Heide Grünefeld: Versuchen wir weiter, Teil der guten Nachrichten zu sein.

Heide Grünefeld (Bild: privat)

Ich soll in Worte kleiden, was mich bewegt. Ein Thema herausgreifen, einen Aspekt, ihn beleuchten und darüber hier sprechen. Etwas, das wichtig ist gerade, und etwas, was vermutlich nicht nur mich bewegt, sondern auch Sie.

Aber wissen Sie was? Ich weiß nicht, was ich hier sagen kann oder sollte oder müsste. Es ist so viel gerade, ich kann die Dinge in meinem Kopf nicht mehr sortieren, die Bilder nicht mehr verarbeiten, die Aufgaben nicht mehr priorisieren, die Herausforderungen nicht mehr bewältigen, so scheint es mir. Es ist so viel.

Ich arbeite bei der Migrationsberatung im Diakonischen Werk. Die Ukraine beschäftigt uns, die abendlichen Nachrichten übersetzen wir in Zahlen und Aufgaben und sie erreichen uns in menschlichen Schicksalen.

Ich habe vor zwei Wochen hier bereits berichtet von den Menschen, die vor einigen Jahren zu uns geflüchtet sind, aus verschiedensten Ländern, und die jetzt getriggert sind und verängstigt vom Krieg in der Nachbarschaft. Ich könnte berichten von ihren Ängsten jetzt, nun Flüchtlinge zweiter Klasse zu sein, als Muslime, als diejenigen, die vielleicht schon einige Jahre hier sind, und immer noch nicht auf die Beine gekommen sind und sich schwer tun mit Sprache, Arbeit, Kultur und die nun damit rechnen müssen, kaum noch Toleranz von den Deutschen zu erhalten, denn „nun müssten sie doch so langsam mal wirklich…“. Ich könnte berichten von denen, die immer noch im Mittelmeer ertrinken.

Ich könnte berichten von den neuen Fluchtgeschichten der Ankommenden aus der Ukraine, von ihrer Reise, ihrer Müdigkeit, ihrer Sorge um die Männer und Verwandten, die noch in der Ukraine sind. Ich könnte berichten von Ihrer Fassungslosigkeit und Verzweiflung darüber, dass sie zu Flüchtlingen ohne ein Zuhause geworden sind. Jede Geschichte einzigartig und neu und doch immer von den gleichen Farben der Angst und Erschöpfung unterlegt.

Ich könnte sprechen über die Kriege und Krisen, die in der Welt gerade weniger gesehen werden, Afghanistan, Sudan, Syrien, Eritrea, Myanmar, Irak, Jemen.

Und ich muss all das ja nur sehen und hören und nicht selber durchleiden. Da sollte es mir doch gut gehen, denke ich.

Aber es ist trotzdem schwierig, weil die Probleme so riesengroß sind, das man nicht mehr weiß, wo man anfangen soll, und der Klimawandel ist da, und Corona, und dann sind da ja auch immer noch die Fragen nach vielen alltäglichen Problemen, die ja auch nicht plötzlich weg sind.

Es ist zu viel. Und ich gestehe, wenn es mir zu viel wird, dann wird mein Beten wütend, und ich vergreife mich im Ton und herrsche unseren Gott an und werde laut. „Siehst Du es nicht? Wir Menschen verreißen es hier völlig, tu doch was, wo bist Du?

Und dann wünschte ich, ich könnte eine Stopptaste drücken, und alles würde innehalten, und ich könnte mich mit einem Kaffee in die Sonne setzen und den Vögeln zuhören und den Wolken zusehen und ich würde an gar nichts denken und gar nichts tun. Außer: Ein – und wieder ausatmen.

Nun, das mit der Stopptaste funktioniert nicht, aber das Innehalten, das ist wichtig. Denn dann wird mein Blick wieder klarer.

