Rainer Ewald: „Gott wird da sein, was auch immer geschehen mag“

„Nichts ist mehr so, wie es mal war“, äußerten sich Medien und Politiker nach dem 24. Februar 2022 als russische Truppen auf Befehl Putins in die Ukraine einmarschierten und seitdem dort Tod und Verwüstungen brachten. Niemand im Westen hatte bis dahin das für möglich gehalten. Von einer Zeitenwende wurde gesprochen. Was hat sich denn nun für uns geändert?

In der Banter Kirche Wilhelmshaven hielt Pastor i.R. Rainer Ewald die hier dokumentierte Predigt.

Wir merken es vor allem erst mal im Portemonnaie. Energie ist sehr viel teurer geworden und in dem Gefolge alle anderen Güter des täglichen Lebens, eine Inflation wie seit langem nicht mehr. Viele Menschen haben Angst, oder? Reden sie sich das ein? Gibt es nicht schon konkrete Pläne zur Entlastung unserer Haushaltskasse? Angst haben müssen die Menschen in der Ukraine vor Bomben, Raketen, Panzern, Gewehrkugeln, Terror, Verschleppung und Vergewaltigungen. Sie brauchen unsere Solidarität.

Angst. Angst müssen wir vor allem vor der Doktrin der jetzigen russischen Regierung haben, man fühle sich durch die Nähe westlich geprägter Gesellschaftsordnungen, einschließlich einer Mitgliedschaft in EU und Nato, bedroht und habe darum eine strategische Berechtigung, militärisch gegen Nachbarn vorzugehen. Das nämlich bedroht uns in der logischen Folge selbst, davor sollten wir uns wirklich fürchten. Wenn Putin damit durchkommt, dann gibt es einen Dominoeffekt für alle Staaten Osteuropas und im weiteren auch für Deutschland. Und darum muss man den Kampf der Ukrainer gegen ihre Besatzer mit allen Mitteln unterstützen, es geht nämlich auch um uns.

Das hat sich geändert. Keine Rede mehr von einer friedlicheren und sicheren Welt nach dem Ende des kalten Krieges. Und die alten Argumente der Friedensbewegung greifen nicht mehr, so scheint es jedenfalls. Ob sie wirklich alle nicht mehr greifen, ist ja noch nicht raus. Aber hat sich darum wirklich alles geändert? Gilt nichts mehr, was vorher galt? Alles für die Mülltonne? Es wird so viel behauptet, so viel vorhergesagt! Vieles wird nicht zu halten sein. Vieles wird vielleicht später bereut werden.

Eines aber weiß ich genau: Die Zehn Gebote bleiben. Ganz bestimmt und wenn auch noch viel Schlimmeres passiert, daran wird nichts geändert. Gott hat sie uns gegeben. Gott, dessen Name Jahwe ist. Das heißt: „Ich werde da sein.“ Gott wird da sein. Das steht fest. Und das bleibt auch fest. Was auch immer geschehen mag. Gott fällt nicht unter die Änderungen, die jetzt die Welt erfährt.

Er wird da sein. Nicht, dass er da war, wenn wir es glauben. Nicht, dass er da ist, wenn wir es glauben. Nein, dass er da sein wird über alle Zeit der Welt und noch darüber hinaus ob es die Menschen glauben oder nicht. Das steht fest. So wurde es einst Mose versprochen. Das erste Mal, als er in der Wüste vor dem brennenden Dornbusch stand. Und sicherlich nicht das letzte Mal, als er am Berg Sinai die Gebote empfing. Du die fingen eben immer mit diesem Satz an: „Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe.“

Und so ist es auch uns versprochen, die wir am Beginn einer neuen Zeit zu stehen scheinen, die doch aber im Angesichtes dessen der immer da sein wird, doch nur eine Minute sein kann, ein kurzer Moment der Veränderung der Atmosphäre auf dieser Welt. Wir aber fragen, wo bitte gelten die Gebote Gottes noch? Wie oft werden schon die Gesetze, die sich die Menschen selber gegeben haben, missachtet, geschweige denn die Gebote Gottes? Gottes Gebote haben aber deswegen noch lange nicht ihre Gültigkeit verloren. Sie bleiben bestehen.

Was die Menschen auch tun werden, sozusagen im Hintergrund, werden sie sich immer von den Zehn Geboten befragen lassen müssen. Sie sind – so möchte ich es mal sagen – ein Teil unseres Gewissen, ja sogar des Weltgewissens. Der Katalog, oder die Checkliste, nach der wir unser Tun immer wieder überprüfen, durchchecken werden. Ein Putin ebenso, der ja offensichtlich sich neuerdings als orthodoxen Christen geriert, wie auch Präsident Selenski oder Herr Scholz oder Herr Biden und wie wir alle. Die Zehn Gebote sind nämlich keine Besonderheit der jüdischen und christlichen Religion. Sie gelten weltweit.

Da mag es nun auch mal sein, dass sich keiner mehr an sie zu halten scheint. Das liegt dann aber nicht an den Zehn Geboten, sondern an uns Menschen. Damit aber stehen wir auf dem Prüfstand, dann müssen wir Menschen uns fragen lassen, was läuft eigentlich schief auf dieser Welt. Die Zehn Gebote werden niemals auf dem Prüfstand stehen. Sie bleiben, wie sie vorher waren. Sie bleiben, wie sie immer waren und immer sein werden. Für sie gibt es keine Verfassungsänderung.

Ist das nicht irgendwie erleichternd und auch befreiend? Befreiend zumindest von all den Ängsten, die einem dieser Tage überkommen wollen. Gott sei Dank, wir haben noch eine Richtschnur und eine Leitlinie, nach der wir leben können. Nicht Alles ist anderes geworden. Mir jedenfalls geht es so, wenn ich mir das einmal so deutlich mache. Davon, dass die Gebote Gottes befreien können sagt uns schon der alte Text, den wir heute lesen, etwas: „Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe.

Gott will uns befreien, aus der Knechtschaft, dass heißt aus Zwang und Unterdrückung. Seit Mose galten die Gebote für das Volk Israel als Sinnbild für die Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten. Seit Jesus Christus gelten sie für uns alle als Sinnbild der Befreiung aus allerlei Knechtschaft, unter die wir geraten könnten. Denn Jesus löste die Gebote nicht auf. Er sagte: „Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz.“ (Matthäus-Evangelium 5,18). Gleichzeitig hat er uns aber befreit, denn er wies uns einen Weg, wie wir von Schuld befreit werden und immer wieder unseren Frieden finden können mit Gott und seinen Geboten.

So schwer es auch zu sagen ist, die Zehn Gebote könnten für uns gerade jetzt helfen, wo wir dabei sind, einen Kampf zwischen Gut und Böse zu kämpfen. Ein Kampf, von dem wir überhaupt nicht wissen, wie er denn wohl ausgehen wird, und ob er denn wirklich helfen wird, die Gefahren, in denen wir uns befinden, auszuschalten. Und welchen Preis wir am Ende zahlen müssen.

Darum, die Zehn Gebote können uns Richtschnur und Orientierung sein, bei allem berechtigten Kampf gegen Terror und Unterdrückung gegen Diktatoren und Autokraten Mensch zu bleiben, in Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Gottesfurcht. Gott helfe uns durch seine Gebote, den richtigen Weg zu finden. Denn nur durch sie werden wir mit allen unseren Nachbarn und Mitmenschen letztlich einen Frieden in Gerechtigkeit finden.

Pastor i.R. Rainer Ewald, Predigt am 16. Oktober 2022 in der Banter Kirche zu Wilhelmshaven

Terminhinweis:

Friedensgebet anlässlich der Russlandkrise am Dienstag in der Sankt Willehad-Kirche

Die Gemeinden der St. Willehad-, der Neuapostolischen, der Banter und der Luther-Kirche sowie die Caritas im Dekanat Wilhelmshaven, das Diakonische Werk Friesland-Wilhelmshaven und das Rogate-Kloster Sankt Michael laden am Dienstag, 25. Oktober 2022, 18:00 Uhr, zum monatlichen ökumenischen Friedensgebet anlässlich des Überfalls Russlands auf die Ukraine ein. Die Andacht wird über den Youtube-Kanal der Sankt-Willehad-Gemeinde live gestreamt.

