Rogate-Kloster: Zehn Jahre Anerkennung durch die Landeskirche.

Es begann vor fünfzehn Jahren, 2008, mit Andachten zum Lied „Der Mond ist aufgegangen“. Ab Juli 2008 luden dazu Kantor Christoph Claus (heute Hagemann) und Bruder Franziskus Aaron Woche für Woche in die Zwölf-Apostel-Kirche ein. Zu jeder Strophe gab es eine besonders musikalisch gestaltete Andacht, jeweils donnerstags um 21 Uhr. Biblische Lesungen in vielen Sprachen wurden von Lektor*innen aus verschiedenen Ländern der weltweiten Ökumene vorgetragen. Fürbittengebete nahmen einen breiten Raum ein.

Der Zuspruch war groß. Viele Engagierte brachten sich ein. Auch Menschen ohne bisherige Gemeindebezüge kamen dazu und fragten schließlich immer häufiger, wie es denn nach der Reihe weitergehen könnte. So folgte die „Berliner Politikerkanzel: Was mich treibt“ und ohne große Unterbrechungen danach über Jahre weitere Rogate-Liederreihen zum Advent, Ostern und zu Sommerliedern. und weitere Andachten wie „Ich bin ein Berliner„.

Rückblick auf die Andachtsaktivitäten der Rogate-Initiative in den ersten Jahren
B.Z.-Artikelüberschrift (Screenshot Springer-Verlag)

Manche der treuen Besucher*innen trafen sich darüber hinaus. Aus der Andachtsgemeinde bildete sich die „Ökumenische Rogate-Initiative“. Bereits im September 2008 folgte die Vereinsgründung. Ein Jahr später beschlossen die Mitglieder am 29. September 2009 die Umbenennung zu „Rogate-Kloster Sankt Michael zu Berlin“ mit dem Ziel einen ökumenischen Konvent des gemeinsamen Lebens und Glaubens zu gründen.

2010 stellen die beiden evangelischen Kirchenkreise Berlin-Mitte und Schöneberg den Antrag auf Anerkennung des Klosters bei der Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). Nach vielen Abstimmungen und einer umfangreichen Visitation, beschloss die EKBO-Kirchenleitung 2013 die Anerkennung des Rogate-Klosters als geistlicher Gemeinschaft innerhalb der Kirche. In ihrem Beschluss hatte die Kirchenleitung darauf hingewiesen, dass sie eine Arbeitsteilung und Zusammenarbeit zwischen dem Rogate-Kloster St. Michael und der Zwölf-Apostel-Kirchengemeinde Berlin-Schöneberg für wünschenswert hält, „bis hin zur Übernahme gemeindlicher und kirchlicher Aufgaben durch die Kommunität“.

„Diese Anerkennung ist Ausdruck gelebter Ökumene. Die Anerkennung des Rogate-Klosters als ökumenische geistliche Gemeinschaft durch das Katholische Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland und die Vereinbarung zwischen Bistum und Kloster vom 1. November 2016 tragen dazu ebenso bei. Wir sind dankbar für die Arbeit des Rogate-Klosters Sankt Michael und seinen Beitrag zum geistlichen Leben in der Landeskirche“

EKBO-Oberkonsistorialrat Dr. Clemens W. Bethge im Oktober 2020.

Die Rogate-Aktivitäten finden mittlerweile an mehreren Orten statt, ob mit Demokratieprojekten im Landkreis Friesland, mit der Klimakanzel im Bremer Dom oder zum Nürnberger Kirchentag, sozialen Aktivitäten in Wilhelmshaven oder Gottesdiensten in der Zwölf-Apostel-Kirche in Berlin.

Das ökumenische Kloster besteht bis heute aus einer Gottesdienstgemeinschaft von Christ*innen, die aus evangelischer und katholischer Tradition kommen und ihren Kirchen verbunden sind. Das Kloster zielt weiter darauf ab, aus dieser Gemeinschaft einen Konvent gemeinsamen Lebens und Arbeitens zu entwickeln.

„Wir versuchen, Gemeinde Jesu Christi neu zu leben (communio sanctorum – koinonia). Spiritualität, Gottesdienst und Eucharistie nehmen bei uns einen zentralen Raum ein (leiturgia). Wir streben danach, Unerreichte und Kirchendistanzierte mit dem Evangelium (missional – martyria) zu verbinden. Freiwillig Mitarbeitende sind bei uns an verantwortlicher Stelle entscheidend. Wir passen uns an den Kontext an und dienen ihm (diakonia). Wir wollen uns gegenseitig und den Einzelnen dabei unterstützen, den Weg mit Gott zu gehen.“

Aus dem Selbstverständnis des Rogate-Klosters

Unsere nächsten Gottesdienste:

Berlin, Schöneberg:

  • Sonnabend, 24. Juni 2023 | 18:00 Uhr, Vesper zum Johannistag. Orgel: Kirchenmusikerin Hyelin Hur. Ort: Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, Berlin-Schöneberg.
  • Sonntag, 25. Juni 2023 | 10:00 Uhr, Eucharistie zum Fest St. Johannis, gemeinsam mit der Zwölf-Apostel-Gemeinde. Ort: Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, Berlin-Schöneberg.

Wilhelmshaven, Niedersachsen:

  • Dienstag, 30. Mai 2023 | 18:00 Uhr, ökumenisches Friedensgebet anlässlich des Überfalls Russlands auf die Ukraine. Ort: St. Willehadkirche, Bremer Straße 53, 26382 Wilhelmshaven.
  • Freitag, 2. Juni 2023 | 19:30 Uhr, Eröffnungsgottesdienst zum 3. Wilhelmshavener Christopher Street-Day. Predigt: Kreispfarrer Christian Scheuer (Ev.-luth. Kirchenkreis Friesland-Wilhelmshaven). Grußwort: Oberbürgermeister Carsten Feist (Stadt Wilhelmshaven). Musik: Wilhelmshavener Bläserkreis unter der Leitung von Hans-Martin Schröder/Organisation Karsten Heger. Orgel: Dekanatsmusiker Robert Pernpeintner. Liturgie: Pastoralreferentin Daniela Surmann (St. Willehad) und Br. Franziskus (Rogate-Kloster). Lektor*innen: Ingrid Klebingat (Vorsitzende Kreissynode Kirchenkreis Friesland-Wilhelmshaven) und Ratsfrau Antje Kloster. Ort: St. Willehadkirche, Bremer Straße 53, 26382 Wilhelmshaven.

Nürnberg, Bayern:

  • Donnerstag, 8. Juni 2023 | 20:00 Uhr, Deutscher Evangelischer Kirchentag, ökumenische Klimakanzel: Gebete in Krisenzeiten – Liturgie mit klaren Worten. Mit Pröpstin Dr. Christina-Maria Bammel (Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz), Bischof Thomas Adomeit (Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg), Referentin für Jugend, Familie und Soziales Elisabeth Ries (Stadt Nürnberg), Georg Sauerwein (Christians for Future, München), Dr. Maiken Winter (Kirchen-Soli-Gruppe Last Generation, Raisting) und Bruder Franziskus Aaron RGSM (Rogate-Kloster Sankt Michael, Berlin/Wilhelmshaven). Musik: Landeskirchenmusikdirektorin Beate Besser (Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg). Ort: Ökumenisches Gemeindezentrum Thon, Kirche St. Clemens, Cuxhavener Straße 60, Nürnberg. ÖPNV: Tram Cuxhavener Straße.

Friesland, Niedersachsen:

Demokratieprojekt FrieslandVisionen: „Wie wollen wir morgen leben? Zehn Reden für das Leben an der Küste.“

  • Mittwoch, 12. Juli 2023 | 19:00 Uhr, Eröffnung der „Zehn Reden.“-Reihe mit Landrat Sven Ambrosy, Landkreis Friesland.

CSD-Wilhelmshaven: Predigt von Oberkirchenrätin Gudrun Marwick.