Und ich kann sie wieder sehen, die anderen Nachrichten. Und ich höre Gott antworten, der sagt, oh doch, ich war nie weg, sieh hin. Ich kann zwischen den Bildern der Flüchtenden auch wieder die Helfenden sehen, die Suppe und Getränke reichen, die Betten bauen und Transfers einrichten.

Ich kann sie sehen, die Menschen, die sich sogar in Russland immer wieder öffentlich gegen den Krieg und gegen die Regierung stellen, obwohl es lebensgefährlich ist. Menschen demonstrieren, erklären ihre Solidarität mit der Ukraine, mit ukrainischen Freunden und Verwandten. Viele hier lebende russischstämmige Menschen haben uns ihre Hilfe beim Dolmetschen zugesagt und den Krieg gegen die Ukraine scharf verurteilt.

In Moskau hat sich eine Mitarbeiterin des staatlichen Fernsehens während der Live-Nachrichten mit einem „Stop war“ Schild hinter die Sprecherin gestellt, haben Sie es gesehen? Unglaublich, was es für mutige Menschen gibt.

Syrische Migranten, die für mich häufiger bei neu ankommenden arabisch sprechenden Flüchtlingen dolmetschen, sagten die Tage zu mir, ich könne sie auch bei den Ukrainern anrufen. Sprechen können sie dann zwar nicht mit ihnen, aber sie wüssten, was Flüchtlinge hier brauchen, wenn sie neu ankommen, das bekämen sie auch ohne Sprache hin.

Ein deutscher Anrufer bei mir im Büro antwortet auf meine Frage, wie lange er die ukrainische Familie, die er bei sich beherbergt, weiter unterbringen kann, mit „Das kann ich ja nun nicht sagen, wie lange es da unten dauert“. sagt er. „Das wissen wir ja nicht. Wir kommen hier schon klar.“ Ganz undramatisch und bescheiden sagt er zu mir: „Na, rufen Sie man an, wenn Sie noch mehr Leute unterbringen müssen, ein paar kriegen wir hier schon noch unter.

Und wenn ich noch ein bisschen weiter ein und ausatme, dann sehe ich die Menschen wieder mit anderem Blick. Und kann mich wieder freuen über die Freundlichkeit der Sachbearbeiterin am Telefon. Ich ärgere mich weniger über politisch aggressive Statements, sondern freue mich über jede einzelne kluge und demonstrative Gegenstimme. Ich sehe sie wieder, die Menschen, die besonnen bleiben und ruhig und die weiter versuchen, das Beste zu geben, jeden Tag.

Und dann entschuldige ich mich für meinen Tonfall und sage, ok, Gott, tut mir leid. Es geht wieder.

Versuchen wir weiter, Teil der guten Nachrichten zu sein. Einen anderen Weg gibt es nicht.

Und Du Gott, bist da, am Abend und am Morgen, und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Theologin Heide Grünefeld, Migrationsberaterin des Diakonischen Werks Friesland-Wilhelmshaven, im Ukraine-Friedensgebet am 15. März 2022 in der Sankt Willehad-Kirche Wilhelmshaven.

Heide Grünefeld im Ukraine-Friedensgebet am 15. März 2022 in der Sankt Willehad-Kirche Wilhelmshaven.


Willkommen zum nächsten Friedensgebet in Wilhelmshaven:

  • Dienstag, 26. April 2022 | 18:00 Uhr, ökumenisches Friedensgebet anlässlich des Überfalls Russlands auf die Ukraine. Die Friedensgebete werden getragen von den Gemeinden der St. Willehad-Gemeinde, der Neuapostolischen Kirche, der Banter Kirche und der Luther-Kirche, der Caritas im Dekanat Wilhelmshaven, dem Diakonischen Werk Friesland-Wilhelmshaven und dem Rogate-Kloster Sankt Michael. Ort: St. Willehadkirche, Bremer Straße 53, 26382 Wilhelmshaven.

Gottesdienst: Willkommen zu Ostern.

Glasfenster in der Zwölf-Apostel-Kirche zu Berlin-Schöneberg

Willkommen zur Eucharistie am Ostersonntag, 17. April 2022 | 10:00 Uhr, in der Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, Berlin-Schöneberg.

