
Pfarrer Dr. Frank Lilie (Bild: privat)
Fünf Freitagsfragen an Frank Lilie, Pfarrer und Bruder der Evangelischen Michaelsbruderschaft, über die Erneuerung der Kirche, ihre Glaubwürdigkeit und das Leben in einer geistlichen Bruderschaft.
Pfarrer Dr. Frank Lilie studierte Evangelische Theologie und Philosophie in Frankfurt/Main und Bonn. Er ist Schulpfarrer in Fritzlar und war Ältester der Evangelischen Michaelsbruderschaft (EMB) von 2004 bis 2013.
Rogate-Frage: Herr Pfarrer Lilie, es heißt „Michaelsbrüder wollen der Kirche dienen und sie erneuern, indem sie diese Erneuerung an sich selbst beginnen lassen.“ Wie geht das?
Frank Lilie: Kritik zu üben ist einfach. Sätzen, die mit ‚Die Kirche muss …‘, , ‚Die Kirche sollte …‘ beginnen, gebührt daher ein gehöriges Misstrauen. Formulieren wir hingegen: ‚Ich als Christ möchte …‘ oder ‚Christsein bedeutet für mich …‘, so ist unsere eigene Glaubwürdigkeit und damit Authentizität gefordert. Was ich selbst als Christ nicht leben kann, darf ich auch nicht von anderen erwarten. Das ist die sehr schlichte klingende, aber letztlich tiefgreifende Entdeckung der Bruderschaft. Nicht: ‚Die Kirche ist nicht mehr fromm genug‘ muss es heißen, sondern: ‚Ich möchte frömmer werden.‘ Nicht: ‚In der Kirche wird zuwenig gebetet‘, sondern: ‚Ich möchte mein Gebetsleben ändern.‘ Unsere Spiritualität will die Frömmigkeit in den Alltag holen und für den einzelnen Christen die Gemeinschaft mit anderen erlebbar werden lassen.
Rogate-Frage: Die Frage der „glaubwürdigen Kirche“ hat die Michaelsbruderschaft beschäftigt. Wann ist Kirche glaubwürdig?
Frank Lilie: Wenn sie an Jesus Christus glaubt. Wenn sie das Vorletzte nicht mit dem Letzten verwechselt. Wenn sie nicht vor lauter Aktionismus die Mitte aus den Augen verliert. Wenn sie erkennen lässt, dass die Einzelkirchen Glieder der einen, heiligen, allgemeinen und apostolischen Kirche sind – in der Bruderschaft kommen Brüder aus acht verschiedenen Konfessionen zusammen. Wenn die eine Einzelkirche in der anderen eine Ergänzung und keine Konkurrenz sieht. Wenn sich Menschen in ihr geborgen fühlen. Wenn sie der Gegenwart Christi Raum lässt und dies in ihren Gottesdiensten zum Ausdruck kommt.
Rogate-Frage: Wie ist Ihre Bruderschaft organisiert und wie gestaltet sich eine Zugehörigkeit für den Einzelnen?
Frank Lilie: Das Leben der Brüder spielt sich in den zehn regionalen Konventen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich ab. Auch wenn die Orte dieser Treffen – es sind meist fünf bis sieben verpflichtende ein- bis mehrtägige Zusammenkünfte im Jahr mit einem festen Ablauf von Tagzeitengebeten, Evangelischen Messen, Vorträgen und Ausflügen – in der Region wechseln mögen, so sind diese Konvente doch Ausdruck der brüderlichen stabilitas loci. Höhepunkt des Jahres ist das mehrtägige Michaelsfest, das mehrere Konvente gemeinsam feiern, entweder im eigenen Einkehrhaus Kloster Kirchberg oder an einem anderen geeigneten Ort. In gewissen Abständen kommen wir auch zu Gesamtmichaelsfesten zusammen, so wieder 2016 in Neuendettelsau. Die regionalen Konvente sind ihrerseits in Nachbarschaften untergliedert, Kleingruppen von Brüdern, die sich regelmäßig rundum bei den Brüdern treffen. Jeder Konvent hat einen Ältesten (Leiter), einen Vikar (Stellvertreter), einen Diakon, einen Kantor und einen Probemeister. Diese Struktur wiederholt sich auf der Ebene der Gesamtbruderschaft. Nach einer mindestens zweijährigen Probezeit kann ein neuer Bruder aufgenommen werden. Er erhält einen sogenannten Helfer, der ihn seelsorgerlich begleitet und dem er einmal im Jahr vor dem Michaelsfest Rechenschaft über seine geistliche, berufliche und private Entwicklung ablegt. Der Rundbrief informiert über die Vorgänge in der Bruderschaft, die Quartalsschrift QUATEMBER bringt unsere Anliegen einer breiteren Öffentlichkeit nahe.
Rogate-Frage: Warum ist der Erzengel Michael Patron der Bruderschaft und welche „Rolle“ spielt er für Ihre Gemeinschaft?