Heidi Heidler: Unser kleiner Beitrag zur Integration Geflüchteter

Flüchtlinge! Leute! Lauter Leute, die wir nicht kennen! Leute? Nein! Menschen! Menschen, die bei uns Schutz suchend eingetroffen sind, nach Angriffen auf ihr Leben, aus dem Luftschutzkeller, auf der Flucht, mit wenigen Habseligkeiten, verzweifelt, heimatlos!  Sie haben eine Zuflucht gefunden, hier bei uns, wo sie in Sicherheit sind, und sie „wohnen“ zum Beispiel in der alten Schule Peterstraße, Wilhelmshaven-Bant.

Heidi Heidler (Mitte) vor der Sankt Willehad-Kirche Wilhelmshaven nach der Intervention.

Damit sie bei uns in Ruhe und Geborgenheit leben und sich ein wenig auskennen, müssen und wollen sie unsere Sprache lernen. Dabei helfen wir ihnen in unserem Sprachkurs bei der Banter Kirche. Wir, das sind mein Team und ich. Jeden Montag treffen wir uns zum Unterricht in zwei Kursen, der Andrang ist groß!  Es kommen bis zu 20 Menschen, mal mehr, mal weniger. Und deren und auch unsere Motivation ist groß! Jede Stunde beginnen wir in lockerer Atmosphäre mit dem Lied: “Wi seggt Moin, Moin!“.

Unsere Themen, die wir bearbeiten, ergeben sich aus dem Alltag, wie zum Beispiel (Wörter für) Körperteile, Kleidung, Lebensmittel, Uhrzeiten, Farben, Jahreszeiten, auch die Grammatik kommt nicht zu kurz, Artikel,  Pluralbildung, Beugung von Verben, Adjektive, die Fälle…. Die Arbeitsblätter sind einfach und mit vielen Bildern, oft selbst gezeichnet, versehen, die Übungen erklären sich selbst. So haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gleich Erfolg und Freude beim Lernen.

Auch der Spaß wird nicht vergessen, und es wird im Unterricht sogar gelacht! Am Schluss jeder Stunde singen wir: „Wann und wo, sehen wir uns wieder und sind froh?!“, und das sogar im Kanon!

Schön, wenn diese Menschen, das Lied summend, unseren Deutschkurs verlassen und das auch auf der Straße noch zu hören ist! Wir freuen uns, dass wir durch unser Tun einen kleinen Beitrag zur Integration der Geflüchteten leisten können. Ihre Dankbarkeit, Herzlichkeit, aber auch manche Tränen dieser Menschen erfüllen uns mit Demut. Uns geht es gut. Wir sind dankbar, dass wir diese Menschen kennenlernen und ihnen helfen dürfen, ihr Schicksal berührt uns und bereichert zugleich unser eigenes Leben! Und dafür danken wir Gott.

Intervention von Heidi Heidler, Freiwillige in der Banter Kirche Wilhelmshaven, in der Sankt WIllehad-Kirche, im ökumenischen Friedensgebet am Dienstag, 30. August 2022,

Terminhinweis: Friedensgebet anlässlich der Russlandkrise am Dienstag in der Sankt Willehad-Kirche

Die Gemeinden der St. Willehad-, der Neuapostolischen, der Banter und der Luther-Kirche sowie die Caritas im Dekanat Wilhelmshaven, das Diakonische Werk Friesland-Wilhelmshaven und das Rogate-Kloster Sankt Michael laden am Dienstag, 25. Oktober 2022, 18:00 Uhr, zum monatlichen ökumenischen Friedensgebet anlässlich des Überfalls Russlands auf die Ukraine ein. Die Andacht wird auf dem Youtube-Kanal der Sankt-Willehad-Gemeinde live gestreamt.

Frank Moritz: Fallen wir nicht auf Putins Propaganda rein!

Der Überfall Putins auf die Ukraine verleitet zu einem Schwarz-Weiß-Denken. Kein Wunder, jeder Krieg provoziert das Freund-Feind-Schema. Vorsicht Falle! Wir sollten es uns nicht zu einfach machen und etwa alle Menschen mit russischem Hintergrund vorschnell einzuordnen und zu verurteilen.

Pastor Frank Moritz (Bild: Banter Kirche Wilhelmshaven)

Eine Konfirmandin hat mich auf unserer letzten Konfirmandenfreizeit zum Nachdenken gebracht. Wir hatten eine kleine Olympiade mit verschiedenen Spielen organisiert. Dafür sollten sich jeweils Teams mit vier Mitgliedern zusammenfinden. Eine Aufgabe war es auch, ein Wappen für das eigene Team zu malen. Die Konfirmandin, die ich vor Augen habe, malte für ihr Wappen eine russische und eine deutsche Fahne. Dazu zwei Hände, die miteinander verschränkt waren. Sie erklärte ihr Bild mit den Worten: „Wir sind in unserem Team je zwei Kinder, die in Deutschland und die in Russland geboren sind. Ich will, dass wir Freunde sind.“ Ihre Äußerung hat mich bewegt, denn ich habe mich gefragt, was sie denn wohl zu dieser Aussage veranlasst hat.

Die Kleine stammt aus einer russlanddeutschen Familie aus der sibirischen Großstadt Omsk und ist mit ihren Eltern und ihren Großeltern vor acht Jahren nach Deutschland gekommen.

Wir haben in unserer Banter Kirchengemeinde seit dreißig Jahren viele Kontakte zu russlanddeutschen Familien. So habe ich auch viel über das Schicksal dieser Menschen erfahren. Während des Zweiten Weltkriegs wurden sie von Stalin zu Feinden erklärt, nur weil sie Deutsche waren. Sie wurden aus ihrer angestammten Heimat an der Wolga oder in der Ukraine weit in den Osten deportiert. Unter den unwürdigen Verhältnissen sind unzählige Menschen umgekommen. Einige mussten damals in Erdlöchern hausen, um zu überleben. Man zwang die Menschen in die sogenannte Trudarmee, wo sie Zwangsarbeit leisten mussten. Alle standen unter der ständigen Kommandatur, d.h. sie durften ihren Ort in der Regel nicht verlassen. Jeder beschimpfte sie als „Fritzen“ und „Faschisten“ Erst nach Stalins Tod war es ihnen möglich, etwa nach Kasachstan umzusiedeln, um sich endlich ein eigenes Leben aufzubauen.

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ergab sich die Möglichkeit, in das Land der Vorfahren, nach Deutschland zurückzukehren. Doch wurde man in Russland als „Deutsche“ beschimpft, folgte hier oft das Gegenteil, man bezeichnete sie als „Russen“. Doch die insgesamt ca. 2,5 Millionen Russlanddeutschen bewiesen eine große Bereitschaft, sich in unsere Gesellschaft zu integrieren und es ist den meisten in wenigen Jahren auch gut gelungen. Wie bei jeder Einwanderungsgruppe gab es sicher auch hier Menschen, denen die Eingewöhnung schwerer fiel und die auch mit der deutschen Sprache nicht so gut zurechtkamen. So kam es, dass einige nur russische Medien konsumierten und daher auch Putins Ideologie aufgesessen sind.

Doch bitte bitte setzen wir nicht alle gleich!

Wir versammeln uns hier, um gemeinsam für den Frieden in der Ukraine zu beten. Putin hat das Interesse, unsere Gesellschaft zu spalten. Fallen wir nicht auf seine Propaganda herein, betrachten wir unsere Russlanddeutschen als die, die sie sind, unsere Nachbarinnen und Nachbarn, unsere Kolleginnen und Kollegen, ja und auch unsere Freundinnen und Freunde.

Ihre Familien haben viel durchgemacht und auf sich genommen und sich mit großem Einsatz in unsere Gesellschaft eingebracht, um mit uns gemeinsam als Deutsche zu leben.

Ein Beispiel aus unserer Gemeinde kommt mir vor Augen. Damals, Anfang der Neunziger Jahre, haben wir in unsere Kleiderkammer für die neu Eingewanderten geöffnet. Heute sind wir für die Ukrainerinnen und Ukrainer da und es ist von Bedeutung, dass wir unter den Ehrenamtlichen in der Kleiderkammer auch zwei russlanddeutsche Frauen haben. Wie gut, denn nicht alle Ukrainerinnen sprechen Englisch oder gar Deutsch. Russisch verstehen aber alle.