Lektorendienst: Jürgen Doster. Kirchdienst: Gesine Schmithals. Orgel: Harald Klaus. Liturgie und Predigt: Br. Franziskus.

Das Evangelium des Ostersonntags: Die Frauen am leeren Grab

Als der Sabbat vorbei war, kauften Maria aus Magdala, Maria, die Mutter von Jakobus, und Salome wohlriechende Öle. Sie wollten die Totensalbung vornehmen. Ganz früh am ersten Wochentag kamen sie zum Grab. Die Sonne ging gerade auf. Unterwegs fragten sie sich: »Wer kann uns den Stein vom Grabeingang wegrollen?« Doch als sie zum Grab aufblickten, sahen sie, dass der große, schwere Stein schon weggerollt war.

Sie gingen in die Grabkammer hinein. Dort sahen sie einen jungen Mann. Er saß auf der rechten Seite und trug ein weißes Gewand. Die Frauen erschraken sehr. Aber er sagte zu ihnen: »Ihr braucht nicht zu erschrecken! Ihr sucht Jesus aus Nazaret, der gekreuzigt wurde. Gott hat ihn von den Toten auferweckt, er ist nicht hier. Seht: Hier ist die Stelle, wo sie ihn hingelegt hatten. Macht euch auf! Sagt seinen Jüngern, besonders Petrus: Jesus geht euch nach Galiläa voraus. Dort werdet ihr ihn sehen, wie er es euch gesagt hat.«

Da flohen die Frauen aus dem Grab und liefen davon. Sie zitterten vor Angst und sagten niemandem etwas, so sehr fürchteten sie sich.

Markus-Evangelium Kapitel 16, Verse 1-20, Basisübersetzung

Martin Ehlers: Wir sind nicht tatenlos. Aber, haben wir genug getan?

Es ist Krieg mitten in Europa. Mitten unter uns geschieht das Unfassbare. Russland überfällt die Ukraine. Russland zieht über Monate hinweg Truppen an der Grenze zur Ukraine zusammen. Die Warnungen sind nicht zu übersehen. Die westlichen Demokratien versuchen auf allen diplomatischen Kanälen, Putin zum Truppenabzug zu bewegen.

Ratsherr Martin Ehlers (Bild: privat)

Wir sind nicht tatenlos. Aber, haben wir genug getan?

Vier Tage nach dem Ende der Olympischen Winterspiele am 24. Februar 2022 greift Russland die Ukraine trotz aller diplomatischen Bemühungen an. Wir sind am Morgen des 24. Februar in einer Welt aufgewacht, die Putin so wollte, die wir aber nicht wahrhaben wollten. Westliche Demokratien beginnen, der Ukraine Waffen zu liefern. Panzerfäuste, Flugabwehrwaffen, Maschinengewehre, Helme, Schutzwesten und Sanitätsmaterial.

Wir sind nicht tatenlos. Aber, haben wir genug getan?

Putin droht der NATO mit nie dagewesenen Konsequenzen, wenn sie der Ukraine militärisch beisteht. Die westlichen Demokratien verhängen Sanktionen gegen Russland. Die Ukraine erhält wirtschaftliche Hilfen. Der Westen schließt aber eine militärische Beteiligung bei der Verteidigung der Ukraine kategorisch aus. Aus Angst vor Putins Drohkulisse will der Westen nicht provozieren.

Wir sind nicht tatenlos. Aber, haben wir genug getan?

Russland führt einen Krieg gegen Städte. Wohnviertel, Krankenhäuser, Schulen und die technische Infrastruktur wie Gas-, Wasser und Stromleitungen werden angegriffen. Zivile menschliche Opfer werden dabei in die Angriffe einbezogen. Die Staaten in West- und Mitteleuropa nehmen Millionen geflüchteter Ukrainerinnen und Ukrainer, darunter viele Kinder auf. Ein schier unendlich großes Engagement von Helferinnen und Helfern ist für die verzweifelten Menschen aus der Ukraine da, um ein kleines Licht in dieser Dunkelheit zu spenden.

