in einer demokratischen Gesellschaft selbstverständlich und fundamental sind. Homophobie ist kein Thema, dass „nur“ eine Randgruppe betrifft, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem. Es geht hier um Artikel 3 unseres Grundgesetzes und damit um Gleichheit und Gerechtigkeit. Es wird Zeit, dass die Union dies erkennt und handelt.

Rogate-Frage: Was wird aus der „Ehe für alle“?

Ansgar Dittmar: Sie wird kommen, da bin ich mir sehr sicher. Das Gutachten der Friedrich-Ebert-Stiftung hat unsere Auffassung bestätigt, dass eine einfachgesetzliche Regelung zur Öffnung der Ehe ausreicht. Wir brauchen nur den politischen Willen. CDU/CSU müssen diese gesellschaftliche Realität endlich akzeptieren – bevor sie erneut durch das Bundesverfassungsgericht gezwungen werden, diese Realität anzuerkennen. Das Grundgesetz ist keine Ausrede mehr für eine Blockade! Das sind maximal die ideologischen Scheuklappen – und die müssen endlich abgelegt werden.

Rogate: Vielen Dank, Herr Dittmar, für das Gespräch.

Weitere Informationen hier: schwusos.de

Zum Thema haben wir weitere Freitagsfragen veröffentlicht:

  • Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, über Unrecht an homosexuellen Männern, die Schuld des Staates und die Öffnung der Ehe für alle.
  • Volker Beck, Mitglied des Deutschen Bundestages, über eine Geste des Respekts, homosexuelle Menschen als Gottes Ebenbild und genug Ehe für alle.
  • Georg Härpfer, Vorstandsmitglied der Schwulenberatung Berlin, über eine für manche tödliche Rechtssprechung, Verurteilungen in der jungen Bundesrepublik und den Verdacht, ein ‚175er‘ zu sein.

Andere Freitagsfragen – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de

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Willkommen zu unseren öffentlichen Gottesdiensten (Auswahl) in der gastgebenden Ev. Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg:

Fünf Fragen an: Heiko Maas, Bundesminister der Justiz

Fünf Freitagsfragen an Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, über Unrecht an homosexuellen Männern, die Schuld des Staates und die Öffnung der Ehe für alle. Ein Beitrag zum Tag der Menschenrechte.

Heiko Maas (Foto: Frank Nürnberger)

Bundesminister Heiko Maas (Foto: Frank Nürnberger)

Heiko Maas, geboren 1966, studierte Rechtswissenschaften an der Universität des Saarlandes und legte die juristischen Staatsexamina ab. 1994 wurde er erstmals in den Landtag des Saarlandes gewählt. 1996 war er Staatssekretär und von 1998 bis 1999 Minister für Umwelt, Energie und Verkehr des Saarlandes. 2012 wurde er Minister für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr des Saarlandes. Seit 17. Dezember 2013 ist er Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz.

Rogate-Frage: Herr Bundesminister Maas, der Paragraf 175 im Strafgesetzbuch existierte fast 123 Jahre mit weitreichenden und teilweise tödlichen Folgen für schwule Männer. Am 10. März 1994 hat der Deutsche Bundestag ihn aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Ist die Sache damit für Sie erledigt?

Heiko Maas: Nein, denn der Staat hat große Schuld auf sich geladen, weil er so vielen Menschen das Leben erschwert hat. Nach meinem Verständnis war der §175 StGB von Anfang an verfassungswidrig. Er steht für Unrecht, Diskriminierung und gebrochene Biographien.
Dazu müssen wir uns auch heute noch klar bekennen. Ich kann Ihnen versichern, dass wir die Aufarbeitung des homosexuellen Männern geschehenen Unrechts außerordentlich ernst nehmen.

Rogate-Frage: Waren viele Männer von einer polizeilichen und juristischen Verfolgung in der DDR und Bundesrepublik durch den Paragrafen betroffen? Welchen Folgen hatte es für diese Personen?

Heiko Maas: Viele der Betroffenen leiden noch heute unter den Folgen der Verurteilungen. Wichtig ist, dass der Staat bekennt, dass er Schuld auf sich geladen hat, weil er so vielen Menschen das Leben erschwert hat.
Wir versuchen, zusammen mit der Magnus-Hirschfeld-Stiftung die Schicksale aufzuarbeiten und zu dokumentieren. Es nicht damit getan, wenn man 50.000 Urteile aufhebt und in der Öffentlichkeit ist kaum bekannt, worum es überhaupt geht.