„Ich will, dass wir Freunde sind“, sagte die Konfirmandin, die einst mit ihrer Familie aus Omsk nach Deutschland gekommen ist. Ich habe ihren Worten nichts hinzuzufügen.

Intervention von Pastor Frank Moritz; Banter Kirche Wilhelmshaven, im ökumenischen Friedensgebet am Dienstag, 26. Juli 2022, in der Sankt WIllehad-Kirche. Zu den Friedensandachten wird seit Kriegsbeginn im Februar von den Gemeinden der St. Willehad-Gemeinde, der Neuapostolischen Kirche, der Banter Kirche und der Luther-Kirche, der Caritas im Dekanat Wilhelmshaven, dem Diakonischen Werk Friesland-Wilhelmshaven und dem Rogate-Kloster Sankt Michael eingeladen.

Willkommen zu den nächsten Rogate-Gottesdiensten und -Terminen in Berlin und Wilhelmshaven:

  • Sonntag 31. Juli 2022 | 10:00 Uhr, Eucharistie. Liturgie und Predigt: Br. Franziskus. Organist: Gabriel Pech. Lektor: Jürgen Doster. Kirchdienst: Gesine Schmithals. Ort: Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, Berlin-Schöneberg.
  • Dienstag, 9. August 2022 | 19:00 Uhr. Vesper, das Abendgebet. Orgel: Malte Mevissen. Ort: Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, Berlin-Schöneberg.
  • Dienstag, 9. August 2022 | 20:00 Uhr. (Mitgliederöffentliche) Mitgliederversammlung Rogate-Kloster Sankt Michael zu Berlin e.V.. Ort: Pfarrhaus, Garten, An der Apostelkirche 3, Berlin-Schöneberg.
  • Donnerstag, 11. August 2022 | 19:30 Uhr. Komplet, das Nachtgebet. Orgel: Felicitas Eickelberg. Ort: Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, Berlin-Schöneberg.
  • Donnerstag, 11. August 2022 | 20:00 Uhr. (Mitgliederöffentliche) Mitgliederversammlung Förderverein Rogate-Kloster Sankt Michael zu Berlin e.V.. Ort: Pfarrhaus, Pfarrgarten, An der Apostelkirche 3, Berlin-Schöneberg.
  • Dienstag, 30. August 2022 | 18:00 Uhr, ökumenisches Friedensgebet anlässlich des Überfalls Russlands auf die Ukraine. Ort: St. Willehadkirche, Bremer Straße 53, 26382 Wilhelmshaven.
Bezirksevangelist Eike Rosentreter (von links), Lektorin Susanne Klenk, Pastoralreferentin Daniela Surmann, Bianca Bolle, Bürgermeisterin Gesche Marxfeld, Bruder Franziskus und Pastor Frank Moritz nach dem Friedensgebet am 26. Juli 2022 vor der Sankt WIllehad-Kirche (Bild: Klenk).

IDAHOBIT 2022: Intervention von Christopher Schreiber (LSVD Berlin-Brandenburg)

Üblicherweise beginnt eine Ansprache mit den Anreden. Entsprechend lang wäre die Liste der Personen, die ich heute besonders grüßen möchte, allen voran Bruder Franziskus vom Rogate-Kloster, der diesen einzigartigen Gottesdienst ins Leben gerufen hat. Mit Blick auf die vielen wichtigen Wortbeiträge und die Predigt, die noch folgen werden, möchte ich diesen Teil jedoch abkürzen und habe mich also auf die Suche nach einer Anrede gemacht, mit der sich möglichst alle von Ihnen angesprochen fühlen. Die Suche war – meine ich – erfolgreich und so möchte ich Sie alle nun grüßen mit den Worten: Liebe Gemeinde!

Christopher Schreiber (Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg – Bild: Rogate-Kloster)

Gemeinde – interessanterweise ein Wort, dass nicht nur im kirchlichen Bereich eine besondere Bedeutung hat, sondern auch für die queere Community. Immerhin lässt sich Community ins Deutsche nicht nur mit Gemeinschaft, sondern auch mit Gemeinde übersetzen. Und trotzdem scheint es so, dass sich mit der queeren Gemeinde und der kirchlichen Gemeinde oft zwei völlig verschiedene Welten gegenüberstehen.

Die Frage steht im Raum, wer gehört zur Gemeinde, wer darf zur Gemeinde gehören? Wer darf zur Bremer St. Martini Gemeinde gehören, wenn deren Pastor im Gemeindebrief seinen Hass über queere Menschen ausschüttet? Was versteht die katholische Glaubenskongregation unter Gemeinde, wenn sie die christliche Gemeinschaft dazu aufruft, Menschen mit homosexuellen Neigungen zu respektieren? Für mich hört sich das so an, als gehörten queere Menschen nicht zur christlichen Gemeinde dazu – als stünden sie ihr vielmehr gegenüber.

Auf die Frage, wer zur Gemeinde gehört und wer nicht, gibt es mindestens zwei Antworten.

Die erste ist eine theologische Antwort. Die kann ich Ihnen heute leider nicht geben, weil ich kein Theologe bin. Umso mehr bin ich dankbar, dass es in der katholischen und evangelischen Kirche Menschen gibt, die Verantwortung für ihre queeren Glaubensgeschwister übernehmen, indem sie in kirchlichen Gremien um theologische Antworten ringen. Zumindest unter deutschen Theolog*innen scheint sich dabei die Position durchzusetzen, dass die Behauptung, dass Homosexualität, auch die gelebte Homosexualität, Sünde sei, keinerlei theologische Berechtigung hat. Die Herausforderung, diese Erkenntnis in die Weltkirche zu tragen, sind enorm. Das erkenne ich an. Christus spricht aber: „Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?“ Queerfeindlichkeit schadet der Seele, auch dann, wenn als Argument die weltkirchliche Einheit in Feld gezogen wird – so meine laienhafte Exegese dieses Verses aus Matthäus, Kapitel 16.

Die andere Antwort auf die Frage, wer zur Gemeinde gehört, ist eine bürgerrechtliche. Diese kann ich Ihnen durchaus geben und sie ist kurz und lautet ganz einfach: Alle Menschen haben das Recht zur Gemeinde zu gehören, so sie unsere freiheitliche demokratische Grundordnung anerkennen und achten. Und deswegen darf es nicht sein, dass gerade das Antidiskriminierungsgesetz, eine so wichtige Errungenschaft unserer freien Gesellschaft, im kirchlichen Arbeitskontext nicht vollumfänglich gelten soll. Auch hier bin ich dankbar für den Mut queerer Christ*innen, allen voran die Initiative #OutInChurch, die lautstark auf diesen Missstand hinweisen.

Wir werden nun gleich die dritte Strophe des Liedes „Sonne der Gerechtigkeit“ singen. Darin heißt es: „Schaue die Zertrennung an, der sonst niemand wehren kann; sammle großer Menschenhirt, alles was sich hat verirrt.“ Wer hat sich hier verirrt, wen muss der Menschenhirt einsammeln?

Nicht queere Menschen sind verirrt, sondern die die queerfeindlich sind. Diese verirrten Menschen muss der Menschenhirt einsammeln, die müssen Sie, sehr geehrter Herr Erzbischof, sehr geehrte Frau Pröpstin, zurück in die Gemeinde holen, damit wann immer eine Predigt oder ein Gemeindebrief mit den Worten „liebe Gemeinde“ beginnt, sich alle angesprochen fühlen können.

Christopher Schreiber (Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg) im ökumenischen Gottesdienst gegen Queerfeindlichkeit des Rogate-Klosters zum IDAHOBIT 2022 in Anwesenheit von Pröpstin Dr. Christina-Maria Bammel (Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz) und Erzbischof Dr. Heiner Koch (Erzbistum Berlin) in der Zwölf-Apostel-Kirche zu Berlin-Schöneberg.