Wir sind nicht tatenlos. Aber, haben wir genug getan?

An dieser Stelle danke ich aber ausdrücklich den vielen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Helferinnen und Helfern, die bei der Feuerwehr, dem THW, den Wohlfahrtsverbänden, der Stadt Wilhelmshaven sowie den ungezählten privaten Initiativen alles tun, um die bei strandenden Menschen aus der Ukraine aufzufangen.

Seit sechs Wochen herrscht Krieg in der Ukraine. In den vergangenen Tagen erreichen uns verstörende Bilder von ermordeten, zum Teil gefesselten Frauen, Männern und Kindern aus der Stadt Butscha. Am Straßenrand liegen Leichen, Massengräber mit Frauen, Männern und Kindern wurden entdeckt. Die westlichen Staaten erhöhen den Druck auf Russland, liefern noch mehr Waffen an die Ukrainer, weisen russische Diplomaten aus und kündigen schärfere Sanktionen an.

Wir sind nicht tatenlos. Aber, haben wir genug getan?

Russland führt einen Vernichtungskrieg. Für Putins Armee sind Zivilisten ein militärisches Ziel. Mariupol wird völkerrechtswidrig ausgehungert und bombardiert. Die Vernichtung der Ukraine ist das Ziel. Die gesamte Bandbreite von Kriegsverbrechen geschieht vor unseren Augen in Europa. Politiker der westlichen Welt sprechen davon, dass Rote Linien überschritten wurden. Die führenden Politiker aus NATO und EU treffen sich.

Wir sind nicht tatenlos. Aber, tun wir das Richtige?

Die Hoffnungslosigkeit der Menschen wird immer größer. Viele von uns haben Geld gespendet, vielleicht haben sie auch Geflohene aufgenommen oder haben versucht, einem Menschen aus der Ukraine Trost zu spenden. Wir demonstrieren zu Hunderttausenden für den Frieden und versammeln uns zu Gebeten.

Wir sind nicht tatenlos. Aber, haben wir genug getan?

Der nächste Putin wartet schon und schaut genau, wie die freie Welt in dem Kampf der Ukraine um Freiheit, Unabhängigkeit und Demokratie agiert und wo unsere Schwächen sind.

Wir brauchen jetzt Mut, unser Land auf große Kraftanstrengungen vorzubereiten. Was muss noch passieren, dass wir aus unserer Komfortzone herauskommen.

Vor diesem Hintergrund ist ein von mir in Bezug auf die Ukraine abgewandeltes Zitat von Ernst Reuter aus dem Jahre 1948 zum Zeitpunkt der Berlinblockade durch die Sowjetunion in den Sinn gekommen: „Ihr Völker der Welt schaut auf dieses Land und schaut auf dieses Volk und erkennt, dass ihr dieses Land und dieses Volk nicht preisgeben könnt und nicht preisgeben dürft.“ Damit rief er der freien Welt zu, ihr dürft uns nicht im Stich lassen! Die Ukraine braucht jede Unterstützung, die die Gemeinschaft der freien und demokratischen Staaten leisten kann. Die Menschen brauchen die Unterstützung, die jeder einzelne von uns leisten kann. Wir dürfen die Ukraine nicht im Stich lassen.

Das gilt heute, das galt aber schon vor sechs Wochen und das gilt auch in Zukunft. Das unermessliche Leid der Ukraine mahnt uns.

Wir sind nicht tatenlos. Aber, tun wir genug? Ich bin nicht tatenlos. Aber, tue ich genug?

Martin Ehlers, Ratsherr und Vorsitzender der CDU Wilhelmshaven, am 5. April 2022 im ökumenischen Friedensgebet anlässlich des Überfalls Russlands auf die Ukraine in der Sankt Willehadkirche zu Wilhelmshaven.