Rogate-Frage: Warum wurden die nach Verurteilten nach 1945 niemals durch die Regierung rehabilitiert? Warum sind diese Urteile immer noch gültig?

Heiko Maas: Es ist unbestritten, dass diese Urteile Unrecht sind, das haben der Bundestag und das Bundesjustizministerium, auch in der Vergangenheit, mehrfach klargemacht.
Sehr umstritten ist aber, ob eine rückwirkende Aufhebung von nachkonstitutionellen Strafurteilen verfassungsrechtlich überhaupt möglich ist. Einer Aufhebung nachkonstitutioneller rechtskräftiger Gerichtsentscheidungen und damit auch von Verurteilungen wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen könnte der in Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 GG normierte Gewaltenteilungsgrundsatz sowie die durch das Rechtsstaatsprinzip gewährleistete Rechtssicherheit entgegenstehen.
Es wäre das erste Mal, dass der Gesetzgeber in nachkonstitutionelle Rechtsprechung eingreifen würde.

Rogate-Frage: Was tun Sie als verantwortlicher Justizminister und Ihr Ministerium konkret, um das Unrecht an den nach dem Paragraf 175 Verurteilten wieder gut zu machen und sie zu rehabilitieren?

Heiko Maas: Im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird derzeit geprüft, inwieweit eine solche Rehabilitierung möglich ist.
Die Frage ist doch, wie eine solche Wiedergutmachung aussehen kann oder soll. Klar ist: Der Staat muss sich zu seiner Schuld bekennen. Ob das mit materiellen Entschädigungsleistungen verbunden ist, muss man im Zusammenhang mit der Frage klären, ob die Urteile formal aufgehoben werden können. Das wäre dann möglicherweise auch eine Rechtsfolge der Aufhebung von Urteilen.
Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich Ihnen noch nicht sagen, wann und mit welchem Ergebnis diese Prüfung abgeschlossen sein wird.

Rogate-Frage: Die Evangelische Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz wird künftig die Trauungen für homosexuelle Paare gleich den Gottesdiensten für heterosexuelle Verbindungen gestalten. Die Bundesregierung zögert mit einer völligen Gleichstellung der registrierten Partnerschaften mit den Ehen. Kann es sein, dass die evangelische Kirche in der gesellschaftlichen Entwicklung weiter ist als der Staat? Was wird aus der Ehe für alle?

Heiko Maas: Die Positionen innerhalb der Regierungskoalition sind bekannt. Mein Ziel und das Ziel der SPD bleibt die vollständige Öffnung der Ehe für Paare gleichen Geschlechts; das ist und bleibt unsere Position.

Es ist gut, dass die Debatte über die Ehe für alle inzwischen umfassend geführt wird – auch beim Koalitionspartner. Ich glaube, auch der Union wird langsam bewusst, dass die Menschen in Deutschland längst weiter sind, als ihre eigene Beschlusslage.‎ Ich kann Ihnen versichern, dass wir weiterhin für die völlige Gleichstellung kämpfen werden.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich, dass der Deutsche Bundestag Ende Oktober ein Gesetz aus unserem Haus beschlossen hat, durch das in zahlreichen Vorschriften eine Ausdehnung auch auf die Lebenspartnerschaft erfolgt. Dies ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zur umfassenden Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft – auch wenn wir noch nicht am Ziel sind.

Rogate: Vielen Dank, Herr Minister Maas, für das Gespräch!

Weitere Informationen hier: bmjv.de und heiko-maas.de.

Zum Thema haben wir weitere Freitagsfragen veröffentlicht:

  • Ansgar Dittmar, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Lesben und Schwule in der SPD, über den Einsatz für Gleichstellung in seiner Partei, Unrechtsurteile und politische Machbarkeiten in der Großen Koalition.
  • Georg Härpfer, Vorstandsmitglied der Schwulenberatung Berlin, über eine für manche tödliche Rechtssprechung, Verurteilungen in der jungen Bundesrepublik und den Verdacht, ein ‚175er‘ zu sein.
  • Volker Beck, Mitglied des Deutschen Bundestages, über eine Geste des Respekts, homosexuelle Menschen als Gottes Ebenbild und genug Ehe für alle.