Oberkirchenrätin Gudrun Mawick im Eröffnungsgottesdienst zum 2. Wilhelmshavener CSD am 27. Mai 2022. (Bild: Björn Lübbe)

„Lasst euch im Herzen keine Angst machen!“ Das geht so runter, der erste Satz unserer Evangelienlesung (Johannes-Evangelium 14, 1-6). Euch auch?

Lasst euch im Herzen keine Angst machen! Das sagt nicht irgendwer, sondern Gott, der mir in der Taufe zugesprochen hat: Fürchte dich nicht! Denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. Doch das zu beherzigen und danach zu leben braucht Mut. Immer. Für alle.

Gerade wird in Stuttgart der Katholikentag gefeiert. Zwar lastet Corona hier nicht mehr so schwer wie im letzten Jahr auf dem Evangelischen Kirchentag in Frankfurt. Dennoch sind die Teilnehmendenzahlen im Keller, viele so sorgfältig vorbereitete Veranstaltungen dürftig besucht.

Jedoch ist der Katholikentag ein Anlass für die Medien, kirchliche Themen zu bringen. Und so wurde an diesem Dienstag in den „Tagesthemen“ gefragt: „Was ist eigentlich aus den 125 mutigen Katholikinnen und Katholiken geworden, die bei „out in church“ mitgemacht haben?“ Bei der Dokumentation „Wie Gott uns schuf“ … Wer sie noch nicht gesehen hat –  unbedingt in der ARD-Mediathek anschauen! Sie erregte im Januar großes Aufsehen, weil alle diese Schwestern und Brüder mit katholischer Kirche als Arbeitgeberin sich in diesem Film auf sehr bewegende Weise geoutet haben. Das kann sie nach aktuellem kirchlichen Arbeitsrecht ihre Stelle kosten. Wie geht es ihnen jetzt?

An manchen Tagen hatte ich schon Angst,“ sagt Ralf Klein, Priester im Schwarzwald. Aber auch: „Meine Kirche bleibt mein Zuhause, bleibt mein Zufluchtsort.“ Nicht nur geistlich innerlich, sondern er ist auch nach der Ausstrahlung der Doku an seinem Dom in seiner ländlichen Gemeinde geblieben. Weil er es will und weil er es kann – auch nach dem Film.

Lasst euch in eurem Herzen keine Angst machen. Glaubt an Gott und glaubt an mich. Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen.“ …

Es gehört zum Leben von Getauften immer neue Entdeckungen zu machen im Hause Gottes, im Wohnheim des Glaubens. Sich neu einrichten, ab und zu einen Tapetenwechsel vornehmen, eine andere WG suchen und oft genug lüften. Manche brauchen es auch, einmal ohne Dach über dem Kopf zu leben, auf Wanderschaft zu gehen, sich zu befreien – also aus der Kirche austreten, religiös unterwegs sein, ohne vor Anker zu gehen, vielleicht irgendwann wieder in die katholische Kirche eintreten und dann evangelisch beerdigt werden.

Mich hat beim Film „Wie Gott uns schuf“ sehr berührt, wie sicher sich die Interviewten sind, dass sie in der katholischen Kirche sind und bleiben – mein Zuhause, mein Zufluchtsort. Wie treu und wie verbunden, trotz aller Schwierigkeiten. Etliche von ihnen hätten beruflich auch etwas anderes machen und übertreten oder austreten können.  Aber die Liebe im Herzen ist größer als die Angst darin. Denn zu dieser römisch-katholischen Wohnung oder WG im Haus Gottes zählen sie sich, auch wenn es dort Zimmer gibt, die ihnen nicht gefallen, wo sie nicht willkommen sind. Weil diese Kirche kostbar ist und viel mehr als ihre Homophobie oder ihre Missbrauchsverfehlungen.

Auch in anderen Kirchen sind queere Mitbewohner*innen nicht oder nur mit Abstrichen willkommen. Noch in den 90er Jahren hat mich hat als Oldenburger Vikarin gerettet, dass ich im dortigen queeren Verein „Na und“ dabei war, bei der Zeitschrift „Rosige Zeiten“ mitgearbeitet habe und da durchaus auch als Theologin darin schreiben konnte. Das fanden manche im Verein ein bisschen seltsam, aber es war in Ordnung.

In meiner Kirche aber habe ich mich damals als sperrige Mitbewohnerin gefühlt und wurde auch so behandelt. Und dies galt für viele Evangelische und ich manchen evangelischen Landeskirchen in Deutschland ist dies so geblieben. Unser Bischof hat sich 2018 öffentlich dafür im Namen der oldenburgischen Kirche  entschuldigt.

Lieb doch, wen du willst! In der Bibel wird von Jesus erzählt, dass er liebt wen er will. Vielleicht nicht im sexuellen Sinne, darüber wird einfach nichts berichtet. Aber in dem, wie er sich Menschen ganz zuwandte. Und zwar denen, die von der herrschenden Gesellschaft einen Stempel aufgedrückt bekamen: Du giltst weniger oder du lebst falsch. So der Steuereintreiber Zachäus. „Komm herunter von deinem Baum, auf dem du dich versteckst – heute muss ich bei einkehren!“ Jesus suchte genau diese Leute auf und ließ sie merken: Du bist von Gott geliebt, er will, dass du bei ihm wohnst. So wie Jesus dies tat, ist es wirklich schon eine Lebensform, seine Lebensform: Ich liebe, wen ich will.

Ich werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin. Ihr kennt ja den Weg zu dem Ort, wo ich hingehe.“ Da erhebt sich Protest bei Jesu Jüngerinnen und Jüngern: Wie sollen wir den Weg finden? Und dann antwortet Jesus: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Es gibt keinen anderen Weg zum Vater als mich.

Ich höre das so, dass er damit diese seine Lebensform meint. Doch oft wird dieser Satz als in Stein gemeißelter Absolutheitsanspruch des Christentums verstanden. Dabei gehört zum Wort „Weg“ Bewegung und lernen und weitergehen. Wie die verschiedenen Wohnungen ist dieser Weg mit reichen Früchten, aber auch mit Dornen ausgestattet. Diese Rede Jesu setzt der Evangelist Johannes an den Anfang seiner Passionsgeschichte. Mit ihm beginnen Jesu Abschiedsreden, sein Weg zum Kreuz. Denn er liebt, wen er will.

Lasst euch in euren Herzen keine Angst machen! Dieses Motto seiner Lebensform gibt er seinen Jüngerinnen und Jüngern mit auf den Weg. Und die haben diese Art zu leben beherzigt, mal mit mehr und mal mit weniger Angst im Herzen. Und weitergegeben an alle Getauften, an Christinnen und Christen durch die Jahrhunderte. An diejenigen, die Wohnung haben und wechseln und nehmen im Haus Gottes – mein Zuhause, mein Zufluchtsort Dazu gehört: Den anderen, die andere merken zu lassen, wie Jesus sich zuwendet: Du bist von Gott geliebt. Wie Gott uns schuf.

So können wir gehen auf dem Weg mit der Wahrheit in das Leben. Uns verirren, mit oder ohne Angst im Herzen, verwundet und wieder geheilt. Wir werden stets willkommen sein.

Auszüge aus der Predigt von Oberkirchenrätin Gudrun Mawick (Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg) im ökumenischen Eröffnungsgottesdienst zum 2. Wilhelmshavener Christopher-Street-Day (CSD) am Freitag, 27. Mai 2022 in der Lutherkirche.

Astrid Zaage: Die Welt ist zusammengerückt.

Frieden in Europa, bis vor einer Woche war dies für uns eine Selbstverständlichkeit, aber wir alle mussten mit Entsetzen feststellen, dass ein einziger machtgieriger Despot ausreicht, um unser Weltbild auf den Kopf zu stellen.