Die nächsten geplanten Rogate-Gottesdienste in Jever, Wilhelmshaven und Berln:

Jever, Friesland.

Wilhelmshaven, Niedersachsen.

  • Karwoche, Dienstag, 12. April 2022 | 18:00 Uhr, ökumenisches Friedensgebet anlässlich des Überfalls Russlands auf die Ukraine. emeindeglieder der Kirche St. Maria und St. Mauritius (Koptisch-orthodoxe Gemeinde) singen eine Friedensbitte. Die Friedensgebete werden getragen von den Gemeinden der St. Willehad-Gemeinde, der Neuapostolischen Kirche, der Banter Kirche und der Luther-Kirche, der Caritas im Dekanat Wilhelmshaven, dem Diakonischen Werk Friesland-Wilhelmshaven und dem Rogate-Kloster Sankt Michael. Ort: St. Willehadkirche, Bremer Straße 53, 26382 Wilhelmshaven.

Berlin, Schöneberg.

  • Ostersonntag, 17. April 2022 | 10:00 Uhr, Eucharistie. Predigt: Br. Franziskus. Lektorendienst: Jürgen Doster. Kirchdienst: Gesine Schmithals. Orgel: Harald Klaus. Ort: Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, Berlin-Schöneberg.
  • Sonntag Rogate, 22. Mai 2022 | 10:00 Uhr, Eucharistie. Orgel: Martin Küster. Lektor: Jürgen Doster. Kirchdienst: Jörg Freudenberg. Liturgie und Predigt: Br. Franziskus. Ort: Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, Berlin-Schöneberg.

Heide Grünefeld: Wir werden Kraft brauchen.

Großer Gott. Die Nachrichten fluten in unsere Wohnungen und in unsere Gedanken. Worte wie Invasion, Angriff, Raketen, Bomben, Flucht, Angst. Was für die einen kaum vorstellbar ist, ist für andere viel zu gut vorstellbar.

Heide Grünefeld (Bild: privat)

Die Menschen, die den 2. Weltkrieg hier noch erlebt haben, aber auch diejenigen, die zu uns geflohen sind vor anderen Kriegen, sehen in den täglichen Fernsehbildern ihre eigene Geschichte.

Viele Menschen sind in den letzten Jahren zu uns geflohen, aus Afghanistan, Irak, Syrien, Eritrea und vielen anderen Ländern. In ihren Ländern herrschte Gewalt, Terror, Chaos.

Die Angst und die Verzweiflung trieb sie von zuhause fort, nach Europa, dem sicheren, stabilen, reichen Europa. Dem Europa, das niemand mit Krieg und dem Elend vieler anderer Länder in Verbindung bringt. Einem Europa, in dem wir uns sicher wähnten. In dem wir Frieden und Gerechtigkeit, einklagbare Rechte und eine sichere Grundversorgung als selbstverständlich erachten. Einem Europa, in dem wir politische Spannungen und Auseinandersetzungen mit Sorge, aber mit dem festen Glauben an Diplomatie und Verhandlungen beobachten.

Und plötzlich ist Krieg, keine zwei Flugstunden von uns entfernt. Und die Bilder des Krieges sind Bilder, wie sie in jedem Krieg, in jedem Land, zu jeder Zeit zu sehen sind. Menschen, die fliehen, vor Gewalt und Waffen. Menschen, die verzweifelt sind, die Angst haben, die sich um Angehörige und Freunde sorgen, die dem Tod bereits begegnet sind. Und es ist letzten Endes egal, ob wir Bilder von 1940 oder 2022 sehen, ob es Bilder aus Deutschland, aus Afghanistan, aus Syrien oder aus der Ukraine sind. Das Leid und die Angst der Menschen sind immer dieselben. Und der Machthunger der Regierenden auch.