Andere Freitagsfragen – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de

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Willkommen zu unseren öffentlichen Gottesdiensten (Auswahl) in der gastgebenden Ev. Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg:

  • 2015 12 13 Sternenkinder-GottesdienstSonntag, 3. Advent, 13. Dezember 2015 | 17:00 Uhr, Sternenkinder-Gottesdienst für verwaiste Eltern und ihre Angehörigen zum Worldwide Candle Lighting Day, mit Pater Engelbert Petsch, Aktion “Die Flamme der Hoffnung”, und Pfarrer Burkhard Bornemann, amtierender Superintendent im Kirchenkreis Schöneberg. Orgel: Dr. Julian Heigel.
  • Dienstag, 15. Dezember 15 | 19:00 Uhr, Eucharistie
  • Gottesdienstliche Winterpause bis zum 12. Januar
  • Dienstag, 12. Januar 16 | 19:00 Uhr, Eucharistie, in der Kapelle, ohne Gesang/Musik und mit viel Stille
  • Dienstag, 19. Januar 16 | 19:00 Uhr, Vesper
  • Dienstag, 26. Januar 16 | 19:00 Uhr, Vesper
  • Dienstag, 2. Februar 16 | 19:00 Uhr, Eucharistie, in der Kapelle
  • Freitag, 15. Juli 2016 | 19:30 Uhr, Eröffnungsgottesdienst zum 24. Lesbisch-schwulen Stadtfest des Regenbogenfonds. Mit Angelika Schöttler, Bezirksbürgermeisterin Tempelhof-Schöneberg.
  • Unseren Fördervereinsflyer finden Sie hier.
  • Hier unser Monatsplan Dezember 15/Januar 16.

Fünf Fragen an: Georg Härpfer, Vorstand Schwulenberatung Berlin

Fünf Freitagsfragen an Georg Härpfer, Vorstandsmitglied der Schwulenberatung Berlin, über eine für manche tödliche Rechtssprechung, Verurteilungen in der jungen Bundesrepublik und den Verdacht, ein ‚175er‘ zu sein. Ein Beitrag zum Tag der Menschenrechte.

Georg Härpfer

Georg Härpfer (Bild: privat)

Georg Härpfer studierte Jura an der Ludwig-Maximilian-Universität München und Verwaltungsrecht an der Bayerischen Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege in München sowie Kunstgeschichte an der FU Berlin. Er ist Diplom-Verwaltungswirt. Er engagiert sich in der AG Lesben und Schwule in der SPD (QueerSozis/Schwusos) im Landesvorstand Berlin. Seit 2008 gehört er dem Vorstand der Schwulenberatung Berlin an. Seit Anfang Juli ist er zudem Vorstandmitglied des neu gegründeten Bundesinteressenverbandes schwuler Senioren (BISS).

Rogate-Frage: Herr Härpfer, der Paragraf 175 im Strafgesetzbuch (StGB) tauchte zum ersten Mal 1871 in der deutschen Rechtsprechung auf. Der Paragraf existierte fast 123 Jahre mit weitreichenden und teilweise tödlichen Folgen für schwule Männer. Am 10. März 1994 hat der Deutsche Bundestag ihn aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Warum ist es für Sie damit nicht erledigt?

Georg Härpfer: Mit der Streichung des Paragrafen 175 StGB im Jahre 1994 aus dem Strafgesetzbuch ist keine Rehabilitation und Entschädigung der vielen tausend Männer erfolgt, die vor allem in der Zeit von 1949 bis 1969 aufgrund dieses Paragrafen verurteilt worden sind.

Rogate-Frage: Wie viele Männer waren von einer polizeilichen und juristischen Verfolgung in der DDR und Bundesrepublik durch den Paragrafen betroffen und mit welchen Folgen?

