Fünf Fragen an: Stephan Weyer-Menkhoff, Professor an der Universität Mainz

Fünf Freitagsfragen an Prof. Dr. Stephan Weyer-Menkhoff, Universität Mainz, über den Unterschied von Gottesdienst, Andacht und Stundengebet, wie das Evangelium gottesdienstlich den Einzelnen trägt und das Stehen in den Horen.

Stephan Weyer-Menkhoff

Prof. Dr. Stephan Weyer-Menkhoff (Bild: privat)

Prof. Dr. Stephan Weyer-Menkhoff wurde 1953 in Berlin-Schöneberg geboren. Er studierte in Göttingen Evangelische Theologie, war Lehrer, Pfarrer, Studienleiter und lehrt seit 1997 Praktische Theologie an der Universität in Mainz.

Rogate-Frage: Herr Professor Weyer-Menkhoff, was sind Stundengebete und wie unterscheiden sie sich von einer Andacht oder einem Gottesdienst?

Stephan Weyer-Menkhoff: Das Stundengebet führt Heilige Schrift auf. Bis auf das Lied, dem Hymnus, besteht das ganze Stundengebet ausschließlich aus biblischen Sätzen. Die Psalmen haben dabei besonderes Gewicht. Ihren Namen gemäß, Psalmos heißt Gesang, wird im Stundengebet alles gesungen. Das führt zu einer festen Form, die Einfälle und Überraschungen ausschließt, andererseits aber den Einzelnen ungestört in den Raum der Heiligen Schrift eintauchen lässt. Die feste Form unterscheidet das Stundengebet von der Andacht. Vom Gottesdienst unterscheidet sich das Stundengebet, weil es hier keinen herausgehobenen Liturgen gibt, sondern vielmehr alle gleichmäßig beteiligt sind.

Rogate-Frage: Welche Tradition hat das Stundengebet in der evangelischen Kirche und wo kommt es (noch) vor?

Stephan Weyer-Menkhoff: Das Stundengebet ist der wochentägliche Gottesdienst und gibt der Heiligen Schrift unter der Woche Raum. Da die Reformation nur die Messe betrifft, ist das Stundengebet evangelischerseits unverändert und so auch im Evangelischen Gesangbuch (EG-Nummer 783-786) zu finden. Es gibt immer wieder Kirchengemeinden, die das Stundengebet halten. In Berlin kenne ich die Annen-Kirche in Wilmersdorf und das Rogate-Kloster in Schöneberg.

Was schätzen Sie an den Horen für Ihre Frömmigkeit?

Stephan Weyer-Menkhoff: Weil das Stundengebet Heilige Schrift zum Klangraum werden lässt, muss ich nicht denken, anwenden, beschließen, kurz: leisten, sondern erfahre mich hineingenommen und aufgehobene in den Klangraum Heiliger Schrift. Nicht mein Glaube trägt das Evangelium, sondern die Heilige Schrift trägt und umhüllt mich.

Rogate-Frage: Wie können Einzelne diese Gebetsform lernen? Was würden Sie Interessierten raten?

Stephan Weyer-Menkhoff: Für den Einzelnen ist diese Gebetsform deswegen ungeeignet, weil die Form, die vom Psalter vorgegeben ist, das Gegenüber verlangt. Im Gegenüber singen zwei − einzelne oder Gruppen − abwechselnd so, dass in der Mitte ein freier Raum der Stille entsteht. Es ist ähnlich wie im Kirchbau, wo zwei Pfeiler oder Wände das Gewölbe spannen, unter dem sich der freie Raum des Kirchenschiffs bildet. Ein Einzelner kann kein Gewölbe spannen.

Rogate-Frage: Welche Gebetsgesten, Körperhaltungen und Bewegungen sind dem Gebet dienlich und fördern die eigene Spiritualität?

Stephan Weyer-Menkhoff: Das Stundengebet wird im Stehen gehalten. Das Stehen ist nicht nur die dem Singen angemessene Körperhaltung, sondern stellt auch den Menschen in seiner Grundsituation dar. Mit beiden Füßen auf der Erde, aber mit dem Kopf zum Himmel, ist er weder Tier noch Engel. Die Aufrechte zeugt von Wunder der Auferstehung. Der im Stehen gespannte Rücken wird entspannt, wenn sich so tief verbeugt wird, dass der Oberkörper in die Waagerechte kommt. Diese Verbeugung geschieht immer dann, wenn der dreieine Gottesname genannt wird, sodass dieser Name in die Körperhaltung eingeht und der Leib zum Tempel wird. Der gemeinsame Ein- und Auszug markieren den besonderen Ort des Klangraums Heiliger Schrift in Mitten der wöchentlichen Alltagswelt.

Rogate: Vielen Dank, Herr Professor Dr. Stephan Weyer-Menkhoff, für das Gespräch.

Weitere Informationen finden Sie hier.