Hinweis Presseschau: Über die Predigt des Berliner Erzbischofs in unserem Gottesdienst hat katholisch.de berichtet. Sie finden den Artikel hier. Siehe auch „Kirche und Leben“ hier sowie die Meldung auf der Seite von „Radio Vatikan“ hier.

Ökumenischer Gottesdienst gegen Queerfeindlichkeit des Rogate-Klosters zum IDAHOBIT 2022. (Bild: Rogate-Kloster)

Willkommen zu den nächsten Rogate-Gottesdiensten.

Berlin, Schöneberg.

  • Sonntag Rogate, 22. Mai 2022 | 10:00 Uhr, Eucharistie. Orgel: Martin Küster. Lektor*innen: Melanie Hochwald und Jürgen Doster. Kirchdienst: Michael Behr. Liturgie und Predigt: Br. Franziskus. Ort: Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, Berlin-Schöneberg.
  • Freitag, 24. Juni 2022 | 18:00 Uhr, ökumenische Eucharistie zum St. Johannis-Tag. Predigt: Br. Franziskus. Liturgie: Dekan Ulf-Martin Schmidt, Alt-katholische Gemeinde Berlin, und Br. Franziskus. Ort: Dorfkirche Schöneberg, Hauptstraße 47–48, 10827 Berlin-Schöneberg.

Wilhelmshaven, Niedersachsen.

  • Freitag, 27. Mai 2022 | 19:30 Uhr, ökumenischer Gottesdienst zur Eröffnung des 2. Wilhelmshavener CSDs. Predigt: Oberkirchenrätin Gudrun Mawick, Oldenburg, Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg. Liturgie: Pastor Benno Gliemann, Lutherkirchengemeinde, Pastoralreferentin Daniela Surmann (Sankt Willehad) und Br. Franziskus, Rogate-Kloster. Mitwirkende: Engagierte des CSD-Teams. Musik: Landeskirchenmusikdirektorin Beate Besser, Oldenburg, Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg. Ort: Lutherkirche, Brommystr. 71, 26384 Wilhelmshaven-Villenviertel.

IDAHOBIT 2022: Intervention von Veronika Gräwe (#OutInChurch)

Heute, am 17. Mai, erinnern wir auch an den 17. Mai 1990, den Tag an dem die WHO Homosexualität als Krankheit aus dem Diagnoseschlüssel gestrichen hat. Heute am 17. Mai 2022 ist meine Kirche noch nicht so weit. Im Katechismus meiner Kirche heißt es, homosexuelle Neigungen seien objektiv ungeordnet. Die Rede ist von Homosexualität als schlimmer Abirrung und von homosexuellen Handlungen, die nicht zu billigen sind. Im englischen sind die Wörter disordered im Sinne des Katechismus und disorder im Sinne einer medizinischen Erkrankung erschreckend nahe beieinander.

Veronika Gräwe (#OutInChurch– Für eine Kirche ohne Angst – Bild Rogate-Kloster)

Heute am 17. Mai, am Tag gegen Homo-, Bi- und Transfeindlichkeit gedenken wir auch der Menschen, die durch eben jene Feindlichkeit ihr Leben verloren haben. Weltweit sind es besonders schwarze trans Frauen und hier Sexarbeiterinnen, die ein hohes Risiko tragen aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität ermordet zu werden. Aber auch in Deutschland sind die Zahlen – dort wo sie überhaupt erfasst werden – zu LSBTIQ*-feindlicher Gewalt erschreckend. Die Anlaufstelle Maneo listet allein für Berlin im Jahr 2021 731 Fälle von Beleidigung und Gewalt gegen queere Menschen. Die Dunkelziffer nicht miteingeschlossen. Die liturgische Farbe dieses Gottesdienstes ist rot. Dieses Rot kann auch als Erinnerung an die Toten, die Verwundeten und die Überlebenden LSBTIQ*-feindlicher Gewalt verstanden werden.

Vor einigen Monaten konnte ich an einem Online-Treffen mit Aktivisten des Interfaith Diversity Network of West Africa teilnehmen. Die Aktivisten aus Ghana, die selbst Christen sind, leisten wichtige Aufklärungsarbeit. Sie arbeiten mit religiösen Führungspersönlichkeiten zusammen, um diese für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt zu sensibilisieren. Ich wünsche unseren Geschwistern in Ghana, dass ihre Saat aufgeht und reiche Frucht trägt.

Die Aktivisten aus Ghana haben uns auch davon erzählt, wie einige von ihnen aufgrund ihres Einsatzes im Gefängnis saßen. Dort unter schrecklichen Bedingungen inhaftiert waren ohne Zugang zu HIV-Medikamenten. Sie haben uns erzählt, wie sie in kein Kirchengebäude fliehen können, da es die Kirchen selbst sind, die sich für die Kriminalisierung von LSBTIQ* Personen einsetzen. In Matthäus 25,43 heißt es: „Ich war krank und im Gefängnis, und ihr habt euch nicht um mich gekümmert“. Dieser Gottesdienst ist auch eine Möglichkeit unsere queeren Geschwister in der Weltkirche sowie die globale Schuldgeschichte der Kirchen vor Gott zu bringen.

Die liturgische Farbe dieses Gottesdienstes ist rot. Rot wie die Farbe des Blutes. Blut an den Händen? („Blood on its hands?“) lautet der Titel einer Publikation der britischen Wissenschaftlerin Dr. Carol A. Shepherd. Sheperd zeigt darin auf, wie eine toxische kirchliche Umgebung die Gesundheit von LSBT Jugendlichen zerstört und im schlimmsten Fall zu Suiziden führt. Ein Phänomen, das sich so immer wieder in Studien findet. Blut an den Händen? Minderheitenstress und toxische kirchliche Lehren sind oft ebenso unsichtbar wie die psychischen Schäden, die sie anrichten. Ich bin jenen sehr dankbar, die im Zuge von #OutInChurch über ihr Leiden und ihre Suizidgedanken gesprochen haben. Sie stehen für viele. Sie stehen auch für jene, die jahrelang gelitten haben, die in Folge kirchlicher LSBTIQ*-Feindlichkeit erkrankt sind. Für jene, die in Therapie sind und für jene, deren Therapiestunden aufgebraucht sind, ohne dass ihre Seele heil ist und die sich jetzt fragen, wer zahlt? Zu einer Aufarbeitung der institutionellen Schuldgeschichte gehört auch für das hier entstandene Leid Verantwortung zu übernehmen.

Die liturgische Farbe dieses Gottesdienstes ist rot und zugleich sehen wir auch Hoffnungsschimmer. Im Februar forderten elf Generalvikare darunter der Berliner Generalvikar das kirchliche Arbeitsrecht und die Grundordnung zu reformieren. So soll unter anderem das Eingehen einer gleichgeschlechtlichen zivilen Ehe für kirchliche Mitarbeitende keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen mehr haben. In einigen Bistümern so in Würzburg oder Limburg haben die Bischöfe sich selbst verpflichtet, gegen LSBTIQ* Personen keine arbeits- oder disziplinarrechtlichen Maßnahmen aufgrund der persönlichen Lebensführung, einer Partnerschaft oder der geschlechtlichen Identität zu ergreifen. Für das Erzbistum Berlin gibt es von Ihnen, Herr Erzbischof, meines Wissens nach noch keine Selbstverpflichtung.

Kommen wir zu einem weiteren Hoffnungsschimmer: In vielen Bistümern, im Erzbistum Berlin leider noch nicht, gibt es inzwischen Beauftragte für LSBTIQ* Pastoral. Denn – und das hat #OutInChurch auch gezeigt – es gibt sie die queeren Menschen, die katholisch sind. Und für diese braucht es kompetente pastorale Mitarbeitende. Es kann nicht sein, dass Menschen in pastoralen Begleitgesprächen dazu geraten wird, ihre sexuelle Orientierung nicht auszuleben. Es kann nicht sein, dass jungen trans Männern in katholischen Kontexten erklärt wird, sie müssten nicht trans sein, weil man könne ja auch als Frau heute Karriere machen. Damit Minderheitenstress und kontinuierliche Mikroaggressionen ein Ende haben, braucht es für kirchliche Mitarbeitende entsprechende Fortbildungen, braucht es entsprechende Aufklärungsarbeit.