Bürgermeisterin Astrid Zaage (Wilhelmshaven) im ökumenischen Friedensgebet am 1. März 2022 (Bild: Screenshot Youtube-Kanal der Sankt Willehad-Gemeinde)

Krieg in Europa ist seit fünf Tagen eine Gewissheit, die für uns alle unfassbar ist. Unsere Gedanken sind bei den mutigen Menschen, bei den Frauen, Männern und jungen Erwachsenen die sich mutig der russischen Armee entgegenstellen und Frieden, Freiheit und Demokratie zu verteidigen. Menschen, die entschlossen für ihre Rechte kämpfen und sich verbittert gegen Unterdrückung und Machtherrschaft wehren.

Unsere Gebete gelten den Vätern, Müttern und Kinder, die in einen Angriffskrieg Putins hineingezogen wurden, wobei sie nur in Frieden leben wollten.

Das größte Land in Europa wird durch Granaten in Schutt und Asche gelegt. All das was die Menschen sich in Generationen aufgebaut haben, ist über Nacht verschwunden. Menschen verlieren ihr Leben in einem völlig sinnlosen Krieg. Es gibt keine Rechtfertigung für einen Krieg, im 21 Jahrhundert müssen Konflikte durch Diplomatie und niemals durch Waffen gelöst werden. 

Aber die Welt hat sich erhoben, und in einer beispiellosen Protestwelle wird rund um den Erdball für Frieden, Freiheit und ein Ende des Krieges in Europa demonstriert.

Die Welt ist zusammengerückt und steht Schulter an Schulter mit der Bevölkerung der Ukraine. Länder wie zum Beispiel Polen und Ungarn, die sich immer strikt geweigert haben, Flüchtlinge aufzunehmen, stehen jetzt an Ihren Landesgrenzen und empfangen die Geflüchteten mit offenen Armen.

Auch wir hier in unserer Stadt sind bereit, wir haben Platz und werden allen helfen, wo wir nur können.  

Der Krieg muss beendet werden sofort, Herr Putin ziehen sie Ihre Armee zurück, und lassen Sie die Menschen in Europa wieder in Frieden und Freiheit leben.

Bürgermeisterin Astrid Zaage (Wilhelmshaven) am 1. März 2022 im ökumenischen Friedensgebet in der Sankt Willehad-Kirche zu Wilhelmshaven. Die Friedensgebete werden getragen von den Gemeinden der St. Willehad-Gemeinde, der Neuapostolischen Kirche, der Banter Kirche und der Luther-Kirche, der Caritas im Dekanat Wilhelmshaven, dem Diakonischen Werk Friesland-Wilhelmshaven und dem Rogate-Kloster Sankt Michael.
Bürgermeisterin Astrid Zaage (Wilhelmshaven) am 1. März 2022 im ökumenischen Friedensgebet

Die nächsten Rogate-Gottesdienste und Gebete:

Wilhelmshaven, Niedersachsen.

  • Dienstag, 5. April 2022 | 18:00 Uhr, ökumenisches Friedensgebet anlässlich des Überfalls Russlands auf die Ukraine. Intervention: Ratsherr Martin Ehlers (CDU Wilhelmshaven). Liturgie: Pastor Frank Moritz (Banter Kirche), Kaplan George Thomas (Sankt Willehad), Monika Stamm (Caritas) und Br. Franziskus (Rogate-Kloster). Diakon Dr. Roushdy Tadros Michael und ein Gemeindechor von St. Maria und St. Mauritius (Koptisch-orthodoxe Kirchengemeinde) singen eine Friedensbitte. Die Friedensgebete werden getragen von den Gemeinden der St. Willehad-Gemeinde, der Neuapostolischen Kirche, der Banter Kirche und der Luther-Kirche, der Caritas im Dekanat Wilhelmshaven, dem Diakonischen Werk Friesland-Wilhelmshaven und dem Rogate-Kloster Sankt Michael. Ort: St. Willehadkirche, Bremer Straße 53, 26382 Wilhelmshaven.

Jever, Friesland. Termine des Demokratieprojektes „FrieslandVisionen: Wie wollen wir morgen leben?“

Berlin, Schöneberg.

  • Ostersonntag, 17. April 2022 | 10:00 Uhr, Eucharistie. Predigt: Br. Franziskus. Lektorendienst: Jürgen Doster. Kirchdienst: Gesine Schmithals. Orgel: Harald Klaus. Ort: Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, Berlin-Schöneberg.

Rückblick: Reihe „Gebet für die Stadt – in der Coronakrise“ dokumentiert auf Youtube

Die einzelnen Andachten der ökumenischen Reihe „Gebet für die Stadt – in der Coronakrise“ sind auf dem Youtube-Kanal der Sankt-Willehadgemeinde Wilhelmshaven jeweils live übertragen worden und archiviert, um sie weiterhin abrufen zu können.

Bild: Screenshot der Ansicht des Youtubekanals der Sankt-Willehad-Gemeinde

Der nächste Termin: Donnerstag, 20. Mai 2021 | 18:30 Uhr, Gebet für die Stadt – in der Coronakrise: Mit Oberbürgermeister Carsten Feist, Stadt Wilhelmshaven. Liturgie: Dechant Andreas Bolten und Br. Franziskus. Ort: Sankt Willehad-Kirche, Bremer Straße 53, 26382 Wilhelmshaven. Hier der Link zum Livestream. Das Gebet wird hier zu sehen sein:

Gottesdienst für Mensch und Tier: Predigt von Prof. Julia Enxing

Zum Franziskusfest feierten wir am 3. Oktober unseren ökumenischen „Gottesdienst für Mensch und Tier“ in der Schöneberger Zwölf-Apostel-Kirche.

Diese Segensfeier ist bei uns Tradition geworden, seit zehn Jahren ist er fester Bestandteil unseres Gottesdienstjahres. Mindestens einmal im Jahr wird zu dieser besonderen Segnungsfeier eingeladen, zumeist am 3. Oktober.

Auch im Coronajahr 2020 wollten wir nicht darauf verzichten. Wir konnten Prof. Dr. Julia Enxing, Dresden, als Predigerin gewinnen. Wir dokumentieren ihre Ansprache hier:

Willkommen im Anthropozän. Anthropozän, so nennen Wissenschaftler:innen unser Zeitalter, ein Zeitalter, in dem Menschen den natürlichen Lebensraum in kürzester Zeit mehr verändert haben als je zuvor. Anthropozän benannt nach dem Anthropos, dem Menschen. Wir haben es also geschafft: ein ganzes Zeitalter wird nach uns benannt. Herzlichen Glückwunsch.

Doch… wer kann schon ernsthaft stolz darauf sein? Die Veränderungen die die Menschheit, die wir, bewirkt haben und bewirken, führen nicht nur zu innovativen Technologien, Pflege-Robotern und E-Autos, sie führen auch zu nuklearen Waffen, Bergen von Plastik an den Stränden der Welt und zu einem massiven Artensterben.




Prof. Dr. Julia Enxing mit Lucy in der Mitte des Tier-Gottesdienstteams (Bild: Markus Beckmann)

Erst kürzlich bekamen wir es schwarz auf weiß: Mit unserem Lebensstil haben wir zwei Drittel der Tierbestände in den vergangenen Jahrzehnten ausgelöscht. Ausgelöscht. Weg. Unwiederbringlich. Zwei Drittel. Das muss man sich mal vorstellen. 68 Prozent der Populationen von Säugetieren, Vögeln, Fischen, Amphibien und Reptilien sind zwischen 1970 und 2016 zerstört worden.

Neulich habe ich Folgendes gelesen: Wenn wir Menschen einander im selben Ausmaß und in derselben Geschwindigkeit töten würden wie wir Tiere töten, wären wir innerhalb von 17 Tagen ausgestorben.

All das macht mich sehr traurig. Es macht nicht nur oft genug traurig, wie wir Menschen miteinander umgehen, es macht mich auch traurig, wie wir mit den Tieren umgehen.

Es macht mich nicht nur traurig, wie sehr wir auf Kosten von anderen Menschen leben, sondern auch, wie sehr wir auf Kosten der Tiere leben.

Als könnten sie etwas dafür.