Georg Härpfer: Die genaue Zahl ist nicht bekannt. Man spricht von circa 100.000 Ermittlungsverfahren und circa 50.000 Verurteilungen in der BRD. Aus der DDR sind 1300 Verurteilungen bis 1959 dokumentiert. Die Freiheitsstrafen konnten auf bis zu fünf Jahren festgelegt werden, in den meisten Verurteilungen wurde das Strafmaß auf zwei Jahre Freiheitsentzug festgelegt. Die junge Bundesrepublik hat die nationalsozialistische Verfolgung der homosexuellen Männer bruchlos fortgesetzt. Unglaublich ist die Tatsache, dass homosexuelle Männer, die die Konzentrationslager überlebt hatten, zur Fortsetzung der Strafverbüßung wieder eingesperrt wurden.
Die Strafdrohung des Paragrafen 175 StGB entfaltete außer einem förmlichen Prozess eine vielfache Wirkung in der Form, dass unter anderem der Verdacht, ein „175er“ zu sein, zum Verlust der bürgerlichen Existenz führen konnte, der Verlust des Arbeitsplatzes drohte, die Wohnung gekündigt werden konnte, man zum Freiwild für Erpresser werden konnte, die Partnerfindung extrem erschwert, wenn nicht unmöglich war und schließlich das Risiko auf Suizid erhöht war.

Rogate-Frage: Warum wurden die nach Verurteilten nach 1945 niemals rehabilitiert? Warum sind diese Urteile immer noch gültig?

Georg Härpfer: Die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU, SPD und FDP lehnten die Forderung, der Gesetzgeber solle die nach 1945 ergangenen strafrechtlichen Verurteilungen wegen einvernehmlicher sexueller Handlungen zwischen Männern aufheben, mit der Begründung ab, dass die Verurteilungen nach den Paragrafen 175 und 175a StGB vom Bundesverfassungsgericht mit dem Urteil aus dem Jahre 1957 gebilligt worden sind. Der Gesetzgeber dürfe keine rechtskräftigen Urteile aufheben, das verstoße gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung, Artikel 20 und 92 des Grundgesetzes.

Rogate-Frage: Welche Erwartungen haben Sie an die Kirchen in diesem Zusammenhang?

Georg Härpfer: Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 10. Mai 1957 die Rechtmäßigkeit des Paragraphen 175 StGB mit der Begründung bestätigt, dass das Recht auf freie Entfaltung durch die verfassungsmäßige Ordnung begrenzt ist, wenn feststeht, dass die soziale Gemeinschaft die Handlung als im Widerspruch zum Sittengesetz stehend betrachtet. Und dass die gleichgeschlechtliche Liebe von Männern eindeutig gegen das Sittengesetz verstößt, hat in der Adenauerzeit der 50er Jahre die römisch-katholische Kirche mit ihrer Morallehre vorgegeben. Die evangelische Kirche hat sich nicht davon distanziert. Daher ist es dringend notwendig, dass beide Kirchen diese Zeit mit den grausamen  Auswirkungen, die diese Sittenvorgaben für die homosexuellen Männer in diesen Jahren verursachten, aufarbeiten und die Aufarbeitung zu dem Ergebnis führt, dass sich sowohl die evangelische als auch die römisch-katholische Kirche in Deutschland aktiv an der Unterstützung der Initiative der Rehabilitation und Entschädigung der Opfer des Paragraphen 175 StGB beteiligt.

Rogate-Frage: Welche Initiativen gibt es, um eine Rehabilitation der nach dem Paragraf 175 Verurteilten zu erreichen?

Georg Härpfer: Die Bundestagsfraktionen von Die Linke und Bündnis90/die Grünen haben mit mehreren Anträgen die Rehabilitierung und Entschädigung der Männer gefordert, die nach 1945 wegen einvernehmlich sexueller Handlungen verurteilt worden sind.
Der Berliner Senat positionierte sich mit zwei Beschlüssen im April 2012: Über eine Bundesratsinitiative wurde die Bundesregierung aufgefordert, Maßnahmen zur Rehabilitierung und Unterstützung der nach Paragraf 175 StGB verurteilten homosexuellen Männer zu ergreifen.
Der Senat hat zudem ein Konzept zur berlinbezogenen Erforschung und Dokumentation der strafrechtlichen Verfolgung homosexueller Männer und der Diskriminierung von Lesben, Schwulen und trans- und intergeschlechtlichen Menschen in der frühen Bundesrepublik und der DDR verabschiedet. Im Jahre 2013 startete die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen mit der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld und weiteren Kooperationspartnern die Arbeit an dem Zeitzeugenprojekt „Archiv der anderen Erinnerungen“.