Ob diese Hoffnungsschimmer also tragen? Ich bin letztens auf eine sehr schöne Formulierung gestoßen, da war von „hoffnungstrotzig“ die Rede. Ich möchte hoffnungstrotzig sein, dass uns Kraft und Mut nicht ausgehen werden. Ich möchte hoffnungstrotzig sein, dass G*tt reiche Frucht aufgehen lässt, wo Menschen heute noch unter Tränen säen. Ich möchte hoffnungstrotzig sein, dass wir eine Kirche ohne Angst erleben werden.

Veronika Gräwe (#OutInChurch – Für eine Kirche ohne Angst) im ökumenischen Gottesdienst gegen Queerfeindlichkeit des Rogate-Klosters zum IDAHOBIT 2022 in Anwesenheit von Pröpstin Dr. Christina-Maria Bammel (Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz) und Erzbischof Dr. Heiner Koch (Erzbistum Berlin) in der Zwölf-Apostel-Kirche zu Berlin-Schöneberg.

Hinweis Presseschau: Über die Predigt des Berliner Erzbischofs in unserem Gottesdienst hat katholisch.de berichtet. Sie finden den Artikel hier. Siehe auch „Kirche und Leben“ hier.

Ökumenischer Gottesdienst gegen Queerfeindlichkeit des Rogate-Klosters zum IDAHOBIT 2022. (Bild: Rogate-Kloster)

Willkommen zu den nächsten Rogate-Gottesdiensten.

Berlin, Schöneberg.

  • Sonntag Rogate, 22. Mai 2022 | 10:00 Uhr, Eucharistie. Orgel: Martin Küster. Lektor*innen: Melanie Hochwald und Jürgen Doster. Liturgie und Predigt: Br. Franziskus. Ort: Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, Berlin-Schöneberg.
  • Freitag, 24. Juni 2022 | 18:00 Uhr, ökumenische Eucharistie zum St. Johannis-Tag. Predigt: Br. Franziskus. Liturgie: Dekan Ulf-Martin Schmidt, Alt-katholische Gemeinde Berlin, und Br. Franziskus. Ort: Dorfkirche Schöneberg, Hauptstraße 47–48, 10827 Berlin-Schöneberg.

Wilhelmshaven, Niedersachsen.

  • Freitag, 27. Mai 2022 | 19:30 Uhr, ökumenischer Gottesdienst zur Eröffnung des 2. Wilhelmshavener CSDs. Predigt: Oberkirchenrätin Gudrun Mawick, Oldenburg, Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg. Liturgie: Pastor Benno Gliemann, Lutherkirchengemeinde, Pastoralreferentin Daniela Surmann (Sankt Willehad) und Br. Franziskus, Rogate-Kloster. Mitwirkende: Engagierte des CSD-Teams. Musik: Landeskirchenmusikdirektorin Beate Besser, Oldenburg, Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg. Ort: Lutherkirche, Brommystr. 71, 26384 Wilhelmshaven-Villenviertel.

IDAHOBIT 2022: Intervention von Thomas Beckmann (Ökum. Arbeitsgruppe HuK)

Ist doch alles gut jetzt. Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz – also unsere Landeskirche – hat sich letztes Jahr sogar entschuldigt, für ihre Fehler im Umgang mit queeren Mitarbeitenden und Gemeindegliedern. Der Bischof selbst hat Umdenken gelernt, wie er in seiner bewegenden Predigt kund tat. Es hat jemand die Geschichte aufgearbeitet und es gibt einen Ansprechpartner.

Thomas Beckmann (Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche – Bild: Rogate-Kloster)

Alles gut jetzt? Oder doch nicht? Ja, es ist vieles zum Guten gewendet, die Trauung für alle entwickelt sich zur Selbstverständlichkeit, wie ich vorgestern noch abkündigen durfte.

Es sind nicht mehr die großen Dinge, die in der Landeskirche weh tun, sondern die kleinen, spitzen Bemerkungen, aber sie stechen tief. Sei es in Gemeindekreisen, bei der Chorprobe, wenn ein Sänger sich im Smalltalk der Pause nicht traut, von seinem Urlaub mit seinem Mann zu erzählen, oder im Konfi-Kreis, wenn ein Mädchen laut sagen möchte, dass es als Mädchen fühlt und nicht als Junge, wie es noch außen noch ausschaut, aber Angst hat vor den Reaktionen der anderen Konfis. Sei es, dass ein lesbisches Paar im Gottesdienst alleine sitzt – „weil die ja anders sind“.

Die Selbstverständlichkeit der bunten Fülle des Regenbogens in den Gemeinden muss auch weiterhin eingeübt werden. Und das gilt nicht nur in der Landeskirche sondern auch und besonders in vielen der Freikirchen.

Vom völligen Tabu in den orthodoxen Kirchen gar nicht erst zu reden. Sonntag sagte mir noch eine Frau aus unserer Gemeinde, deren Sohn bei uns seinem Mann heiratete, dass in ihrer rumänischen Heimat ein Outing fast tödlich wäre…

Auch in der weltweiten Ökumene, in der Zusammenarbeit mit den Kirchen der Partner*innenschaft –  wie z.B. Tansania – ist deren Umgang mit queeren Themen anzusprechen.

Auch und gerade in den kleineren Formen der Verständigung bleibt noch viel zu tun und aufzuarbeiten, bis die Sonne der Gerechtigkeit aufgeht zu unserer Zeit. Erbarme dich, Gott.

Thomas Beckmann (Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche) im ökumenischen Gottesdienst gegen Queerfeindlichkeit des Rogate-Klosters zum IDAHOBIT 2022 in Anwesenheit von Pröpstin Dr. Christina-Maria Bammel (Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz) und Erzbischof Dr. Heiner Koch (Erzbistum Berlin) in der Zwölf-Apostel-Kirche zu Berlin-Schöneberg.

Hinweis Presseschau: Über die Predigt des Berliner Erzbischofs in unserem Gottesdienst hat katholisch.de berichtet. Sie finden den Artikel hier. Siehe auch „Kirche und Leben“ hier.

Heide Grünefeld: Versuchen wir weiter, Teil der guten Nachrichten zu sein.

Heide Grünefeld (Bild: privat)

Ich soll in Worte kleiden, was mich bewegt. Ein Thema herausgreifen, einen Aspekt, ihn beleuchten und darüber hier sprechen. Etwas, das wichtig ist gerade, und etwas, was vermutlich nicht nur mich bewegt, sondern auch Sie.

Aber wissen Sie was? Ich weiß nicht, was ich hier sagen kann oder sollte oder müsste. Es ist so viel gerade, ich kann die Dinge in meinem Kopf nicht mehr sortieren, die Bilder nicht mehr verarbeiten, die Aufgaben nicht mehr priorisieren, die Herausforderungen nicht mehr bewältigen, so scheint es mir. Es ist so viel.

Ich arbeite bei der Migrationsberatung im Diakonischen Werk. Die Ukraine beschäftigt uns, die abendlichen Nachrichten übersetzen wir in Zahlen und Aufgaben und sie erreichen uns in menschlichen Schicksalen.

Ich habe vor zwei Wochen hier bereits berichtet von den Menschen, die vor einigen Jahren zu uns geflüchtet sind, aus verschiedensten Ländern, und die jetzt getriggert sind und verängstigt vom Krieg in der Nachbarschaft. Ich könnte berichten von ihren Ängsten jetzt, nun Flüchtlinge zweiter Klasse zu sein, als Muslime, als diejenigen, die vielleicht schon einige Jahre hier sind, und immer noch nicht auf die Beine gekommen sind und sich schwer tun mit Sprache, Arbeit, Kultur und die nun damit rechnen müssen, kaum noch Toleranz von den Deutschen zu erhalten, denn „nun müssten sie doch so langsam mal wirklich…“. Ich könnte berichten von denen, die immer noch im Mittelmeer ertrinken.

Ich könnte berichten von den neuen Fluchtgeschichten der Ankommenden aus der Ukraine, von ihrer Reise, ihrer Müdigkeit, ihrer Sorge um die Männer und Verwandten, die noch in der Ukraine sind. Ich könnte berichten von Ihrer Fassungslosigkeit und Verzweiflung darüber, dass sie zu Flüchtlingen ohne ein Zuhause geworden sind. Jede Geschichte einzigartig und neu und doch immer von den gleichen Farben der Angst und Erschöpfung unterlegt.