Als könnten sie etwas dafür, dass wir es waren, die einst entschieden haben, dass wir, die Menschen, die Krone der Schöpfung seien, uns anderen überlegen fühlen und sie zu unseren Dienern und Sklaven machten.

Apropos Krone der Schöpfung – steht davon eigentlich etwas in der Bibel? Ich suche dieses Missverständnis dort schon lange und bin bisher nicht fündig geworden. Ich lese die Schöpfungserzählung und lese dort, dass Gott sich – natürlich nur symbolische, nicht wörtliche – fünfeinhalb Tage für die Erschaffung von Licht und Finsternis, Wasser, Erde und Himmel, Bäumen und Sträuchern, Sternen, Wasser-, Flug- und Landtiere Zeit genommen hat und … einen Nachmittag für den Menschen. Und dass der krönende Abschluss dieses wunderbaren Werkes, die Krönung der gesamten Schöpfung (nicht nur dieses einen nachmittags) der Sabbat war, der siebte Tag. Der Sabbat ist geheiligt, er ist die Krone der Schöpfung, nicht der Mensch. Und der Sabbat gilt selbst den Tieren. Auch sie sollen am Sabbat ruhen von ihrer Arbeit. Sie sind ebenfalls geheiligt. Es ist das Miteinander allen Lebens, das geschaffen wurde, damit es lebt, damit es nur so wuselt und wimmelt, summt und brummt und quietscht, blubbert, bellt, grunzt und miaut.

Das Konzert des Lebens wurde von Gott am Sabbat gekrönt – und da heißt es, dass das gut war. Gott fand das gut, diese Fülle an Leben, diese Lebensfülle. Ich frage mich: Wie muss das nun für Gott sein, dass wir dieses Lebenswerk sukzessive zerstören. Sind wir nicht aufgetragen, den Willen Gottes zu erfüllen?

Sie alle, die sie hier sind und auch die, die nicht physisch, sondern nur in Gedanken hier sein können oder wollen, haben sich hier versammelt, weil sie zu den Menschen gehören, die den paradiesischen Zustand des Miteinanders von Lebendigem kennen, schon erlebt haben und wertzuschätzen gelernt haben. Sie alle haben vermutlich einen Zugang zu dem, was es heißt, die Schöpfung zu lieben. Vielleicht haben Sie einen Garten oder einen Balkon, auf dem sich regelmäßig die Bienen zum Tanz versammeln. Oder sie haben einen Rasen auf dem sich die Grashüpfer tummeln, einen Teich, in dem die Kaulquappen umhersausen oder sie gehen durch einen Park, in dem die Eichhörnchen um die Wette klettern. Vielleicht haben sie auch ein Meerschweinchen, dessen freudiges Quieken ihnen Geschichten aus einer anderen Perspektive erzählt oder sie haben eine Katze, mit der sie eine WG bilden, oder oder oder … oder Sie wissen davon zu berichten, wie bereichernd es ist, mit einem Hund an ihrer Seite leben zu dürfen. Wie schön und manchmal auch wie traurig und sorgenvoll ein Leben mit Tieren ist.

Menschen die ihr Leben mit Tieren teilen dürfen, erfahren häufig das, was manche Bibelschulen, manche Katechese und manche Predigt mühevoll zu vermitteln suchen: Die Zusage: Du bist wertvoll. Ich freue mich, dass Du da bist. Egal, wie Dein Tag war, egal, ob Du es noch zum Friseur geschafft hast, egal, ob Du im Berufsleben erfolgreich warst: Es ist schön, dass Du da bist. So, wie Du bist. Diese vorbehaltlose und zensurfreie Annahme schaffen wir Menschen einander selten zu vermitteln. Das können vermutlich nur Tiere. Hier sind sie uns in der Vermittlung der göttlichen Liebe um einiges voraus.

Der Berliner Philosoph und Schriftsteller Andreas Weber drückt es so aus: „Darin sind sie (die Tiere) so, wie man sich einst die Gnade Gottes vorgestellt hat. Der Schulversager, der von Schwermut gepeinigt wird, hat für seinen Hund denselben Wert als Kumpan und Bezugsperson, als wäre er ein Überflieger. Die beißenden Regeln menschlicher Sozialbeziehungen sind teilweise außer Kraft gesetzt. (…) In einer Welt, in der es nichts geschenkt zu geben scheint, bezeugen Tiere gerade die Möglichkeit unverdienter Gunst.“

Ich kann es nur aus meiner eigenen Erfahrung sagen: Niemand, aber wirklich niemand, hat mich je so ehrlich und so freudig begrüßt, wie meine Hündin. Sie kann mich geradezu überschwänglich überfallen. Wenn ich nach ein paar Tagen von einer anstrengenden Konferenzreise, bei der ich mir unter Umständen harte – oftmals sehr gnadenlose und erbarmungslose – Kritik anhören musste, geprüft, gewogen, gemustert und für gut oder eben nicht gut befunden wurde, nach Hause zurückkomme, rast sie mir entgegen. Sie rast in einer Geschwindigkeit auf mich zu, dass ich nur noch hoffen kann, dass sie es schafft, rechtzeitig abzubremsen. Dann führt sie nicht nur mit ihrer Rute, sondern mit ihrem gesamten Körper einen Tanz der Wiedersehensfreude auf, der nicht aufhören möchte. In solchen Momenten denke ich manchmal: so muss das Paradies sein. Das ist ein Vorgeschmack auf die Aufnahme in das Himmelsreich. Ein schöner, ein tröstlicher Gedanke, dort hoffentlich einst so begrüßt zu werden.

Der Kölner Pastoralreferent Peter Otten drückt es so aus: „Du kannst behaupten, dass du Gott vertrauen kannst. Du kannst darüber predigen, dass Leid und Tod nicht das letzte Wort haben. Du kannst den Satz sagen: Gott liebt dich. Mit einem Hund an deiner Seite hältst du es für möglich.

Ich habe meine Predigt damit begonnen, unser gestörtes Verhältnis zu unserer Mitwelt zu benennen. Und ich habe im Anschluss gezeigt, wie tief die Liebe von Mensch und Tier gehen kann. Das eine schließt das andere offenbar nicht aus. Ich frage mich, wie es uns einst gelingen kann, nicht nur bestimmte Menschen und bestimmte Tiere zu lieben, sondern den Wert des Miteinanders allen Lebens auch auf jene Lebewesen – sei es Mensch oder Tier – zu übertragen, von denen wir gelernt haben, dass sie uns nichts zu sagen haben und deren Anders-Sein wir viel zu häufig mit „weniger Wert sein“ übersetzen.

Als könnten sie etwas dafür.

Ich wünsche mir, dass wir es schaffen, einen Schritt weiter auf einem Weg zu gehen, an dessen Ende wir auch das Leben von Schweinen, Wölfen, Hornissen, von Raben, Amseln, Tauben, Stinktieren, Mistkäfern und Nacktschnecken so begrüßen und annehmen, wie unsere geliebten Tiere es uns heute schon nach einem Arbeitstag an der Eingangstür vormachen.

Möge Gott uns helfen, die Kraft und den Mut hierzu aufzubringen. Amen.

Prof. Dr. Julia Enxing, Dresden

Vorschau 2021: Sonntag, 3. Oktober 2021 | 11:00 Uhr, Erntedank-Gottesdienst für Mensch und Tier zum Franziskusfest. Predigt: N.N.. Liturgie: Pfarrer Burkhard Bornemann, Zwölf-Apostel-Gemeinde, und Bruder Franziskus, Rogate-Kloster. Ort: Zwölf-Apostel-Kirche Berlin-Schöneberg.

Rückblick: Vor zehn Jahren Gründung der Ökumenischen Rogate-Initiative

(Bild: Rogate-Kloster)

Heute vor zehn Jahren: Am 9. September 2009 haben sich zur Rogate-Gründung (Ökumenische Rogate-Initiative e.V.) zehn Menschen in der Zwölf-Apostel-Kirchengemeinde zusammen gefunden, die in ihrer Unterschiedlichkeit einiges gemeinsam erreichen wollten – und auch erreicht haben.

