Carsten Feist: Ansprache im „Gebet für die Stadt – zum Gedenken an das Kriegsende in Wilhelmshaven“

Heute vor 76 Jahren endete der Zweite Weltkrieg für Wilhelmshaven und die Überlebenden in der Stadt.

Die Kapitulation wurde in der Nordseestadt bereits am 6. Mai 1945, zwei Tage vor der allgemeinen Kapitulation Deutschlands, unterschrieben.

Oberbürgermeister Carsten Feist hat am Abend in einer Rede im „Gebet für die Stadt – zum Gedenken an das Kriegsende in Wilhelmshaven“ in der Sankt-Willehad-Kirche daran und an die Befreiung vom Faschismus erinnert. Er nahm in seiner Ansprache auch Bezug auf heutige antidemokratische Tendenzen und Radikalisierungen.

Die Ansprache ist hier zu sehen:

Die nächsten Rogate-Andachten:


Trauer: Rogate-Ehrenmitglied Pfarrer i.R. Gerhard Fischer verstorben.

2017 10 Trauer-Gerhard FischerDas Rogate-Kloster Sankt Michael zu Berlin trauert um sein am 9. Oktober 2017 verstorbenes Ehrenmitglied Pfarrer i.R. Gerhard Fischer.

Er war als Geistlicher u.a. an der Paul-Gerhardt-Kirche bzw. der Dorfkirche in Alt-Schöneberg tätig.

Pfarrer Fischer war uns geistlicher Freund, liturgischer Ratgeber und im Gebet verbunden. Wir sind dankbar, dass wir ihn kennenlernen und erleben durften. Seine Frömmigkeit, ökumenische Weite und sein Glaube haben uns tief beeindruckt und unser Kloster mitgeprägt. Dafür sind wir dankbar.

Der Herr gebe ihm die ewige Ruhe und das ewige Licht leuchte ihm. Der Herr lasse ihn ruhen in Frieden. Amen.

Rogate-Kloster Sankt Michael zu Berlin

Die verbleibenden Ehrenmitglieder des Rogate-Klosters sind Alt-Oberin Ruth Sommermeyer, Pater Klaus Mertes SJ und der Bischof von Saltillo, José Raúl Vera López.

Fünf Fragen an: Bischof Burgert Brand, Ev.-luth. Kirche in Namibia

Fünf Freitagsfragen an Burgert Brand, Bischof der Evangelisch-lutherischen Kirche in Namibia, über die Chancen seiner Kirche vor Ort, Weihnachten bei 40 Grad und das Gedenken an die Niederschlagung des Aufstandes der Herero und Nama.

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Bischof Burgert Brand (Bild: privat)

Burgert Brand wurde 1959 im namibischen Swakopmund geboren, ist in Namibia aufgewachsen und hat seine theologische Ausbildung in Südafrika absolviert. Während der Unabhängigkeitswerdung Namibias – 1989 bis 1995 – war er Pastor in Windhoek und einigen Landgemeinden, dann zuständig für den Aufbau einer multikulturellen Gemeinde in Südafrika nach der politischen Wende dort. Anschließend fünf Jahre Schulpastor im südafrikanischen Hermannsburg und seit Beginn 2015 Bischof der Evangelisch-lutherischen Kirche in Namibia (DELK).

Rogate-Frage: Herr Bischof Brand, wie können wir uns im fernen Europa die Evangelisch-Lutherischen Kirche in Namibia und gemeindliches Leben vorstellen?

Burgert Brand: Lebendig. Divers. Kompliziert. Schließlich gibt es drei lutherische Kirchen in Namibia, die jeweils eine andere Geschichte und damit auch eine jeweils andere Identität haben. In dem mehr deutschsprachigen Teil der lutherischen Familie, in der ich meinen Dienst tue, sind Pfarrer meist auch Fahrer. Viele Kilometer sind die Kollegen und Kolleginnen unterwegs zu den verschiedenen Gottesdienstorten. Diese werden nicht durch Gebäude definiert, sondern eher durch Menschen. Gottesdienste finden auf Farmen statt, also dort, wo die Menschen leben und arbeiten. Da kommt Gemeinde dazu, aber eben auch Besucher und Farmer aus der Umgebung, egal wo sie sonst geistlich hingehören. Es wird gesungen, gebetet, gepredigt; besonders wichtig ist jedoch der Gemeinschaftsaspekt. Die Gemeinde bleibt zusammen zum Kaffeetrinken und Abendbrot. In diesem Rahmen finden seelsorgerliche Gespräche statt, wird der Gottesdienst reflektiert, kommt es zu Diskussionen über Farmerei, Politik und Kirche.