Rogate: Vielen Dank, Herr Härpfer, für das Gespräch.

Weitere Informationen hier: mh-stiftung.de und
hier parlament-berlin.de

Zum Thema haben wir weitere Freitagsfragen veröffentlicht:

  • Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, über Unrecht an homosexuellen Männern, die Schuld des Staates und die Öffnung der Ehe für alle.
  • Ansgar Dittmar, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Lesben und Schwule in der SPD, über den Einsatz für Gleichstellung in seiner Partei, Unrechtsurteile und politische Machbarkeiten in der Großen Koalition.
  • Volker Beck, Mitglied des Deutschen Bundestages, über eine Geste des Respekts, homosexuelle Menschen als Gottes Ebenbild und genug Ehe für alle.

Andere Freitagsfragen – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de

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Willkommen zu unseren öffentlichen Gottesdiensten (Auswahl) in der gastgebenden Ev. Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg:

Fünf Fragen an: Fray Raul Vera Lopez, Bischof der Diözese von Saltillo und Dominikaner

Fünf Freitagsfragen an Fray Raul Vera Lopez O.P., Bischof von Saltillo, über die politische Situation in Mexiko, die Wirkung von Papst Franziskus auf seine Arbeit und warum die Kirche schon ihres Auftrages wegen gegen Diskriminierungen vorgehen muss. Bischof Raul Vera ist seit 2011 Ehrenmitglied des Rogate-Klosters.

Fray Raul Vera Lopez (Bild: Diócesis de Saltillo)

Der „Spiegel“ fasst den Lebenslauf des Bischofs so zusammen: „José Raúl Vera López wurde 1945 im mexikanischen Bundesstaat Guanajuato geboren. Er studierte Chemie an der Universidad Nacional Autónoma in Mexiko-Stadt und Theologie im italienischen Bologna. Er trat dem Dominikanerorden bei und wurde 1975 von Papst Paul VI. zum Priester geweiht. Lange Jahre stand Vera dem „roten Bischof“ Samuel Ruíz als Koadjutor zur Seite. Ruíz leitete die Diözese von San Cristóbal de las Casas und vertrat mit Leidenschaft die Sache der indigenen Bevölkerung. 1999 wurde Vera von Papst Johannes Paul II. als Bischof nach Saltillo im Bundesstaat Coahuila entsandt. Dort gründete er das Menschenrechtszentrum „Fray Juan de Larios“, unterstützt Minenarbeiter, Migranten und Ureinwohner.

Rogate-Frage: Herr Bischof Raúl Vera, in den vergangen Monaten haben uns die Nachrichten aus Mexiko erschrocken. Viele Menschen kommen ums Leben durch Bandenkriege und Drogenkriminalität. Dazu wurden 43 Studierende ermordet und verscharrt. Was ist los in Ihrem Land? Warum funktionieren Polizei und Justiz nicht? Was muss passieren, um das brutale Töten zu beenden?

Raul Vera Lopez: Mexiko wurde einer politischen Struktur beraubt, die im Dienste der Menschen steht. … Mexiko wird nur für eine kleine Gruppe von Personen auf nationaler und internationaler Ebene regiert. … Eine solche Regierung kehrt der Nation und dem Volk den Rücken zu, so dass jeder machen kann, was ihm beliebt.

Auf diese Weise hat sich in Mexiko eine Wirtschaft der Kriminalität entwickelt. Experten zufolge stammen 40 Prozent von Mexikos Bruttoinlandsprodukt aus Geld, das durch die Hände des organisierten Verbrechens geht. … Die Rechtsprechung ist praktisch zum Stillstand gekommen. … Es ist bekannt, dass Verbrechen ungestraft bleiben. … Ein solcher Staat macht es leicht, dass die Beamten mit der organisierten Kriminalität verbündet sind…  Aber all das sehen wir seit sich die politische Macht auf allen Ebenen der Regierung hin zum großen Geld wendet, zu den großen multinationalen Unternehmen, denen von ganz oben die Berechtigung gegeben wird, das Land zu plündern und zu berauben. Die politische Klasse besteht aus eigeninteressierten Krämern, denen das Volk egal ist. Aus diesem Grund werden die Menschen aufgegeben. Und daher auch das Chaos und das chaotische Schauspiel, das wir der internationalen Gemeinschaft geben.

