Fünf Fragen an Rainer Teuber, Aktion „Out in Church – für eine Kirche ohne Angst“, über 125 mutige queere Katholik*innen, Sorge vor dienstrechlichen Konsequenzen und Akzente der Erneuerung. Ein Interview im Rahmen des Rogate-Demokratieprojekts „FrieslandVisionen: Wie wollen wir morgen leben?“.
Rainer Teuber, geboren in Essen, ist seit 1996 in der katholischen Kirche beschäftigt. Er verantwortet am Essener Dom und seiner Schatzkammer die Museumspädagogik und den Besucherservice. Er ist schwul und seit 2003 mit seinem Mann Karl-Heinz verheiratet. Auch privat sind beide in der Gemeindearbeit engagiert.
Rogate-Frage: Herr Teuber, was genau ist #outinchurch und wer ist daran beteiligt?
Rainer Teuber: Bei der Initiative #OutInChurch outen sich heute 125 queere Menschen, die im Dienst der katholischen Kirche stehen. Die Beteiligten kommen aus nahezu allen Bistümern und bilden das gesamte Spektrum kirchlicher Arbeitsfelder ab. Unter ihnen sind Religionslehrer*innen, Gemeindereferent*innen, Pastoralreferent*innen, Kirchenmusiker*innen, Religionspädagog*innen aber natürlich auch einige Priester.
Rogate-Frage: Sie werben „für eine Kirche ohne Angst“. Wo und wie erleben Sie in der Kirche Ängste in diesem Zusammenhängen?
Rainer Teuber: Menschen die queer sind, öffentlich queer leben, in dem sie zum Beispiel eine eingetragene Lebenspartnerschatt oder eine Zivilehe schließen und für die katholische Arbeiten müssen mit schweren dienstrechtlichen Konsequenzen rechnen, da sie mit ihrem öffentlichen Bekenntnis einen schweren Looyalitätsverstoß gegen ihren Arbeisvertrag begehen, der auch die kirchliche Grundordnung umfasstt. Nach dieser Grundordnung kann ein öffentliches Bekenntnis zu einer solchen Partnerschaft beziehungsweise Ehe zur fristlosen Kündigung führen.
Rogate-Frage: Was müsste sich in den Bistümern und kirchlichen Institutionen sofort ändern und was braucht es aus Ihrer Sicht dazu?
Rainer Teuber: Das kirchliche Arbeitsrecht muss reformiert werden. Die entsprechenden Paragrafen, die Menschen in ihrer Persönlichkeit einschränken, müssen entfernt werden. LGBTIQ+-Personen müssen in dieser Kirche ohne Angst offen leben und arbeiten können. Sie müssen einen diskriminierungsfreien Zugang zu allen Handlungs- und Berufsfeldern in der Kirche erhalten. Diffamierende und nicht zeitgemäße Aussagen der kirchlichen Lehre zu Geschlechtlichkeit und Sexualität müssen auf Grundlage theologischer und humanwissenschaftlicher Erkenntnisse revidiert werden. Dies ist besonders in weltweiter kirchlicher Verantwortung für die Menschenrechte von LGBTIQ+-Personen von höchster Relevanz.
Die Kirche darf darüber hinaus LGBTIQ+-Personen beziehungsweise Paaren den Segen Gottes sowie den Zugang zu den Sakramenten nicht vorenthalten.
Rogate-Frage: Was macht Ihnen Hoffnung? Sind dabei Papst Franziskus oder der „Synodalen Weg“ hilfreich?
Rainer Teuber: Hoffnung macht mir, dass sich so viele Menschen – trotz der derzeitigen Krisensituation, in der sich unsere Kirche befindet -, noch immer für die Botschaft Jesu in dieser Kirche starkmachen. Sie alle möchten das System Kirche verändern, ja revolutionieren. Papst Franziskus ist in seinen Äußerungen schwer einzuschätzen. Manches gab Anlass zur Hoffnung auf Veränderungen, bei manchem schien es aber auch so, als solle möglichst alles so bleiben wie es ist. Der synodale Weg hat ihr die große Chance, wichtige Reformprojekte auf der Agenda zu halten und kann sicherlich wertvolle Akzente zur Erneuerung setzen.
Rogate-Frage: Manche raten römisch-katholischen Christen, angesichts der aktuellen Situation und Lehre, die Konfession und bisherige Kirche zu verlassen und beispielsweise in die evangelische oder alt-katholische Kirche zu konvertieren. Was sagen Sie denen?
Rainer Teuber: Ich kann jede und jeden verstehen, der unserer Kirche den Rücken zugewendet hat oder die Konfession gewechselt hat. Für viele Menschen möchten aber auch Teil der katholischen Kirche sein und bleiben, um das System von innen heraus zu ändern und neu zu gestalten. Ein kräftezehrender aber sicherlich nicht aussichtsloser Weg.
Rogate: Vielen Dank, Herr Teuber, für das Gespräch!
Zur Aktion gibt es die ARD-TV- und Multimedia-Produktion „Wie Gott uns schuf„: „Es sind Priester, Ordensbrüder, Gemeindereferentinnen, Bistums-Mitarbeitende, Religionslehrer, Kindergärtnerinnen, Sozialarbeiter und vieles mehr. Hundert Gläubige outen sich und berichten von ihren Erfahrungen als queere Menschen in der katholischen Kirche. Eine Investigativ-Recherche im Auftrag von rbb, SWR und NDR.“ Sie finden Sie hier.
Weitere Interviews in der Reihe Freitagsfragen (Rogate-Kloster Sankt Michael zu Berlin ISSN 2367-3710) – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de.
Willkommen zu unseren nächsten Rogate-Terminen im Zusammenhang mit unserem Demokratieprojekt „FrieslandVisionen: Wie wollen wir morgen leben?“
- Donnerstag, 10. Februar 2022 | 19:30 Uhr, Ökumenische Klimakanzel mit Dr. Ing. Martin Dehrendorf, Jever, Bau- und Umweltdezernent, Landkreis Friesland. Mitwirkende: Kreispfarrer Christian Scheuer (Ev.-luth. Kirchenkreis Friesland-Wilhelmshaven), Diakon Klaus Elfert (St. Bonifatius-Gemeinde) und Br. Franziskus (Rogate-Kloster). Ort: Sankt Bonifatiuskirche, Bürgermeister-Heidenreich-Str. 4, 26316 Varel.
- Donnerstag, 17. Februar 2022 | 19:30 Uhr, Ökumenische Klimakanzel mit Jürgen Rahmel, Varel, Dezernent Biosphärenreservat in der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer. Mitwirkende: Pfarrer Manfred Janssen (St. Bonifatius-Gemeinde) und Br. Franziskus (Rogate-Kloster). Ort: Sankt Bonifatiuskirche, Bürgermeister-Heidenreich-Str. 4, 26316 Varel.
- Donnerstag, 24. Februar 2022 | 19:30 Uhr, Ökumenische Klimakanzel mit Siemtje Möller, Varel, Mitglied des Deutschen Bundestages und Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium der Verteidigung. Mitwirkende: Pfarrer Manfred Janssen (St. Bonifatius-Gemeinde) und Br. Franziskus (Rogate-Kloster). Ort: Sankt Bonifatiuskirche, Bürgermeister-Heidenreich-Str. 4, 26316 Varel.