Aber abgesehen von den ländlichen Gemeinden, die bei uns die Mehrheit bilden, gibt es auch Kirche in der Stadt. Swakopmund ist eine Schulstadt, dazu der Ort, an dem sich viele alte Menschen zur Ruhe setzen. Das Gemeindeangebot muss also gezielt die Jugendlichen und die Senioren ansprechen – und tut das auch mit viel Phantasie. Windhoek ist Landeshauptstadt. Hier konzentriert sich die Gemeinde sehr darauf, ein buntes Gottesdienstangebot zu gestalten. Durch die Demographie der Stadt bieten sich ihr viele missionarische und kulturelle Möglichkeiten, die sie wiederum in Partnerschaft mit anderen in Angriff nimmt.

Rogate-Frage: Wie kann die evangelische Kirche wirken und sich in Ihrem Land einbringen?

Burgert Brand: Die evangelische Kirche ist bei weitem die größte Kirchfamilie in Namibia. Etwa 68 Prozent der Bevölkerung sind Lutheraner, dazu kommen noch Anglikaner, Methodisten, verschiedene Kirchen der reformierten Familie – und je nach ökumenischer Perspektive kann diese Aufzählung erweitert werden.

Wir Christen – und besonders wir Evangelischen – sind gefragt. Wir feiern Gottesdienste und müssen fragen, wie Lehre und Verkündigung das Bild unseres Landes beeinflussen und prägen. Wir konfirmieren junge Menschen und müssen sie an ihre Verantwortung in Staat und Gesellschaft erinnern.

Wenn ich ganz ehrlich bin, tun wir uns schwer, unseren Glauben in politisches Handeln umzusetzen. Viele Jahre wurde den Reformierten vorgeworfen, sich mit den Machthabern der Apartheid solidarisiert zu haben. Heute muss sich die lutherische Familie fragen, inwiefern es ihr gelingt, eine kritische Distanz zur regierenden Partei zu gewinnen, mit der sie sich im Befreiungskampf solidarisiert hatte.

Dabei gibt es viel zu tun. Mit der Bildung liegt vieles im Argen – und Bildungsfragen sind ein genuin evangelisches Anliegen; es reicht nicht, Kindergärten zu betreiben, wenn die Erzieher nicht entsprechend ausgebildet werden und so weiter.

Die evangelische Kirche müsste sich meiner Ansicht nach öfter, klarer und kritischer zu Wort melden. Solch eine kritisch-solidarische Stimme könnte das Gespräch im Land bereichern und würde auch die Regierenden mit einbeziehen; schließlich gehören ganz viele von ihnen bewusst zur Kirche und nehmen an den Angeboten der Kirche teil.

Rogate-Frage: Wie feiert man bei Ihnen Advent und wie Weihnachten? Wie werden Sie die Tage begehen?

Burgert Brand: Damit es nicht zu kompliziert und bunt wird, beschränke ich mich bei meiner Antwort wieder auf den deutschsprachigen Teil der Familie. Wer noch einen Draht zur Kirche hat, geht am Heiligen Abend in die Kirche. In Windhoek allein gibt es ein Familienangebot am Nachmittag, eine Vesper, die meist im Rundfunk gesendet wird und in der Nacht noch eine Mette. Alle diese Gottesdienste werden gut besucht. Am Weihnachtstag kommen meist nur die Treuen.

Vieles mag sehr “Deutsch” anmuten: Strohsterne, Lametta, bunte Kugeln, in vielen Familien noch richtige Kerzen. Bei der Auswahl des Weihnachstbaums wird es schon viel differenzierter; bei uns im Haus steht in der Regel ein Dornenbusch, andere nutzen die trockenen Blütenstämme der Agaven oder Aloen. Es wird viel gesungen, aber erst in letzter Zeit wandern auch namibische Texte und Kompositionen in den Gottesdienst ein.

Sie können davon ausgehen, dass es am Heiligen Abend und Weihnachtstag heiß ist. Zwischen 35 – 40 Grad sind keine Seltenheit. Gesprächsthema ist und bleibt: Regen. Für Farmersleute und Stadtmenschen ist Regen in gleicher Weise das Weihnachstgeschenk schlechthin. Es kommt auch gezielt in den Kirchengebeten vor.