Rogate-Frage: Sie werden auch „Bischof Courage“ wegen Ihres Einsatzes für Menschenrechte genannt. Sie sagten einmal: „“Es ist eine der großen Stärken des Evangeliums, auf das Böse mit Güte zu antworten und auf Ungerechtigkeit mit Gerechtigkeit.“ Wie gelingt es Ihnen, Güte und Einsatz, Engagement und Glaubenszeugnis öffentlich wahrnehmbar zu verbinden?

Raul Vera Lopez: Das ist nicht schwer. Seit ich am Anfang meine liturgische Ausbildung empfing, wurde mir gesagt, dass ich mich in der Eucharistie Christus voll hingebe. … Ich empfand einen Widerspruch, seit es mir zukam, die Messe in einer Umgebung größter Armut zu feiern. Ich muss sagen, dass ich „Predigtmönch“ (Dominikaner) wurde, der an die Umwandlung der Gesellschaft denkt, die von ihrer Struktur her so ungerecht und ungleich ist. … Der Herr wirkt – durch uns und durch die anderen Religionen, in denen die Erlösung Christi nicht abwesend ist; all das führt mich dazu, mich ohne jede Schizophrenie oder bipolare Störung zu bewegen, mich in der Arbeit für Gerechtigkeit und Wahrheit zu engagieren, denn es ist die Wiederherstellung der Geschichte und der Erde, für die Jesus gekommen ist.

Rogate-Frage: Sie setzen sich für Wanderarbeiter, Migranten und unterdrückte Menschen in Ihrem Land ein. Sie kämpfen gegen Korruption, Drogenhandel und Homophobie. Rom hat sie dabei früher nicht unbedingt unterstützt. Ist Ihre Arbeit unter Papst Franziskus leichter geworden? Wie unterstützt Sie die Weltkirche?

Raul Vera Lopez: Papst Franziskus ist eine sehr konsequente Person mit Blick auf das Evangelium und darauf, wie der Heilige Geist die Kirche in diesem Moment in der Geschichte der Menschheit leitet … Mit Papst Franziskus ist es viel einfacher, die pastorale und prophetische Kirche frei zu machen von der Bindung an bestimmte Interessen, frei von der Suche nach weltlicher Macht und frei von jenen Allianzen, die dem Evangelium wirklich schaden und ihm im Weg stehen. … Der Papst hat uns gebeten, Hirten zu sein mit dem Geruch ihrer Schafe – in unmittelbarer Nähe zu den Armen, herauszugehen an die Grenzen und die Peripherie der Existenz, jenen zu dienen, die wir aufgegeben haben; und wir können ein ungerechtes System nicht weiter aufrechterhalten, das sich durch das globale Wirtschaftsmodell und die Politiker, die diesem Modell dienen, heute in der Welt festgesetzt hat.

Rogate-Frage: Unter anderem haben Sie einer christlichen Gruppe von Homosexuellen geholfen. Wie ist die Lage von Lesben und Schwulen aus Ihrer Sicht in Mexiko. Welche Rolle hat die Kirche bei der Lösung des Problems?

Raul Vera Lopez: Die Kirche muss ihre Augen für die Ist-Situation öffnen und sich mehr auf die wissenschaftliche Wahrheit einlassen… Wir müssen unsere Augen öffnen, diesen Menschen mit Wertschätzung begegnen und sie in die Kirche einbeziehen, sie in die Gesellschaft aufnehmen und einbinden und jede Form von Diskriminierung oder Schaden oder Benachteiligungen für diese Personen vermeiden. … Wenn die Kirche dies nicht offen tut und diesen Menschen keinen Platz gibt, werden wir unserer Aufgabe nicht gerecht… Die Kirche muss die nötigen Schritte für die Reflexion und den Dialog gehen. … Die Kirche muss sich öffnen. Wir können unsere pastorale Arbeit nicht auf der Grundlage von Tabus machen. Das steht im Gegensatz zum Evangelium. Das ist absurd.