Ich könnte sprechen über die Kriege und Krisen, die in der Welt gerade weniger gesehen werden, Afghanistan, Sudan, Syrien, Eritrea, Myanmar, Irak, Jemen.

Und ich muss all das ja nur sehen und hören und nicht selber durchleiden. Da sollte es mir doch gut gehen, denke ich.

Aber es ist trotzdem schwierig, weil die Probleme so riesengroß sind, das man nicht mehr weiß, wo man anfangen soll, und der Klimawandel ist da, und Corona, und dann sind da ja auch immer noch die Fragen nach vielen alltäglichen Problemen, die ja auch nicht plötzlich weg sind.

Es ist zu viel. Und ich gestehe, wenn es mir zu viel wird, dann wird mein Beten wütend, und ich vergreife mich im Ton und herrsche unseren Gott an und werde laut. „Siehst Du es nicht? Wir Menschen verreißen es hier völlig, tu doch was, wo bist Du?

Und dann wünschte ich, ich könnte eine Stopptaste drücken, und alles würde innehalten, und ich könnte mich mit einem Kaffee in die Sonne setzen und den Vögeln zuhören und den Wolken zusehen und ich würde an gar nichts denken und gar nichts tun. Außer: Ein – und wieder ausatmen.

Nun, das mit der Stopptaste funktioniert nicht, aber das Innehalten, das ist wichtig. Denn dann wird mein Blick wieder klarer.

Und ich kann sie wieder sehen, die anderen Nachrichten. Und ich höre Gott antworten, der sagt, oh doch, ich war nie weg, sieh hin. Ich kann zwischen den Bildern der Flüchtenden auch wieder die Helfenden sehen, die Suppe und Getränke reichen, die Betten bauen und Transfers einrichten.

Ich kann sie sehen, die Menschen, die sich sogar in Russland immer wieder öffentlich gegen den Krieg und gegen die Regierung stellen, obwohl es lebensgefährlich ist. Menschen demonstrieren, erklären ihre Solidarität mit der Ukraine, mit ukrainischen Freunden und Verwandten. Viele hier lebende russischstämmige Menschen haben uns ihre Hilfe beim Dolmetschen zugesagt und den Krieg gegen die Ukraine scharf verurteilt.

In Moskau hat sich eine Mitarbeiterin des staatlichen Fernsehens während der Live-Nachrichten mit einem „Stop war“ Schild hinter die Sprecherin gestellt, haben Sie es gesehen? Unglaublich, was es für mutige Menschen gibt.

Syrische Migranten, die für mich häufiger bei neu ankommenden arabisch sprechenden Flüchtlingen dolmetschen, sagten die Tage zu mir, ich könne sie auch bei den Ukrainern anrufen. Sprechen können sie dann zwar nicht mit ihnen, aber sie wüssten, was Flüchtlinge hier brauchen, wenn sie neu ankommen, das bekämen sie auch ohne Sprache hin.

Ein deutscher Anrufer bei mir im Büro antwortet auf meine Frage, wie lange er die ukrainische Familie, die er bei sich beherbergt, weiter unterbringen kann, mit „Das kann ich ja nun nicht sagen, wie lange es da unten dauert“. sagt er. „Das wissen wir ja nicht. Wir kommen hier schon klar.“ Ganz undramatisch und bescheiden sagt er zu mir: „Na, rufen Sie man an, wenn Sie noch mehr Leute unterbringen müssen, ein paar kriegen wir hier schon noch unter.

Und wenn ich noch ein bisschen weiter ein und ausatme, dann sehe ich die Menschen wieder mit anderem Blick. Und kann mich wieder freuen über die Freundlichkeit der Sachbearbeiterin am Telefon. Ich ärgere mich weniger über politisch aggressive Statements, sondern freue mich über jede einzelne kluge und demonstrative Gegenstimme. Ich sehe sie wieder, die Menschen, die besonnen bleiben und ruhig und die weiter versuchen, das Beste zu geben, jeden Tag.

Und dann entschuldige ich mich für meinen Tonfall und sage, ok, Gott, tut mir leid. Es geht wieder.

Versuchen wir weiter, Teil der guten Nachrichten zu sein. Einen anderen Weg gibt es nicht.

Und Du Gott, bist da, am Abend und am Morgen, und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Theologin Heide Grünefeld, Migrationsberaterin des Diakonischen Werks Friesland-Wilhelmshaven, im Ukraine-Friedensgebet am 15. März 2022 in der Sankt Willehad-Kirche Wilhelmshaven.

Heide Grünefeld im Ukraine-Friedensgebet am 15. März 2022 in der Sankt Willehad-Kirche Wilhelmshaven.


Willkommen zum nächsten Friedensgebet in Wilhelmshaven:

  • Dienstag, 26. April 2022 | 18:00 Uhr, ökumenisches Friedensgebet anlässlich des Überfalls Russlands auf die Ukraine. Die Friedensgebete werden getragen von den Gemeinden der St. Willehad-Gemeinde, der Neuapostolischen Kirche, der Banter Kirche und der Luther-Kirche, der Caritas im Dekanat Wilhelmshaven, dem Diakonischen Werk Friesland-Wilhelmshaven und dem Rogate-Kloster Sankt Michael. Ort: St. Willehadkirche, Bremer Straße 53, 26382 Wilhelmshaven.

Martin Ehlers: Wir sind nicht tatenlos. Aber, haben wir genug getan?

Es ist Krieg mitten in Europa. Mitten unter uns geschieht das Unfassbare. Russland überfällt die Ukraine. Russland zieht über Monate hinweg Truppen an der Grenze zur Ukraine zusammen. Die Warnungen sind nicht zu übersehen. Die westlichen Demokratien versuchen auf allen diplomatischen Kanälen, Putin zum Truppenabzug zu bewegen.

Ratsherr Martin Ehlers (Bild: privat)

Wir sind nicht tatenlos. Aber, haben wir genug getan?

Vier Tage nach dem Ende der Olympischen Winterspiele am 24. Februar 2022 greift Russland die Ukraine trotz aller diplomatischen Bemühungen an. Wir sind am Morgen des 24. Februar in einer Welt aufgewacht, die Putin so wollte, die wir aber nicht wahrhaben wollten. Westliche Demokratien beginnen, der Ukraine Waffen zu liefern. Panzerfäuste, Flugabwehrwaffen, Maschinengewehre, Helme, Schutzwesten und Sanitätsmaterial.

Wir sind nicht tatenlos. Aber, haben wir genug getan?

Putin droht der NATO mit nie dagewesenen Konsequenzen, wenn sie der Ukraine militärisch beisteht. Die westlichen Demokratien verhängen Sanktionen gegen Russland. Die Ukraine erhält wirtschaftliche Hilfen. Der Westen schließt aber eine militärische Beteiligung bei der Verteidigung der Ukraine kategorisch aus. Aus Angst vor Putins Drohkulisse will der Westen nicht provozieren.

Wir sind nicht tatenlos. Aber, haben wir genug getan?

Russland führt einen Krieg gegen Städte. Wohnviertel, Krankenhäuser, Schulen und die technische Infrastruktur wie Gas-, Wasser und Stromleitungen werden angegriffen. Zivile menschliche Opfer werden dabei in die Angriffe einbezogen. Die Staaten in West- und Mitteleuropa nehmen Millionen geflüchteter Ukrainerinnen und Ukrainer, darunter viele Kinder auf. Ein schier unendlich großes Engagement von Helferinnen und Helfern ist für die verzweifelten Menschen aus der Ukraine da, um ein kleines Licht in dieser Dunkelheit zu spenden.

Wir sind nicht tatenlos. Aber, haben wir genug getan?

An dieser Stelle danke ich aber ausdrücklich den vielen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Helferinnen und Helfern, die bei der Feuerwehr, dem THW, den Wohlfahrtsverbänden, der Stadt Wilhelmshaven sowie den ungezählten privaten Initiativen alles tun, um die bei strandenden Menschen aus der Ukraine aufzufangen.