Und ich? Meine Frau und ich freuen uns darauf, dass wir mit zweien unserer drei Kinder die Festtage verbringen dürfen, dazu ein erstes Mal mit unserem Enkelkind. Weihnachten und Familie gehören bei uns ganz eng zusammen.

Rogate-Frage: Am 9. November 2016 haben Sie die Christus- und Garnisonkirche in Wilhelmshaven (Niedersachsen) besucht, um eine Tafel zu sehen, die an den Krieg gegen die Herero und Nama im damaligen Deutsch-Südwest-Afrika zu Beginn des 20. Jahrhunderts erinnert. Wie kam es zu dieser Visite und wie hat das Denkmal auf Sie gewirkt?

Burgert Brand: Chefredakteur Reinhard Mawick von den “Zeitzeichen” hatte mich eingeladen, mit ihm Wilhelmshaven und dort die Kirche zu besuchen. Zusammen mit anderen Journalisten hatte er im Mai Namibia bereist, und da kamen wir auf die große Gedenktafel in der Windhoeker Christuskirche zu sprechen und die Überlegung in Windhoek, sich das Modell der Wilhelmshaven Gemeinde einmal anzusehen.

Zunächst fielen mir bei dem Besuch die ganz anderen äußeren Bedingungen auf: Die namibische Tafel in Wilhemshaven ist eine von vielen; sie ist sehr klein im Verhältnis zu dem, was in Windhoek an der Wand hängt; das Kirchgebäude hat eine militärische Vergangenheit, mit der sich die “Zivilgemeinde” nun zu befassen hat, während in Windhoek in einer “Zivilgemeinde” ein militärisches Denkmal angebracht wurde. Hinzukommt, dass zwischen Kolonial- und Militärgeschichte unterschieden werden muss, wenngleich es bestimmte Parallelen gibt.

Allein diese Differenzen geben mir viel zu denken. Unser Projekt in Windhoek wird nicht so einfach sein, wie wir uns das vorgestellt hatten. Für diesen Schritt zurück bin ich dankbar. Die Kollegen in Wilhemshaven haben sich sehr bemüht, die Hintergründe und Ziele ihrer Aktion darzustellen, den größeren Kontext aufzuweisen und die Notwendigkeit, sich gerade in ihrer Kirche den verschiedenen politischen und geschichtlichen Herausforderungen zu stellen, die durch die vielen Tafeln einfach da sind. Ich bin ihnen sehr dankbar und habe viel gelernt!

Rogate-Frage: Am 10. Juli 2015 wurden die Ereignisse vom deutschen Auswärtigen Amt erstmals als Völkermord bezeichnet. Welche Bedeutung hat die Anerkennung des Genozids für die Menschen in Namibia heute?

Burgert Brand: Diese Frage kann ich nicht beantworten, weil das Spektrum der Meinungen, Erwartungen und Befürchtungen sehr breit ist. In Deutschland hat man eine politische Entscheidung gefällt, indem man den Begriff “Genozid” auf den Weg der Anerkennung brachte. Dieses Kapitel ist ja noch nicht abgeschlossen. Aber es gibt seriöse Historiker, die sich mit der Anerkennung dieses Begriffs schwertun. Ihre Einwände werden jedoch vielerorts nicht gern gehört. Oft redet man aneinander vorbei, weil die einen historisch und die anderen juristisch argumentieren. In Namibia haben sich Vertreter der Nama und Herero zu Wort gemeldet und fordern die deutsche Regierung auf, den Sonderbeauftragten und derzeitigen deutschen Botschafter abzuberufen; diese seien unglaubwürdig. Warum? Weil Herr Polenz sich nicht auf eine Parallele zwischen Judenpogrom und Hererogenozid einlassen wollte. Diese beiden Dinge seien für ihn nicht gleichwertig. Das hat man als eine Beleidigung verstanden. Die namibische Regierung ist politisch gesehen der einzige Partner, der mit der deutschen Regierung verhandeln kann. Das sehen die Vertreter der Betroffenen ganz anders.

Sie merken schon – es gibt keine einfache Antwort auf ihre einfache Frage.

Rogate: Vielen Dank, Bischof Brand, für das Gespräch!