Frank Lilie: Als die Bruderschaft 1931 gestiftet wurde, war der Zusammenhang zwischen dem Erzengel Michael und der Kirche in Deutschland noch weitaus geläufiger als heute. Daher rührt der Michel als Symbolfigur für den Deutschen. Auch wenn wir uns heute vor einer unkritischen Engelverehrung kaum zu retten vermögen, ist St. Michael dennoch eine wichtige Gestalt. Denn übersetzt wird dieser Name mit: „Wer ist wie Gott?“ Eigentlich kann die Antwort darauf nur „Christus“ lauten. Diese sperrige Bezeichnung hat uns eine Corporate Identity verschafft, die zum Anspruch an uns selbst wird: „Wie wird Christus durch Dich erkennbar?“ Die Berufung auf Michael und damit letztlich auf Christus erinnert auch so an die ursprüngliche Gemeinschaft der Einzelkirchen und ihrer Glieder, die längst vor aller Trennung schon besteht.
Rogate-Frage: Die Heiligung der Zeit durch das regelmäßige Gebet der einzelnen Brüder und durch Ordnungen für das gemeinsame regelmäßige Gebet ist Ihnen wichtig. Wie gestalten Sie selbst diese Zeiten?
Frank Lilie: Ich habe einen kleinen Raum zu einer Kapelle umgestalten können, in der ich die Stundengebete nach der Ordnung der Bruderschaft halte. Ein Altar aus einem Baumstumpf und einer Schieferplatte, darauf eine zu einem Kreuz umgebogene Patronenhülse aus Sierra Leone (ein Relikt des Diamantenkrieges) und ein Stück Stacheldraht aus dem KZ Buchenwald. Es könnten auch ganz andere Gegenstände sein; mich erinnern sie an unsere dauernde Bedrohung durch das Böse und an unseren Christenauftrag, dem Guten die Tür zu öffnen. Darüber hängt eine Christus-Ikone aus dem Höhlenkloster in Kiew. Aber das sind persönliche Vorlieben – wichtig ist, dass wir uns einen Ort schaffen, an dem wir regelmäßig beten, ohne vom Alltag unterbrochen werden zu können. Das könnte auch eine Kerze auf dem Schreibtisch leisten; nicht jeder hat den Luxus eines geeigneten Raumes. Zu den Gebetszeiten singe ich den Wochenpsalm und halte eine biblische Lesung. Ein Fürbittengebet mit dem Vaterunser schließt das Gebet ab. Morgens beziehe ich die Namen von Brüdern ein, die an diesem Tag Geburtstag feiern. Jeden Samstagabend um 21:00 Uhr beten alle Brüder an ihrem Ort das Brudergebet.
Rogate: Vielen Dank, Herr Pfarrer Dr. Lilie, für das Gespräch.
Weitere Informationen über das Erzbistum hier: Michaelsbruderschaft.de
Weitere Freitagsfragen – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de
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Willkommen zu unseren nächsten öffentlichen Gottesdiensten in der Kapelle der gastgebenden Ev. Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg:
Dienstag, 8. März 16 | 19:00 Uhr, Passionsvesper “Großes Herz. Sieben Wochen ohne Enge” mit Vikarin Tanja Pilger-Janßen, Zwölf-Apostel-Gemeinde, in der Kapelle (Sakristei)
- Donnerstag, 10. März 16 | 19:30 Uhr, Komplet in der Passionszeit, Nachtgebet in der Kapelle (Sakristei)
- Dienstag, 15. März 16 | 19:00 Uhr, Passionsvesper “Großes Herz. Sieben Wochen ohne Enge” mit Superintendent Uwe Simon, Kirchenkreis Oberes Havelland
- Donnerstag, 17. März 16 | 19:30 Uhr, Komplet in der Passionszeit, Nachtgebet in der Kapelle (Sakristei)
- Keine Vesper am Dienstag, 22. März 16 | 19:00 Uhr (Kirche wird von der Gemeinde genutzt)
- Keine Andacht am Donnerstag, 25. März 16 | 19:30 Uhr (Kirche wird von der Gemeinde genutzt)
Karfreitag, 25. März 16 | 15:00 Uhr, Kreuzweg, Michaelskirche, Bessemer Straße 97/101, 12103 Berlin-Schöneberg, Bus 106 (Richtung Lindenhof)
- Ostersonntag, 27. März 16 | 6:30 Uhr, Ostermorgengottesdienst der Gemeinde Alt-Tempelhof (mit Beteiligung des Rogate-Klosters), Dorfkirche Tempelhof, Am Reinhardtplatz, 12103 Berlin-Tempelhof, U Alt-Tempelhof
- Ostermontag, 28. März 16 | 11:00 Uhr, Ökumenische Eucharistie, mit der Alt-Katholischen Gemeinde Berlin, Zwölf-Apostel-Kirche
- Dienstag, 29. März 16 | 19:00 Uhr, Vesper, Kirche
- Unseren Fördervereinsflyer finden Sie hier. Hier unser Monatsplan März 2016.
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