Die Menschen, die zu uns gekommen sind, als Flüchtlinge, um in Deutschland ein sicheres Zuhause zu finden, hatten gehofft, diese Bilder hier nicht mehr sehen zu müssen. Nun sind sie angespannt, hochgefahren, voller Schrecken. Sie kennen den Krieg. Sie wissen um seine Grausamkeit, sie wissen um die Gefährlichkeit von Raketen und Bomben, sie wissen, wie es ist, zu hungern und zu fliehen. Und sie wissen, dass die Verlierer stets die normalen Menschen sind.

Eine Syrerin sagte vor wenigen Tagen zu mir: „Diese Bilder im Fernsehen, ich kann sie nicht mehr sehen. Ich wollte sie nie wiedersehen, nicht hier. Ich bin kann nicht mehr, ich kann das nicht nochmal. Der Krieg darf nicht hierherkommen. Ich bin zu müde für einen neuen Krieg.

Ein anderer Syrer sagte: „Wieder Putin. Wir haben seinen Namen fürchten gelernt, als er das syrische Regime unterstützt hat. Und jetzt ist er wieder auf allen Bildschirmen. Ich wünschte, ich müsste seinen Namen nie wieder hören.

Ein Bekannter mit ukrainischer Familie sagt: „Mein Bruder ist geflohen. Er ist unterwegs. Ich weiss nicht, wo er ist. Grosser Gott. Es ist sehr schwer.

Ein eritreischer Flüchtling sagte mir: „Die Menschen sind so schlimm. Überall auf der Welt. Ich kann nicht mehr an das Gute glauben. Überall Tod und Waffen.

Großer Gott. Wir werden Kraft brauchen. Kraft, um die zu stützen, deren Wunden wieder aufbrechen, weil ein neuer Krieg so nahe ist. Kraft, um neue Menschen aufzunehmen und ihnen eine Heimat zu geben.

Kraft, um den Glauben an Diplomatie und Frieden nicht zu verlieren. Kraft, um neben der Klimakrise und der Corona–Pandemie eine neue, furchterregende Aufgabe anzugehen.

Ich habe keinen Krieg erlebt. Ich bin sicher und behütet aufgewachsen. Aber die Menschen, die vor anderen Kriegen hierher geflohen sind, haben mich gelehrt, wie sehr ich den Krieg fürchten muss und wie sehr ich unsere Freiheit und Demokratie schätzen und verteidigen muss.

Grosser Gott, ich will glauben, dass Du bei uns bist. Ich will glauben, dass Du bei denen bist, die fliehen, und bei denen, die die Nachrichten nicht mehr ertragen. Ich will glauben, dass Du bei denen bist, die weltweit demonstrieren und sich für den Frieden erheben. Ich will glauben, dass diejenigen, die Spenden sammeln, Hilfe anbieten und dem Nächsten die Hand reichen die Mehrheit sind. Ich will glauben, dass Du bei uns bist, alle Tage, bis an der Welt Ende.

Theologin Heide Grünefeld, Migrationsberaterin des Diakonischen Werks Friesland-Wilhelmshaven, im Ukraine-Friedensgebet am 1. März 2022 in der Sankt Willehad-Kirche Wilhelmshaven.

Hörbar: Die Ansprache von Heide Grünefeld im ökumenischen Friedensgebet am 1. März 2022 in der St. Willehad-Kirche zu Wilhelmshaven.


Die nächsten geplanten Rogate-Gottesdienste in Jever, Wilhelmshaven und Berln:

Jever, Friesland.

Wilhelmshaven, Niedersachsen.

  • Dienstag, 12. April 2022 | 18:00 Uhr, ökumenisches Friedensgebet anlässlich des Überfalls Russlands auf die Ukraine. emeindeglieder der Kirche St. Maria und St. Mauritius (Koptisch-orthodoxe Gemeinde) singen eine Friedensbitte. Die Friedensgebete werden getragen von den Gemeinden der St. Willehad-Gemeinde, der Neuapostolischen Kirche, der Banter Kirche und der Luther-Kirche, der Caritas im Dekanat Wilhelmshaven, dem Diakonischen Werk Friesland-Wilhelmshaven und dem Rogate-Kloster Sankt Michael. Ort: St. Willehadkirche, Bremer Straße 53, 26382 Wilhelmshaven.