Zum Thema Gottesdienst siehe auch:

  • Landesbischof Gerhard Ulrich, Nordkirche und Leitender Bischof der VELKD, über die Definition eines lutherischen Gottesdienstes, situationsgemäße Liturgie und die Relevanz der Tradition.
  • Prof. Dr. Alexander Deeg, Universität Leipzig, über gute Gottesdienste, überzeugende Feierformen und die Wertschätzung der Eucharistie.
  • Pastorin Anita Christians-Albrecht, Plattdeutschbeauftragte der Landeskirche Hannovers, über ‚Gott up Platt – Wat sall dat?‘, ‚Gott sien Lüüd‘ und „Gott deep mitföhlen deit“.
  • Kirchenrat Klaus Rieth, Evangelische Landeskirche in Württemberg, über die Reaktion der Gemeinden im Ländle auf den Zustrom geflüchteter Menschen und eine bundesweit gefragte mehrsprachige Gottesdienst-Hilfe.
  • Prof. Traugott Roser, Universität Münster, über das Segnen im Lebenslauf, eine neue kirchliche Sensibilität für das Thema „Lebensformen“ und warum das Nichtsegnen Fluch ist.

Weitere Freitagsfragen – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de

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Willkommen zu unseren nächsten öffentlichen Gottesdiensten in der gastgebenden Ev. Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg:

  • Dienstag, 19. April 16|19:00 Uhr, VESPER “Liebeskummer“, das Abendgebet
  • Rogate Kl_Aushang_Rogate Sonntag_090316-2 KopieDonnerstag, 21. April 16|19:30 Uhr, KOMPLET „Vergeben“
  • Dienstag, 26. April 16|19:00 Uhr, VESPER (in der Ordnung des Ev. Gesangbuchs Nr. 785), mit Gedenken an die Opfer der Kernkraftkatastrophe von Tschernobyl am 26. April 1986
  • Donnerstag, 28. April 16|19:30 Uhr, KOMPLET, Nachtgebet
  • Hier unser Aushang April 2016.
  • Sonntag Rogate, 1. Mai 16 | 10:00 Uhr, Eucharistie, Predigt: Prof. Dr. Dres. h.c. Christoph Markschies, Theologische Fakultät an der Humboldt-Universität
  • Dienstag, 3. Mai 16|19:00 Uhr, VESPER am Tag der Apostel Philippus und Jakobus das Abendgebet, in der Kirche
  • Donnerstag, 5. Mai 16|19:30 Uhr, EUCHARISTIE an Christi Himmelfahrt

3 Kommentare zu „Fünf Fragen an: Stephan Weyer-Menkhoff, Professor an der Universität Mainz

  1. Sehr sehr schön!

    Danke für Eure Freitagsfragen

    Und besonders nun auch zum Thema Gottesdienst!

    Wir feiern auch Stundengebet in Kreuzberg-Mitte und am 19.April um 19:00 Uhr treffen sich Stundenbeter aus ganz Berlin in Pankow

    Seid Ihr auch dabei ?

    Wir überlegen uns gemeinsam mehr zu vernetzen und viell. n Flyer herauszubringen wo in der Woche überall in Berlin Stundengebet gehalten wird,

    Die nächste Hochmesse findet

    am Sonnabend, dem 16. April um 18.00 Uhr

    am Vorabend des Sonntags Jubilate statt

    Die übernächste Hochmesse findet

    am Sonnabend, dem 07. Mai um 18.00 Uhr

    am Vorabend des Sonntags Exaudi statt

    ***

    Unter der Woche feiern wir regelmäßig:

    Di. 09:00 Uhr Laudes mit Frühstück in Melanchthon, Planufer 84

    18:00 Uhr Friedensgebet in Jacobi

    Do. 12:00 Uhr Werktagsmesse in Jacobi

    18:00 Uhr Vesper in Melanchthon, Planufer 84

    Fr. 12:00 Uhr Mittagsgebet mit Mittagessen im Luisenkeller, Oranienstrasse 134

    lg

    Mit freundlichen Grüßen

    Pfr. Holger Schmidt

    Die Zusage der Liebe Gottes ist nicht zu schön, um wahr zu sein,

    sondern sie ist zu wahr, um nicht als schön erkannt zu werden. (Hans-Joachim Eckstein)

    Es schreibt: Pfr. Holger Schmidt

    (030) 89 20 19 33

    (0152) 53 92 75 49

    Evangelische Kirchengemeinde in Kreuzberg Mitte

    http://www.kreuzberg-mitte.de

    Pfarrbezirk Süd

    Melanchthon-Kirche

    Planufer 84, 10967 Berlin

    Zentrales Gemeindebüro:

    Oranienstr. 132, 10 969 Berlin

    Tel./Fax (030) 616 09 616

    Die Evangelische Kirchengemeinde in Kreuzberg Mitte ist als Kirchengemeinde der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Diese e-Mail einschließlich etwaiger Anhänge enthält vertrauliche und/oder rechtlich geschützte Informationen. Diese Informationen sind ausschließlich für den Adressaten bestimmt. Wenn Sie nicht der richtige Adressat sind oder diese e-Mail irrtümlich erhalten haben, informieren Sie uns bitte unverzüglich und vernichten Sie diese Mail. Es ist Ihnen nicht gestattet, diese e-Mail zu übertragen, zu kopieren oder anderweitig zu verwenden.

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