Rogate-Frage: Welche Vorhaben und Pläne beschäftigen Sie derzeit besonders? Was liegt für Sie konkret in der Zukunft an?

Raul Vera Lopez: Nun, der für mich dringlichste Plan ist es, einen ganzheitlichen und umfassenden Weg in Mexiko zu finden, um das Land wieder neu aufzubauen, es neu zu gründen. … Was ist es, das dafür notwendig ist: Es sind die Menschen, die diesen Weg mit der Beteiligung der ganzen Gesellschaft umsetzen müssen. Es geht darum zu helfen, das Land in einer umfassenden Vision der Wiederherstellung von Justiz und Recht auf friedlichem Wege zu retten; durch eine Entwicklung auf der Grundlage des Dialogs mit der Basis … , also dem Volk, den Berufsgruppen, Ärzten, Lehrern, Fachleuten, um die Verfassung neu zu gestalten und ihr eine neue Vision zu geben. Das ist, was ich vorschlage, um von dort einen neuen Kongress ins Leben zu rufen, der diesem Land eine neue politische Form gibt, damit es eine politische Führung bekommt, die die Justiz und das Recht wahrhaftig respektiert und ihr in der ganzen Nation zur Geltung verhilft. Es geht darum einen Weg zu öffnen, damit wir nicht zu jener politischen Klasse zurückkehren, die aktuell besteht und die sich – wie ich schon sagte – in regelrechte (Menschen-)Händler verwandelt haben, die mit dem Fleisch der Menschen handeln.

Rogate: Vielen Dank, Fray Raul Vera Lopez, für das Gespräch!

Weitere Informationen: Den spanischen Originaltext und die deutsche Fassung des Interviews finden Sie hier. Einen „Spiegel„-Artikel über Bischof Lopez finden Sie hier. Mehr über die Biografie von Fray Raul Vera Lopez in spanischer Sprache hier.

Vielen Dank für die Übersetzungsunterstützung an Leticia Fernandez-Palacios-Gimenez, Teresa Salazar und Markus Beckmann.

Weitere Freitagsfragen – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de

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Willkommen zu unseren öffentlichen Gottesdiensten in der Kapelle der gastgebenden Ev. Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg:

Das Rogate-Kloster im Dezember: Sternenkinder-Gottesdienst und Vespern.

Willkommen zu unseren öffentlichen Gottesdiensten im Dezember 2015:

  • Heute, Dienstag, 1. Dezember 15 | 19:00 Uhr, Vesper
  • Dienstag, 8. Dezember 15 | 19:00 Uhr, Vesper
  • Einladung zum Sternenkinder-Gottesdienst am 13. Dezember 2015

    Sonntag, 3. Advent, 13. Dezember 2015 | 17:00 Uhr, Sternenkinder-Gottesdienst für verwaiste Eltern und ihre Angehörigen zum Worldwide Candle Lighting Day, mit Pater Engelbert Petsch, Aktion “Die Flamme der Hoffnung”, und Pfarrer Burkhard Bornemann, amtierender Superintendent im Kirchenkreis Schöneberg.

  • Dienstag, 15. Dezember 15 | 19:00 Uhr, Eucharistie
  • Gottesdienstliche Winterpause bis zum 12. Januar
  • Dienstag, 12. Januar 16 | 19:00 Uhr, Eucharistie
  • Dienstag, 19. Januar 16 | 19:00 Uhr, Vesper
  • Dienstag, 26. Januar 16 | 19:00 Uhr, Vesper
  • Sonntag, 31. Januar 16 | 10:00 Uhr, Predigtgottesdienst. Liturgie: Bruder Willehad Kaleb RGSM.

Unseren Fördervereinsflyer finden Sie hier.

Hier unser Monatsplan Dezember 15/Januar 16.

Erreichbar ist die Zwölf-Apostel-Kirche mit öffentlichen Verkehrsmitteln und über die U-Bahnhöfe: Kurfürstenstraße (U1) Nollendorfplatz (U1, U2, U3, U4). Oder per Bus: Kurfürstenstraße (M85, M48), Nollendorfplatz (M19, 187) und Gedenkstätte Dt. Widerstand (M29). PKW-Stellplätze vor dem Gemeindezentrum und in der Genthiner Straße. Adresse: An der Apostelkirche 1, Berlin-Schöneberg.