Ein Jahr später, am 29. September 2010, gründeten die Engagierten das ökumenische Rogate-Kloster Sankt Michael.

Rückblick: Friedenspfahl-Enthüllung in Wilhelmshaven

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Vorlage der Agentur Nolte Kommunikation für die Friedensverse auf dem Pfahl vor dem Haus der Diakonie in Wilhelmshaven

Rückblick 2018: Mit einer Andacht übergab am 20. November Kreispfarrer Christian Scheuer den ersten Wilhelmshavener Friedenspfahl. Die Stele wurde von der Holzwerkstatt der VHS Wilhelmshaven und der Agentur Nolte Kommunikation gestaltet. Sie mahnt gemeinsam mit 250.000 Friedenspfählen in 191 Ländern in vielen verschiedenen Sprachen zum Frieden.

Ein Friedenspfahl wird, so erklärte Scheuer, nicht aufgestellt, sondern gepflanzt. So wie der Frieden nicht gesetzt werden könne, sondern wachsen müsse. Frieden sei ein Prozess und Arbeit. Niemals fertig im Sinne von abgeschlossen. So solle auch der Wilhelmshavener Friedenspfahl vorm Diakonischen Werk Ausgangspunkt aller werden, die sich für mehr Frieden einsetzen.
 
Der Friedenspfahl füge sich ein in die Versöhnungsarbeit in der Stadt Wilhelmshaven. Die beiden Weltkriege seien auch von Wilhelmshaven geführt worden und habe hier tiefe Wunden hinterlassen. Der holländische Friedenswunsch erinnere an die vielen niederländischen Zwangsarbeiter, die in Wilhelmshavener Lagern gelitten haben und gestorben sind.
 
Kritisch sieht Scheuer die aktuelle Tendenz weltweiten Wiederaufrüstens. Ein europäische Armee ist kein Fortschritt, mahnte der Kreispfarrer. Wir brauchen wirksame Schritte für einen globalen Frieden.
 
2018 11 20 FriedenspfahlenthüllungDie Aufstellung der Friedenspfähle wird von der Word Peace Prayer Society gefördert. Friedenspfähle gehen zurück auf eine Idee des japanischen Philosophen und Friedenskämpfers Masahisa Goi, der 1969 die ersten Gebetspfähle aufstellte.
 
Die Initiative zur Aufstellung des 1. Wilhelmshavener Friedenspfahls war von der Flüchlingsarbeit des Kirchenkreises Friesland-Wilhelmshaven ausgegangen und von der Stiftung Diakonie am Meer sowie vom Rogate-Kloster unterstützt worden. Der Pfahl trägt zudem die Logos des Kirchenkreises Friesland-Wilhelmshaven, der Stiftung Diakonie am Meer, der Diakonie Deutschland und des Rogate-Kloster Sankt Michael zu Berlin.

Rückblick: Diakonie-Präsident Ulrich Lilie hielt eine „Rede für die Stadt“

2018 08 21 Forum Wilhelmshaven

Screenshoot Diakonie-Homepage

Heute vor einer Woche war Diakonie-Präsident Ulrich Lilie auf Einladung des Rogate-Klosters zu einem „UNERHÖRT! Forum“ in Wilhelmshaven, der zweiten Rogate-Wirkungsstätte.

„Wie geht es Ihren Alten? Wie geht es ihren Kindern, wie geht es Ihren Fremden in Ihrer Stadt?“, fragte Ulrich Lilie dann abends in der gut besuchten Christus- und Garnisonkirche. Der evangelisch-lutherische Kirchenkreis Friesland-Wilhelmshaven, die Citykirche Wilhelmshaven und das Rogate-Kloster Sankt Michael haben Bürger der Stadt und des Landkreises sowie Prominente dazu eingeladen „Zehn Reden für die Stadt“ Wilhelmshaven und die Region zu halten. Präsident Lilie beschließt als zehnter Redner die Sommerreihe mit „Weltstadt Wilhelmshaven – eine Caring Community mit Zukunft“. In seiner Rede entwirft Lilie das Bild eines Gemeinwesens, in dem das aufmerksame Zuhören und Zusammenarbeiten die Basis eines Miteinanders wird, in dem alle Menschen – ob mit oder ohne Migrationshintergrund – eine Heimat finden können: „Das Wir einer Gesellschaft entwickelt sich von unten, subsidiär. Darum gilt: Die Kommune ist der Ernstfall der Demokratie.“

Einen Rückblick und Bilder dazu hier.

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Willkommen zu unseren öffentlichen Gottesdiensten:

Rückblick: Andreas Wagner über „Lass uns einfältig werden”

Rogate Kl_Postkarte_Mond_RZ080615_Web (verschoben) Kopie.jpgSeit Ende Juli veranstaltet der Evangelisch-lutherische Kirchenkreis Friesland-Wilhelmshaven, die Citykirche Wilhelmshaven und das Rogate-Klosters Sankt Michael zu Berlin eine Andachtsreihe zum Lied „Der Mond ist aufgegangen“ von Matthias Claudius in der Christus- und Garnisonkirche. Am 28. August 2017, war Oberbürgermeister Andreas Wagner der Impulsgeber zur Strophe „Lass uns einfältig werden”. Wir dokumentieren hier seine Ansprache:

Der 20. April 2005 ging in die Geschichte ein. Noch heute erinnern sich viele Deutsche an ein Detail, das für immer mit diesem Tag in Verbindung gebracht wird. Und dieses Detail ist nicht etwa die Tatsache, dass Silvio Berlusconi formell seinen Rücktritt als Italiens Ministerpräsident einreichte. Und auch nicht die Tatsache, dass US-Außenministerin Condoleezza Rice die Entwicklung der Demokratie in Russland, vor allem die mangelnde Pressefreiheit und die weitgehenden Machtbefugnisse von Präsident Wladimir Putin, kritisierte. Und nein, dieser Tag ging auch nicht in die Geschichte ein, weil es der letzte Tag in meinem Leben als 36-Jähriger war.

Das Detail, das den 20. April in die deutsche Seele eingebrannt hat, bezieht sich auf ein Ereignis des Vortags: Am 19. April 2005 wählten die 115 Kardinäle am zweiten Tag des Konklaves das neue Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche. Joseph Ratzinger wurde als Benedikt XVI. der erste deutsche Papst seit fast einem halben Jahrtausend. Eine Nachricht, die Millionen Menschen – ganz gleich welchen Glaubens – berührte. Eine Nachricht, die so viele Geschichten transportierte. Eine Nachricht, die so viele Worte wert gewesen wäre.

Und was passierte einen Tag später? Die Bild-Zeitung brachte die Einfalt auf ihren Titel: „Wir sind Papst“. Geben Sie es zu, auch Sie erinnern sich noch bildlich an diese Schlagzeile.

Für mich steht diese Schlagzeile, diese auf drei einfachste Worte heruntergebrochene Nachricht – die zudem auch noch grammatikalisch falsch ist – für einen Trend, der seitdem erschreckende Züge angenommen hat. Waren Nachrichten schon seit jeher verdichtete, lesegerecht aufbereitete Information, verlieren Nachrichten in den letzten Jahren mehr und mehr ihren Informationsgehalt. Aus Verdichtung wird Vernachlässigung. Statt das Wichtigste in aller gebotenen Kürze zusammenzufassen, weicht das Wichtige hinter einer plakativen Schlagzeile zurück und macht der Emotion Platz: eben „Wir sind Papst“.

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Oberbürgermeister Andreas Wagner (2.v.l) in der Christus- und Garnisonkirche Wilhelmshaven

Es geht mit diesen drei Worten nicht darum, die Leser zu informieren, wer wann warum und wie zum Papst gewählt wurde. Es geht auch nicht darum, über die katholische Kirche, ihre Geschichte und ihre Werte zu informieren. Schon gar nicht geht es darum, einen Bezug zur heutigen Zeit herzustellen, kritische Fragen zu stellen und eine Diskussion in Gang zu bringen. Es geht nicht um differenzierte Meinungsbildung. Es geht nicht darum, mündigen Bürgerinnen und Bürgern in einer Demokratie die Werkzeuge an die Hand zu geben, mit denen sie das öffentliche Leben sachlich-kritisch beurteilen und mitgestalten können.