Seit sechs Wochen herrscht Krieg in der Ukraine. In den vergangenen Tagen erreichen uns verstörende Bilder von ermordeten, zum Teil gefesselten Frauen, Männern und Kindern aus der Stadt Butscha. Am Straßenrand liegen Leichen, Massengräber mit Frauen, Männern und Kindern wurden entdeckt. Die westlichen Staaten erhöhen den Druck auf Russland, liefern noch mehr Waffen an die Ukrainer, weisen russische Diplomaten aus und kündigen schärfere Sanktionen an.

Wir sind nicht tatenlos. Aber, haben wir genug getan?

Russland führt einen Vernichtungskrieg. Für Putins Armee sind Zivilisten ein militärisches Ziel. Mariupol wird völkerrechtswidrig ausgehungert und bombardiert. Die Vernichtung der Ukraine ist das Ziel. Die gesamte Bandbreite von Kriegsverbrechen geschieht vor unseren Augen in Europa. Politiker der westlichen Welt sprechen davon, dass Rote Linien überschritten wurden. Die führenden Politiker aus NATO und EU treffen sich.

Wir sind nicht tatenlos. Aber, tun wir das Richtige?

Die Hoffnungslosigkeit der Menschen wird immer größer. Viele von uns haben Geld gespendet, vielleicht haben sie auch Geflohene aufgenommen oder haben versucht, einem Menschen aus der Ukraine Trost zu spenden. Wir demonstrieren zu Hunderttausenden für den Frieden und versammeln uns zu Gebeten.

Wir sind nicht tatenlos. Aber, haben wir genug getan?

Der nächste Putin wartet schon und schaut genau, wie die freie Welt in dem Kampf der Ukraine um Freiheit, Unabhängigkeit und Demokratie agiert und wo unsere Schwächen sind.

Wir brauchen jetzt Mut, unser Land auf große Kraftanstrengungen vorzubereiten. Was muss noch passieren, dass wir aus unserer Komfortzone herauskommen.

Vor diesem Hintergrund ist ein von mir in Bezug auf die Ukraine abgewandeltes Zitat von Ernst Reuter aus dem Jahre 1948 zum Zeitpunkt der Berlinblockade durch die Sowjetunion in den Sinn gekommen: „Ihr Völker der Welt schaut auf dieses Land und schaut auf dieses Volk und erkennt, dass ihr dieses Land und dieses Volk nicht preisgeben könnt und nicht preisgeben dürft.“ Damit rief er der freien Welt zu, ihr dürft uns nicht im Stich lassen! Die Ukraine braucht jede Unterstützung, die die Gemeinschaft der freien und demokratischen Staaten leisten kann. Die Menschen brauchen die Unterstützung, die jeder einzelne von uns leisten kann. Wir dürfen die Ukraine nicht im Stich lassen.

Das gilt heute, das galt aber schon vor sechs Wochen und das gilt auch in Zukunft. Das unermessliche Leid der Ukraine mahnt uns.

Wir sind nicht tatenlos. Aber, tun wir genug? Ich bin nicht tatenlos. Aber, tue ich genug?

Martin Ehlers, Ratsherr und Vorsitzender der CDU Wilhelmshaven, am 5. April 2022 im ökumenischen Friedensgebet anlässlich des Überfalls Russlands auf die Ukraine in der Sankt Willehadkirche zu Wilhelmshaven.

Die nächsten geplanten Rogate-Gottesdienste in Jever, Wilhelmshaven und Berln:

Jever, Friesland.

Wilhelmshaven, Niedersachsen.

  • Karwoche, Dienstag, 12. April 2022 | 18:00 Uhr, ökumenisches Friedensgebet anlässlich des Überfalls Russlands auf die Ukraine. emeindeglieder der Kirche St. Maria und St. Mauritius (Koptisch-orthodoxe Gemeinde) singen eine Friedensbitte. Die Friedensgebete werden getragen von den Gemeinden der St. Willehad-Gemeinde, der Neuapostolischen Kirche, der Banter Kirche und der Luther-Kirche, der Caritas im Dekanat Wilhelmshaven, dem Diakonischen Werk Friesland-Wilhelmshaven und dem Rogate-Kloster Sankt Michael. Ort: St. Willehadkirche, Bremer Straße 53, 26382 Wilhelmshaven.

Berlin, Schöneberg.

  • Ostersonntag, 17. April 2022 | 10:00 Uhr, Eucharistie. Predigt: Br. Franziskus. Lektorendienst: Jürgen Doster. Kirchdienst: Gesine Schmithals. Orgel: Harald Klaus. Ort: Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, Berlin-Schöneberg.
  • Sonntag Rogate, 22. Mai 2022 | 10:00 Uhr, Eucharistie. Orgel: Martin Küster. Lektor: Jürgen Doster. Kirchdienst: Jörg Freudenberg. Liturgie und Predigt: Br. Franziskus. Ort: Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, Berlin-Schöneberg.

Heide Grünefeld: Wir werden Kraft brauchen.

Großer Gott. Die Nachrichten fluten in unsere Wohnungen und in unsere Gedanken. Worte wie Invasion, Angriff, Raketen, Bomben, Flucht, Angst. Was für die einen kaum vorstellbar ist, ist für andere viel zu gut vorstellbar.

Heide Grünefeld (Bild: privat)

Die Menschen, die den 2. Weltkrieg hier noch erlebt haben, aber auch diejenigen, die zu uns geflohen sind vor anderen Kriegen, sehen in den täglichen Fernsehbildern ihre eigene Geschichte.

Viele Menschen sind in den letzten Jahren zu uns geflohen, aus Afghanistan, Irak, Syrien, Eritrea und vielen anderen Ländern. In ihren Ländern herrschte Gewalt, Terror, Chaos.

Die Angst und die Verzweiflung trieb sie von zuhause fort, nach Europa, dem sicheren, stabilen, reichen Europa. Dem Europa, das niemand mit Krieg und dem Elend vieler anderer Länder in Verbindung bringt. Einem Europa, in dem wir uns sicher wähnten. In dem wir Frieden und Gerechtigkeit, einklagbare Rechte und eine sichere Grundversorgung als selbstverständlich erachten. Einem Europa, in dem wir politische Spannungen und Auseinandersetzungen mit Sorge, aber mit dem festen Glauben an Diplomatie und Verhandlungen beobachten.

Und plötzlich ist Krieg, keine zwei Flugstunden von uns entfernt. Und die Bilder des Krieges sind Bilder, wie sie in jedem Krieg, in jedem Land, zu jeder Zeit zu sehen sind. Menschen, die fliehen, vor Gewalt und Waffen. Menschen, die verzweifelt sind, die Angst haben, die sich um Angehörige und Freunde sorgen, die dem Tod bereits begegnet sind. Und es ist letzten Endes egal, ob wir Bilder von 1940 oder 2022 sehen, ob es Bilder aus Deutschland, aus Afghanistan, aus Syrien oder aus der Ukraine sind. Das Leid und die Angst der Menschen sind immer dieselben. Und der Machthunger der Regierenden auch.

Die Menschen, die zu uns gekommen sind, als Flüchtlinge, um in Deutschland ein sicheres Zuhause zu finden, hatten gehofft, diese Bilder hier nicht mehr sehen zu müssen. Nun sind sie angespannt, hochgefahren, voller Schrecken. Sie kennen den Krieg. Sie wissen um seine Grausamkeit, sie wissen um die Gefährlichkeit von Raketen und Bomben, sie wissen, wie es ist, zu hungern und zu fliehen. Und sie wissen, dass die Verlierer stets die normalen Menschen sind.

Eine Syrerin sagte vor wenigen Tagen zu mir: „Diese Bilder im Fernsehen, ich kann sie nicht mehr sehen. Ich wollte sie nie wiedersehen, nicht hier. Ich bin kann nicht mehr, ich kann das nicht nochmal. Der Krieg darf nicht hierherkommen. Ich bin zu müde für einen neuen Krieg.

Ein anderer Syrer sagte: „Wieder Putin. Wir haben seinen Namen fürchten gelernt, als er das syrische Regime unterstützt hat. Und jetzt ist er wieder auf allen Bildschirmen. Ich wünschte, ich müsste seinen Namen nie wieder hören.