Berlin, Schöneberg.

  • Ostersonntag, 17. April 2022 | 10:00 Uhr, Eucharistie. Predigt: Br. Franziskus. Lektorendienst: Jürgen Doster. Kirchdienst: Gesine Schmithals. Orgel: Harald Klaus. Ort: Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, Berlin-Schöneberg.

Jever: Ökumenisches Friedensgebet für die Ukraine und letzte Klimakanzel am Donnerstag.

Am Donnerstag, 7. April, endet die ökumenische Reihe „Klimakanzel“ und die Ukraine-Friedensgebete des Demokratieprojektes „FrieslandVisionen“. Beginn ist um 19:30 Uhr in der Stadtkirche, Am Kirchplatz, 26441 Jever. Pastorin Katrin Jansen (Stadtkirche Jever) und Br. Franziskus (Rogate-Kloster) leiten die Liturgie. Marvin Zibell wird Klavier spielen.

Fritz Santjer (Bild: privat)

Impulsgeber an desem Abend ist Fritz Santjer. Er erinnert in seiner Ansprache an die vielen Heruausforderungen, die die Menschheit derzeit beschäftigen: „Wir haben nicht nur eine Klimakrise, wir haben ganz viele Krisen. Wir haben eine Pandemie, wir verpesten unsere Luft, vergiften unsere Böden und unsere Meere, unsere Erde versinkt im Plastikmüll, unsere Natur erlebt ein Artensterben und wir haben Krieg. Alles hängt zusammen und ist menschengemacht. Wir dürfen einzelne Krisen nicht isoliert betrachten. Wenn wir uns, unsere Kinder und Enkelkinder, das Leben und die Natur auf unserer Erde retten wollen, müssen wir diese Krisen alle zusammen und ganzheitlich lösen. Wir brauchen technologische Lösungen, aber auch einen Wertewandel und eine Änderung unserer Lebensgewohnheiten.“

Santjer ist im Rheiderland in Ostfriesland geboren und aufgewachsen. An der Universität in Siegen studierte er Elektrotechnik. Seit über 30 Jahren ist er beruflich im Bereich der erneuerbaren Energien tätig und setzt sich für die Energiewende ein, hat nationale und internationale Forschungsprojekte durchgeführt und leitet ein deutsches Richtliniengremium zur Netzanbindung von Energieerzeugern. Vor drei Jahren hat er zusammen mit anderen Wissenschafter*innen aus der Region die Regionalgruppe Wilhelmshaven-Friesland der Scientist for Future (S4F) gegründet und leitet diese seit dieser Zeit. S4F ist ein überparteilicher und überinstitutioneller Zusammenschluss von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich für eine nachhaltige Zukunft engagieren.

Die Klimakanzel ist das Gottesdienstformat der „FrieslandVisionen: Wie wollen wir morgen leben?“, dem Demokratie-Projekt des Rogate-Klosters für die Region Friesland. Es wird aus Bundesmitteln (Programm MITEINANDER REDEN für den ländlichen Raum) gefördert. 

Astrid Zaage: Die Welt ist zusammengerückt.

Frieden in Europa, bis vor einer Woche war dies für uns eine Selbstverständlichkeit, aber wir alle mussten mit Entsetzen feststellen, dass ein einziger machtgieriger Despot ausreicht, um unser Weltbild auf den Kopf zu stellen.

Bürgermeisterin Astrid Zaage (Wilhelmshaven) im ökumenischen Friedensgebet am 1. März 2022 (Bild: Screenshot Youtube-Kanal der Sankt Willehad-Gemeinde)

Krieg in Europa ist seit fünf Tagen eine Gewissheit, die für uns alle unfassbar ist. Unsere Gedanken sind bei den mutigen Menschen, bei den Frauen, Männern und jungen Erwachsenen die sich mutig der russischen Armee entgegenstellen und Frieden, Freiheit und Demokratie zu verteidigen. Menschen, die entschlossen für ihre Rechte kämpfen und sich verbittert gegen Unterdrückung und Machtherrschaft wehren.