Nein. „Wir sind Papst“ will schlichtweg ein Gefühl ansprechen, das die Menschen vereint, das Stolz und Freude weckt, das Euphorie anstachelt.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Stolz, Freude und Euphorie sind wichtig. Ebenso wie Emotionen wichtig sind. Aber der nüchterne Diskurs rückt mehr und mehr in den Hintergrund, während die Einfalt auf dem Vormarsch ist. „Wir sind Papst“ ist aus meiner Sicht leider ein deutliches Zeichen für eine Bewegung weg von der Wissens-, hin zur Gefühlsgesellschaft. Und in diesem Wandel stecken wir gerade mittendrin.

Entscheidungen werden immer seltener nach gründlicher Abwägung aller Vor- und Nachteile, nach sorgfältiger Betrachtung aller Fakten getroffen. Deutlich häufiger wird dem Bauchgefühl Vorrang gegeben. Der deutsche Satiriker Jan Böhmermann nannte dieses Phänomen sehr treffend „Bauchipedia“.

Eine Entscheidung, die auf eben diesem Bauchipedia basiert, mag im persönlichen Bereich auch vollkommen legitim sein – man sollte in emotionalen Belangen vermutlich sogar viel öfter auf sein Bauchgefühl hören. Aber wenn es um wirtschaftliche oder politische Entscheidungen geht, ist Bauchipedia nicht nur fahrlässig, sondern geradezu gefährlich.

Atomkraftwerke sind eine Gefahr für Mensch und Umwelt – aber hey, so ein Windpark „verspargelt“ doch die Landschaft!

Sie sehen, Baden-Württembergs Ex-Ministerpräsident Erwin Teufel wusste schon 2003, die Macht der Emotionen einzusetzen, um politisch hochkomplexe Sachverhalte herunter zu brechen und die Öffentlichkeit durch die Kraft des Bauchgefühls auf seine Seite zu ziehen. Denn noch heute haben Windkraftanlagen – trotz grüner Landesregierung – bei der baden-württembergischen Bevölkerung ein schweres Standbein. Die Angst vor der Verspargelung von Schwarzwald und Schwäbischer Alb ist ein gewichtiges Argument, das gegen Notwendigkeit, Umweltfreundlichkeit und Effizienz einer modernen Energieerzeugung ins Feld geführt wird. Ich bin froh, dass man in diesem Punkt in unserer Region weitsichtiger ist.

Die Geschichte lehrt uns, dass im Dialog zwischen Politik und Öffentlichkeit seit jeher die Vereinfachung von Botschaften, die Schaffung von Bildern und das bewusste Spielen mit Emotionen gängige Praxis ist. Ich möchte nochmals betonen, dass das per se nichts Schlimmes ist: Die Aufgabe des Politikers ist es schließlich, sich stellvertretend für die Bürgerschaft in hochkomplexe Themen einzuarbeiten, sie zu verstehen und zu durchdringen und sie erklärbar zu machen, um sie schließlich zu bewerten, zu steuern und gegebenenfalls so zu verändern, dass sie einen bestmöglichen Effekt für die Allgemeinheit haben. Da hat die Einfalt keinen Raum!

Der Politiker selbst sollte seine Arbeit aber nicht auf Vereinfachung, Bilder und Emotionen aufbauen. Er sollte sie nicht zur Grundlage von Entscheidungen machen. Und das gilt für Politikerinnen und Politiker auf allen Ebenen: von der Kommunal-, über die Landes- zur Bundes- und Europapolitik.

Auf der anderen Seite ist es die Aufgabe der Medien, ihren Nutzerinnen und Nutzern die komplexen Informationen so aufzubereiten, dass ein sachlicher Diskurs möglich ist. Als Übersetzer und Bewerter nehmen die Medien somit in einer Demokratie eine wichtige Funktion ein.

Die etablierten Nachrichtenformate – ganz gleich ob im Fernsehen, im Hörfunk oder in den Printmedien – haben aber immer größer werdende Probleme im Kampf um die Gunst der Rezipienten. Sie kämpfen um ihre Reichweite. Onlineportale gewinnen zusehends oberhand. Statt ausgebildeter Journalistinnen und Journalisten wählen Blogger, Influencer und selbsternannte Medienexperten nun die Nachrichten und ihre Botschaften aus.

Was folgt, ist eine Spirale der Einfalt: Immer weniger Menschen sind bereit, sich in komplexe Sachverhalte einzulesen, sich mit Dingen zu beschäftigen, die nicht in drei einfachsten Worten zusammengefasst werden können. Statt einer 30-minütigen Dokumentation über den Aufbau des Stromversorgungsnetzes in Deutschland wird das 30-sekündige YouTube-Video über die Katze auf dem elektrischen Saugroboter geschaut. Statt der ohnehin schon einfältigen politischen Diskussion bei „Anne Will“ wird die emotionale Debatte bei Twitter verfolgt. Statt Orwells fast 400 Seiten langem „1984“ werden 1.374 skurrile Fakten im „Unnützen Wissen“ konsumiert.

Statt Information geht es bei der Mediennutzung mehr und mehr um Rekreation – die Unterhaltung läuft dem Wissen den Rang ab.

Um mein persönliches Bauchipedia hierbei nicht zu sehr zu beanspruchen, möchte ich zum Beweis für die Spirale der Einfalt ein Beispiel aus der Onlinegemeinschaft Nummer 1 anführen: Facebook.

41 Prozent aller Deutschen, die online sind, nutzen laut der aktuellen ARD-ZDF-Onlinestudie mindestens einmal wöchentlich diese Community, die damit nach wie vor der Spitzenreiter unter den Onlinecommunitys ist. Vor allem die Altersgruppe zwischen 14 und 29 Jahren ist hier mit 70 Prozent stark vertreten, aber auch die Älteren tummeln sich mehr und mehr auf Facebook. Wer wissen möchte, wie politische Entscheidungen des Rates der Stadt Wilhelmshaven in der Öffentlichkeit diskutiert werden, ist in einer der zahlreichen Wilhelmshaven-Gruppen gut aufgehoben.

Eines möchte ich gleich vorweg stellen: Ich maße mir keinesfalls an, einen umfassenden Überblick über alle Diskussionen, die hier laufen, zu haben. Und ich sehe durchaus, dass so mancher Facebook-Nutzer sehr differenziert und fachlich fundiert zum politischen Diskurs beiträgt. Da es aber heute darum gehen soll, dass wir einfältig werden, möchte ich – Politiker, der ich nun mal bin – jetzt bewusst zum Stilmittel der Vereinfachung und Verallgemeinerung greifen, um meine These möglichst anschaulich und emotionsgeladen zu belegen:

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Die Marktstraße ist Wilhelmshavens wichtigste Einkaufsstraße und Fußgängerzone.

Ende Februar ist ein guter Freund von mir als zweiter Vorsitzender des City-Interessensvereins (CIV) zurückgetreten. Als Inhaber eines Geschäftes in der Marktstraße ist er nicht nur ein umtriebiger Geschäftsmann, sondern auch ein überaus engagierter Vertreter der lokalen Einzelhändler.

Anfang des Jahres wurde politisch und öffentlich diskutiert, an welchen Sonntagen die Geschäfte öffnen dürften. Drei Termine waren fix, bei einem gab es einen Dissens zwischen CIV, der Werbegemeinschaft Nordseepassage und der WTF. In diesem zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang war nun also der Rücktritt meines Freundes zu bewerten, der nicht nur in der gedruckten Ausgabe der Wilhelmshavener Zeitung (WZ) eine Nachricht wert war, sondern auch auf dem Facebook-Account der Wilhelmshavener Zeitung.