Ein Bekannter mit ukrainischer Familie sagt: „Mein Bruder ist geflohen. Er ist unterwegs. Ich weiss nicht, wo er ist. Grosser Gott. Es ist sehr schwer.

Ein eritreischer Flüchtling sagte mir: „Die Menschen sind so schlimm. Überall auf der Welt. Ich kann nicht mehr an das Gute glauben. Überall Tod und Waffen.

Großer Gott. Wir werden Kraft brauchen. Kraft, um die zu stützen, deren Wunden wieder aufbrechen, weil ein neuer Krieg so nahe ist. Kraft, um neue Menschen aufzunehmen und ihnen eine Heimat zu geben.

Kraft, um den Glauben an Diplomatie und Frieden nicht zu verlieren. Kraft, um neben der Klimakrise und der Corona–Pandemie eine neue, furchterregende Aufgabe anzugehen.

Ich habe keinen Krieg erlebt. Ich bin sicher und behütet aufgewachsen. Aber die Menschen, die vor anderen Kriegen hierher geflohen sind, haben mich gelehrt, wie sehr ich den Krieg fürchten muss und wie sehr ich unsere Freiheit und Demokratie schätzen und verteidigen muss.

Grosser Gott, ich will glauben, dass Du bei uns bist. Ich will glauben, dass Du bei denen bist, die fliehen, und bei denen, die die Nachrichten nicht mehr ertragen. Ich will glauben, dass Du bei denen bist, die weltweit demonstrieren und sich für den Frieden erheben. Ich will glauben, dass diejenigen, die Spenden sammeln, Hilfe anbieten und dem Nächsten die Hand reichen die Mehrheit sind. Ich will glauben, dass Du bei uns bist, alle Tage, bis an der Welt Ende.

Theologin Heide Grünefeld, Migrationsberaterin des Diakonischen Werks Friesland-Wilhelmshaven, im Ukraine-Friedensgebet am 1. März 2022 in der Sankt Willehad-Kirche Wilhelmshaven.

Hörbar: Die Ansprache von Heide Grünefeld im ökumenischen Friedensgebet am 1. März 2022 in der St. Willehad-Kirche zu Wilhelmshaven.


Die nächsten geplanten Rogate-Gottesdienste in Jever, Wilhelmshaven und Berln:

Jever, Friesland.

Wilhelmshaven, Niedersachsen.

  • Dienstag, 12. April 2022 | 18:00 Uhr, ökumenisches Friedensgebet anlässlich des Überfalls Russlands auf die Ukraine. emeindeglieder der Kirche St. Maria und St. Mauritius (Koptisch-orthodoxe Gemeinde) singen eine Friedensbitte. Die Friedensgebete werden getragen von den Gemeinden der St. Willehad-Gemeinde, der Neuapostolischen Kirche, der Banter Kirche und der Luther-Kirche, der Caritas im Dekanat Wilhelmshaven, dem Diakonischen Werk Friesland-Wilhelmshaven und dem Rogate-Kloster Sankt Michael. Ort: St. Willehadkirche, Bremer Straße 53, 26382 Wilhelmshaven.

Berlin, Schöneberg.

  • Ostersonntag, 17. April 2022 | 10:00 Uhr, Eucharistie. Predigt: Br. Franziskus. Lektorendienst: Jürgen Doster. Kirchdienst: Gesine Schmithals. Orgel: Harald Klaus. Ort: Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, Berlin-Schöneberg.

Astrid Zaage: Die Welt ist zusammengerückt.

Frieden in Europa, bis vor einer Woche war dies für uns eine Selbstverständlichkeit, aber wir alle mussten mit Entsetzen feststellen, dass ein einziger machtgieriger Despot ausreicht, um unser Weltbild auf den Kopf zu stellen.

Bürgermeisterin Astrid Zaage (Wilhelmshaven) im ökumenischen Friedensgebet am 1. März 2022 (Bild: Screenshot Youtube-Kanal der Sankt Willehad-Gemeinde)

Krieg in Europa ist seit fünf Tagen eine Gewissheit, die für uns alle unfassbar ist. Unsere Gedanken sind bei den mutigen Menschen, bei den Frauen, Männern und jungen Erwachsenen die sich mutig der russischen Armee entgegenstellen und Frieden, Freiheit und Demokratie zu verteidigen. Menschen, die entschlossen für ihre Rechte kämpfen und sich verbittert gegen Unterdrückung und Machtherrschaft wehren.

Unsere Gebete gelten den Vätern, Müttern und Kinder, die in einen Angriffskrieg Putins hineingezogen wurden, wobei sie nur in Frieden leben wollten.

Das größte Land in Europa wird durch Granaten in Schutt und Asche gelegt. All das was die Menschen sich in Generationen aufgebaut haben, ist über Nacht verschwunden. Menschen verlieren ihr Leben in einem völlig sinnlosen Krieg. Es gibt keine Rechtfertigung für einen Krieg, im 21 Jahrhundert müssen Konflikte durch Diplomatie und niemals durch Waffen gelöst werden. 

Aber die Welt hat sich erhoben, und in einer beispiellosen Protestwelle wird rund um den Erdball für Frieden, Freiheit und ein Ende des Krieges in Europa demonstriert.

Die Welt ist zusammengerückt und steht Schulter an Schulter mit der Bevölkerung der Ukraine. Länder wie zum Beispiel Polen und Ungarn, die sich immer strikt geweigert haben, Flüchtlinge aufzunehmen, stehen jetzt an Ihren Landesgrenzen und empfangen die Geflüchteten mit offenen Armen.

Auch wir hier in unserer Stadt sind bereit, wir haben Platz und werden allen helfen, wo wir nur können.  

Der Krieg muss beendet werden sofort, Herr Putin ziehen sie Ihre Armee zurück, und lassen Sie die Menschen in Europa wieder in Frieden und Freiheit leben.

Bürgermeisterin Astrid Zaage (Wilhelmshaven) am 1. März 2022 im ökumenischen Friedensgebet in der Sankt Willehad-Kirche zu Wilhelmshaven. Die Friedensgebete werden getragen von den Gemeinden der St. Willehad-Gemeinde, der Neuapostolischen Kirche, der Banter Kirche und der Luther-Kirche, der Caritas im Dekanat Wilhelmshaven, dem Diakonischen Werk Friesland-Wilhelmshaven und dem Rogate-Kloster Sankt Michael.
Bürgermeisterin Astrid Zaage (Wilhelmshaven) am 1. März 2022 im ökumenischen Friedensgebet

Die nächsten Rogate-Gottesdienste und Gebete:

Wilhelmshaven, Niedersachsen.

  • Dienstag, 5. April 2022 | 18:00 Uhr, ökumenisches Friedensgebet anlässlich des Überfalls Russlands auf die Ukraine. Intervention: Ratsherr Martin Ehlers (CDU Wilhelmshaven). Liturgie: Pastor Frank Moritz (Banter Kirche), Kaplan George Thomas (Sankt Willehad), Monika Stamm (Caritas) und Br. Franziskus (Rogate-Kloster). Diakon Dr. Roushdy Tadros Michael und ein Gemeindechor von St. Maria und St. Mauritius (Koptisch-orthodoxe Kirchengemeinde) singen eine Friedensbitte. Die Friedensgebete werden getragen von den Gemeinden der St. Willehad-Gemeinde, der Neuapostolischen Kirche, der Banter Kirche und der Luther-Kirche, der Caritas im Dekanat Wilhelmshaven, dem Diakonischen Werk Friesland-Wilhelmshaven und dem Rogate-Kloster Sankt Michael. Ort: St. Willehadkirche, Bremer Straße 53, 26382 Wilhelmshaven.

Jever, Friesland. Termine des Demokratieprojektes „FrieslandVisionen: Wie wollen wir morgen leben?“

Berlin, Schöneberg.

  • Ostersonntag, 17. April 2022 | 10:00 Uhr, Eucharistie. Predigt: Br. Franziskus. Lektorendienst: Jürgen Doster. Kirchdienst: Gesine Schmithals. Orgel: Harald Klaus. Ort: Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, Berlin-Schöneberg.