Unsere Gebete gelten den Vätern, Müttern und Kinder, die in einen Angriffskrieg Putins hineingezogen wurden, wobei sie nur in Frieden leben wollten.

Das größte Land in Europa wird durch Granaten in Schutt und Asche gelegt. All das was die Menschen sich in Generationen aufgebaut haben, ist über Nacht verschwunden. Menschen verlieren ihr Leben in einem völlig sinnlosen Krieg. Es gibt keine Rechtfertigung für einen Krieg, im 21 Jahrhundert müssen Konflikte durch Diplomatie und niemals durch Waffen gelöst werden. 

Aber die Welt hat sich erhoben, und in einer beispiellosen Protestwelle wird rund um den Erdball für Frieden, Freiheit und ein Ende des Krieges in Europa demonstriert.

Die Welt ist zusammengerückt und steht Schulter an Schulter mit der Bevölkerung der Ukraine. Länder wie zum Beispiel Polen und Ungarn, die sich immer strikt geweigert haben, Flüchtlinge aufzunehmen, stehen jetzt an Ihren Landesgrenzen und empfangen die Geflüchteten mit offenen Armen.

Auch wir hier in unserer Stadt sind bereit, wir haben Platz und werden allen helfen, wo wir nur können.  

Der Krieg muss beendet werden sofort, Herr Putin ziehen sie Ihre Armee zurück, und lassen Sie die Menschen in Europa wieder in Frieden und Freiheit leben.

Bürgermeisterin Astrid Zaage (Wilhelmshaven) am 1. März 2022 im ökumenischen Friedensgebet in der Sankt Willehad-Kirche zu Wilhelmshaven. Die Friedensgebete werden getragen von den Gemeinden der St. Willehad-Gemeinde, der Neuapostolischen Kirche, der Banter Kirche und der Luther-Kirche, der Caritas im Dekanat Wilhelmshaven, dem Diakonischen Werk Friesland-Wilhelmshaven und dem Rogate-Kloster Sankt Michael.
Bürgermeisterin Astrid Zaage (Wilhelmshaven) am 1. März 2022 im ökumenischen Friedensgebet

Die nächsten Rogate-Gottesdienste und Gebete:

Wilhelmshaven, Niedersachsen.

  • Dienstag, 5. April 2022 | 18:00 Uhr, ökumenisches Friedensgebet anlässlich des Überfalls Russlands auf die Ukraine. Intervention: Ratsherr Martin Ehlers (CDU Wilhelmshaven). Liturgie: Pastor Frank Moritz (Banter Kirche), Kaplan George Thomas (Sankt Willehad), Monika Stamm (Caritas) und Br. Franziskus (Rogate-Kloster). Diakon Dr. Roushdy Tadros Michael und ein Gemeindechor von St. Maria und St. Mauritius (Koptisch-orthodoxe Kirchengemeinde) singen eine Friedensbitte. Die Friedensgebete werden getragen von den Gemeinden der St. Willehad-Gemeinde, der Neuapostolischen Kirche, der Banter Kirche und der Luther-Kirche, der Caritas im Dekanat Wilhelmshaven, dem Diakonischen Werk Friesland-Wilhelmshaven und dem Rogate-Kloster Sankt Michael. Ort: St. Willehadkirche, Bremer Straße 53, 26382 Wilhelmshaven.

Jever, Friesland. Termine des Demokratieprojektes „FrieslandVisionen: Wie wollen wir morgen leben?“

Berlin, Schöneberg.

  • Ostersonntag, 17. April 2022 | 10:00 Uhr, Eucharistie. Predigt: Br. Franziskus. Lektorendienst: Jürgen Doster. Kirchdienst: Gesine Schmithals. Orgel: Harald Klaus. Ort: Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, Berlin-Schöneberg.