Ich habe mein Bedauern bereits zum Ausdruck gebracht: Die „neuen Medien“ befördern den Trend zur Einfalt, indem sie bereits verdichtete Nachrichten nochmals verdichten, dabei aber mehr auf Unterhaltung als auf Information setzen.

Die bereits auf ein Minimum an Information heruntergebrochene Nachricht, dass der zweite Vorsitzende des City-Interessensvereins sein Amt niedergelegt hat, wurde Ende Februar auf Facebook also zur Vier-Wort-Nachricht „XY gibt Posten ab“.

Sie können sich vorstellen, dass der Gehalt einer solchen Schlagzeile für die wenigsten sofort verständlich ist. Die WZ wollte erreichen, dass die Nutzer den beigefügten Link anklicken, in dem alle weiteren Informationen lesefreundlich zusammengefasst waren. Doch die Einfalt war schneller: Statt sich die Mühe zu machen, den verlinkten Beitrag zu lesen, entspann sich binnen kürzester Zeit eine Diskussion um die Verbindlichkeit und Verlässlichkeit der politischen Mitglieder unseres Rates. Man kann nun von den Ratsmitgliedern halten, was man will, aber diese Diskussion war nicht fair.

Was war passiert? Nun, ich würde es mal so rekonstruieren: Unkenntnis der Person und der Materie, die vermeintlich aussagekräftige Schlagzeile und das oblatendünne Wissen um die Strukturen der Kommunalpolitik trafen in einer explosiven Mischung aufeinander. Einmal Bauchipedia befragt, schlossen die Diskutanten sogleich ihre Schlüsse: Wer auch immer dieser Mann sein möge und was auch immer er für ein Amt innehaben möge, das müsste auf jeden Fall etwas mit der Politik zu tun haben! Es war ja schließlich gerade erst Kommunalwahl.

Mein Freund wurde also kurzerhand zu einem Mitglied des Rates – sogar zum zweiten Vorsitzenden des Rates! – hatte seine Wähler getäuscht und sein Amt nach zwei Monaten bereits wieder an den Nagel gehängt. Was für ein Skandal! Und was für eine ebenso einfältige, wie unsinnige Diskussion, der sich einige Nutzer mit hohem Eifer hingaben.

Liebe Gemeinde, als Matthias Claudius uns zu mehr Einfalt aufrief, tat er das in guter Absicht:

Gott, lass dein Heil uns schauen,
auf nichts Vergänglichs trauen,
nicht Eitelkeit uns freun;
lass uns einfältig werden
und vor dir hier auf Erden
wie Kinder fromm und fröhlich sein.

Bildschirmfoto 2017-07-04 um 22.31.10Es ist sicherlich auch heutzutage angebracht, hin und wieder den Kopf auszuschalten und bewusst Abstand zu nehmen. Die Welt ist schon kompliziert genug, da tut es zwischendurch einfach mal gut, sich auf die Nichtigkeiten des Alltags zu konzentrieren, sich an scheinbar Belanglosem zu erfreuen und mal nicht alles zu hinterfragen und zu bewerten. Eben einfach mal fromm und fröhlich wie ein Kind zu sein. Einfalt als Mittel der Entspannung, Unterhaltung und Rekreation ist ein wunderbares Mittel. Aber hin und wieder ist es eben notwendig, der Einfalt Einhalt zu gebieten.

Die Demokratie hat die Macht, den Willen der Allgemeinheit durchzusetzen, vernünftige Entscheidungen zu finden, die für die Gesamtgesellschaft wichtig und richtig sind. Und genau deswegen ist es wichtig, dass die Gesamtgesellschaft und ihre gewählten politischen Vertreter zwischen Einfalt und Vielfalt differenzieren können.

Und was den eingangs angesprochenen Trend weg von der Wissens-, hin zur Gefühlsgesellschaft angeht: Sie werden es mir bitte nachsehen, dass ich als Politiker bewusst zur Emotion greife. Man sagt schließlich aus gutem Grund „Lieber eine starke Behauptung als ein schwaches Argument“.

Ich wollte Sie heute Abend zum Nachdenken, zum Hinterfragen und Differenzieren bewegen. Ich hoffe, das ist mir gelungen. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass wir uns in der öffentlichen Diskussion wieder mehr über Fakten als über Bauchgefühle unterhalten.

Oberbürgermeister Andreas Wagner, Wilhelmshaven

Rückblick: Predigt von Pfarrer Burkhard Bornemann im Eröffnungsgottesdienst des 23. Stadtfestes Berlin

Einzug des Predigers Burkhard Bornemann (Foto: Ilse Bohn)

Pfarrer Burkhard Bornemann, amtierender Superintendent des Kirchenkreises Berlin-Schöneberg, hielt am Freitag die Predigt im Eröffnungsgottesdienst des 23. Lesbisch-schwulen Stadtfests Berlin. Mitwirkende waren zudem der Friedenauer Posaunenchor, Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler, Dekan Ulf-Martin Schmidt, Geschäftsführer Jörg Steinert (LSVD Berlin-Brandenburg), MdB Mechthild Rawert und Vikarin Anna Trapp (Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche). Orgel: Malte Mevissen. Fotos davon finden Sie hier. Sie können die Ansprache von Pfarrer Bornemann hier im Wortlaut nachlesen:

„Wenn zwei sich lieben, küssen sie sich.

Ein Kuss ist ein Kuss ist ein Kuss – in diesem Sinne eine kleine Hommage an Gertrude Stein und ihre Rose.

Wenn zwei, die sich lieben, sich begehren, ist das ihrem Kuss anzusehen, abzuspüren.

In einer Welt, die vor Gewalt, Hass, Ausgrenzung zu bersten droht – wird der Kuss als Provokation wahrgenommen.

Der Kuss der Begehren ausdrückt, der erotische Kuss: Das Erleben, da sind zwei glücklich – und ich gehöre nicht dazu – löst Neid aus. Kann Neid auslösen. Das kenne ich auch von mir – Neid ist kein schönes Gefühl. Und deshalb anderen verbieten wollen, ihr Glück zu zeigen – auch in der Öffentlichkeit zu leben – das ist schäbig. Und alltäglich.

Der Kuss Menschen gleichen Geschlechtes – zeigt schnell, wie homophob wie ablehnend und ausgrenzend nicht nur restriktive Gesellschaften, auch angeblich liberale immer noch sind. Wie sehr Homophobie immer noch „drin“ steckt.

Ein Kuss ist ein Kuss ist ein Kuss

Zeichen einer Welt ohne Ablehnung ohne Ausgrenzung – in der Lesben, Schwule, Trans- und Intersex-Menschen frei und selbstbewusst leben, in der wir frei lieben und unsere Liebe offen zeigen können ohne Angst

Das ist die Welt von der die biblischen Propheten sprechen – der Welt der Neuschöpfung. Im 65. Kapitel im Jesaja- Buch heißt es: „Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird. Freuet euch und seid fröhlich immerdar. Denn siehe, ich will Wonne schaffen und Freude und ich will fröhlich sein und mich freuen über mein Volk. Man soll in ihm nicht mehr hören die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens.“ Das ist die Welt, die Gott für uns gedacht hat, eine Welt nicht von Krieg und Raffgier, von Neid und Ausgrenzung – eine umfassende Welt, in der die Liebe und unsere Liebesfähigkeit zählt, unsere Fähigkeit zu Freude. Zum Fest.

Jeden Tag erleben wir, wie weit wir davon entfernt sind.

Und doch: Wer sein Ziel kennt, findet den Weg.

Es gibt Stationen des Weges: Die Ehe-für-Alle ist eine solche Station.

Sie ist wichtig, um gleiches Recht zu gewähren. Um in der rechtlichen Gleichstellung nicht Partnerschaft 1. Klasse und 2. Klasse zu unterscheiden.

Deshalb werden wir nicht lockerlassen, dieses Recht einzufordern.

Ich bin auch fest davon überzeigt, dass die geschlechtsunabhängige Ehe, die Ehe/für/Alle dieses altgewordene Rechtsinstitut der Ehe, diese so brüchige Vereinbarung insgesamt beleben kann. Der Bruch mit der Heteronormativität der Ehe gibt der Ehe an sich eine Chance zur Lebendigkeit, die sie meiner Wahrnehmung nach als normative Verbindung von Mann/Frau längst verloren hat.

Doch ist die Ehe/für/Alle eine Wegstation, nicht das Ziel.

Trotzdem ist alles, was sich um dieses Anliegen herum konstruktiv ereignet, Leuchtfeuer für die Liebe, für das Leben, für gelingende Gemeinschaft.

Sei es das Votum aus Irland – sei es der Gerichtsentscheid in Mexiko – Gründe der Freude! Sei es die Entscheidung der Synode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz, bis zum nächsten Jahr die rechtlichen und gottesdienstlichen Bedingungen zu schaffen, dass auch für gleichgeschlechtliche Paare die Trauung kirchlich vollgültig vollzogen wird. Dass in meiner Kirche dieser Weg gegangen wird – das freut mich als Mensch der Kirche besonders. Es zeigt sie als entwicklungsfähig und inzwischen auch entwicklungsbereit. Berührt und bewegt von den Humanisierungskräften des Christus Jesus – in seinem Geist der bedingungslosen Annahme eines Jeden/ einer Jeden – in dem eigenen So-sein, so bunt so vielfältig so unterschiedlich wir Menschen sind und lieben und begehren.

Ein Kuss ist ein Kuss ist ein Kuss

So ist ein Kuss ein schönes Zeichen als Einladung für das 23. Lesbisch- schwule Stadtfest. Wie wir auf dem Plakat an vielen Orten aufgehängt sehen konnten.

Und hat doch in konkreter Gestaltung zu Irritationen, zu deutlicher Kritik geführt. Schließlich, neben anderen Gründen zum Ausstieg der Lesbenberatung aus dem diesjährigen Stadtfest, die nun nicht mit einem Stand vertreten ist.

Diese Irritation und Kritik gilt es erst einmal wahrzunehmen und ernst zu nehmen. Der gemeinsame Weg der Emanzipation der LGBTI – Community ist da wirklich herausgefordert. Da läuft etwas deutlich schief, wenn sich Lesben in der Community deutlich marginalisiert erleben. Wenn ganz unverhohlen bei dem Anliegen der Ehe/für/Alle von der „Schwulen-Ehe“ gesprochen werden kann, ist das ganz offensichtlich nur ein eklatantes Beispiel für eine gesellschaftliche Grundtendenz, die weit in die Community hineinreicht. Für mich war es in aller eigenen deutlichen Beschämung – dass ich es gar nicht bemerkt hatte, so sehr mit der eigenen Lebenswirklichkeit in Kirche und Gesellschaft beschäftigt war, da war es die Titelstory der „Siegessäule“ im März „Lesben raus – Vom Verschwinden einer Identität“, der mir geholfen hat, wahrzunehmen und auch zu verstehen. Stephanie Kuhnen schreibt dort: „Die Verliererinnen sind wieder einmal die Lesben, die nach der Normalisierung auf die billigen Plätze verwiesen wurden und allmählich aus der Legende der erfolgreichen Emanzipation geschrieben werden. So wiederholt sich die Erfahrung mit der zweiten Frauenbewegung, deren Impulsgeberinnen in vielen Fällen Lesben waren, die sich solidarisch mit allen Frauen im Kampf gegen Misogynie und für ein selbstbestimmtes Leben engagierten und am Ende ihre politischen und autonomen Treffpunkte wie FrauenLesbenzentren verloren und von den heterosexuellen Frauen in den Institutionen verdrängt wurden. In der lesbisch-schwulen Bewegung sieht es nicht anders aus: Lesben kämpfen für alle Homosexuellen, Bisexuellen und Transgender – und die bürgerlichen Schwulen weitgehend und mit wenig sichtbaren Ausnahmen für sich selbst, wie es scheint.“ Diese Worte nehme ich sehr ernst, auch die Kritik am Plakat, die hier Klischees und mangelnde Realität verbunden mit Fehlern im Arabischen – damit: mangelnde Achtsamkeit und fehlende Sensibilität für Gegebenheiten wahrnimmt. Ernstnehmen und im guten Sinne damit auseinandersetzen – das ist geboten. Beschimpfen und Verächtlichmachen der Kritik oder gar von Menschen – so wie es die Geschäftsführerin der Lesbenberatung gerade erlebt – das ist finster.

Wenn wir das Ziel im Auge behalten, bedeutet es ungeteilte Menschlichkeit ungeteilte Menschenrechte ungeteilte Emanzipation – im Miteinander.

Am Ende des 65. Kapitels von Jesaja heißt es: „Wolf und Schaf sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind. Sie werden weder Bosheit noch Schaden tun“ – so malt es diese Vision eines befriedeten Lebens.

Die Regenbogenfahne im Eröffnungsgottesdienst des Rogate-Klosters zum Stadtfest. Bild: Christiane Weidner

Im Blick auf das Ziel eines offenen Lebens ohne Ausgrenzung darf auch immer wieder – und trotz alledem, was weiterhin bruchstückhaft und enttäuschend ist – darf auch immer wieder gefeiert werden. Das gemeinsame Feiern von Menschen, deren Gemeinschaft eigentlich unmöglich ist – das hat Jesus immer wieder praktiziert – für ihn ist genau das Fest Vorgriff auf das Reich Gottes – das Ziel…. Okay, das wird nicht bei jedem Gottesdienst deutlich…. Nicht jedes Fest strahlt das aus. Aber es gilt für unsere Feste: So darf es sein.

Der offen schwul lebende Imam Muhsin Hendricks, der in Südafrika praktiziert, schreibt: „Wir feiern die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität als natürlichen Weg und Gottes Schöpfung.“

Das ist für mich die rechte Haltung, das diesjährige Lesbisch-schwule Stadtfest zu feiern – das ist der innere Beweggrund dieses Gottesdienstes und seines Abendmahles –

Wir feiern die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität als natürlichen Weg und Gottes Schöpfung.

Amen.“

Lesen Sie auch: Fünf Freitagsfragen an Pfarrer Burkhard Bornemann, amtierender Superintendent des Kirchenkreises Schöneberg, über den heutigen Eröffnungsgottesdienst zum 23. Lesbisch-schwulen Stadtfest Berlin, das Leben in der Kiez-Gemeinde und wie die Kirche Stellung beziehen sollte.

Mehr Infos finden Sie hier: zwoelf-apostel-berlin.de

Weitere Freitagsfragen – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de _________________________________________________

Willkommen zu unseren öffentlichen Gottesdiensten in der gastgebenden Ev. Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg:

  • Heute, Sonntag, 21. Juni 15, Teilnahme mit eineRogate Kl_Postkarte_Mond_RZ080615_Web (verschoben) 1 Kopiem Info-Stand auf dem “23. Stadtfest des Regenbogenfonds“, Schöneberg
  • Dienstag, 23. Juni 15 | 19:00 Uhr, VESPER, das Abendgebet, Zwölf-Apostel-Kirche
  • St. Johannistag, Mittwoch, 24. Juni | 18:00 Uhr, Eucharistie, Hauskirche Maria von Magdala, Alt-katholische Gemeinde Berlin, Detmolder Straße 4, 10715 Berlin-Wilmersdorf
  • Donnerstag, 25. Juni | 20:30 Uhr, Andacht “Der Mond ist aufgegangen. Musik – Wort – Sommerabendsegen”. Impuls: Pater Engelbert Petsch, Aktion “Die Flamme der Hoffnung – The Flame Of Hope”, zu „Der Mond ist aufgegangen”. Orgel: Manuel Rösler. Violoncello: Emily Saße.
  • Dienstag, 30. Juni 15 | 19:00 Uhr, VESPER, das Abendgebet, Zwölf-Apostel-Kirche
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