Weitere Freitagsfragen – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de

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Willkommen zu unseren nächsten öffentlichen Gottesdiensten in der Zwölf-Apostel-Kirchengemeinde, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg:

Worldwide Candle Lighting Day: Sternenkinder-Gottesdienst am Sonntag

rogate-kl_postkarte_sternenkinder_090316-kopieAm Sonntag, 3. Advent, 11. Dezember 2016 | 17:00 Uhr, lädt das Rogate-Kloster Sankt Michael zu Berlin anläßlich des Worldwide Candle Lighting Day zu einem Sternenkinder-Gottesdienst für verwaiste Eltern und ihre Angehörigen nach Schöneberg ein. Der Neubrandenburger Pastor Engelbert Petsch, Aktion “Die Flamme der Hoffnung”, wird den Gottesdienst leiten.

Erreichbar ist die Zwölf-Apostel-Kirche mit öffentlichen Verkehrsmitteln: über die U-Bahnhöfe: Kurfürstenstraße (U1) Nollendorfplatz (U1, U2, U3, U4). Oder per Bus: Kurfürstenstraße (M85, M48), Nollendorfplatz (M19, 187) und Gedenkstätte Dt. Widerstand (M29). Fahrrad- und PKW-Stellplätze vor dem Gemeindezentrum und in der Genthiner Straße. Adresse: An der Apostelkirche 1, Berlin-Schöneberg.

#PrayForOrlando: Trauer-Vigil am Montag im Rogate-Kloster

Ckw6gIrXEAAOI6tAnlässlich der Ereignisse von Orlando und des Angriffs auf die LGBTIQ-Community: Der LSVD Berlin-Brandenburg, der Kirchenkreis Tempelhof-Schöneberg und das Rogate-Kloster laden zu einer Trauer-Vigil heute, Montag, 13. Juni 2016, um 20:30 Uhr ein. Die Kirche wird ab 20 Uhr für eine stille Zeit und zum Kerzenentzünden geöffnet sein. Kurze Reden werden gehalten u.a. von Jörg Steinert, Volker Beck und Angelika Schöttler.

Orgel: Manuel Rösler. Zur Facebook-Einladung hier.

Erreichbar ist die Kirche mit öffentlichen Verkehrsmitteln und über die U-Bahnhöfe: Kurfürstenstraße (U1) Nollendorfplatz (U1, U2, U3, U4). Oder per Bus: Kurfürstenstraße (M85, M48), Nollendorfplatz (M19, 187) und Gedenkstätte Dt. Widerstand (M29). PKW-Stellplätze vor dem Gemeindezentrum und in der Genthiner Straße. Adresse: An der Apostelkirche 1, Berlin-Schöneberg.

Fünf Fragen an: Pfrn. Marion Gardei, Beauftragte für Erinnerungskultur der EKBO

Fünf Freitagsfragen an Marion Gardei, Pfarrerin der EKBO, über vergegenwärtigende Erinnerung als konstitutiver Bestandteil jüdischen und christlichen Glaubens sowie jüngste Schändungen der Gedenkstätte im ehemaligen KZ-Außenlagers Jamlitz-Lieberose.

Bildschirmfoto 2016-05-18 um 18.27.22Marion Gardei ist Beauftragte für Erinnerungskultur der Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). Sie studierte evangelische Theologie in Berlin und Judaistik an der Hebräischen Universität in Jerusalem mit dem EKD-Projekt „Studium in Israel“. Sie war Pfarrerin in der Evangelischen Kirchengemeinde Dahlem. Sie ist Mitherausgeberin der „Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Dialog“.

Rogate-Frage: Frau Pfarrerin Gardei, was ist Erinnerungskultur und warum ist sie Aufgabe der Landeskirche?

Marion Gardei: Erinnerungskultur ist die Art und Weise, wie wir uns an Ereignisse der Vergangenheit öffentlich erinnern. Dabei treffen wir als Einzelne oder als Gemeinschaft Entscheidungen – bewußt oder unbewußt -: Was ist uns wichtig und was nicht? In welcher Form wollen wir erinnern? Manches verschwindet aus dem kollektiven Gedächtnis, manches ist ganz präsent.

Kirchliche Erinnerungskultur ist kein Selbstzweck, sondern will der Schuld und Versäumnisse gedenken und die Verantwortung der Kirche benennen, wo sie geschwiegen oder mitgemacht hat, statt sich dem Unrecht entgegen zu stellen. Das geschieht, damit sich solches nicht wiederholt. Den Opfern, die namenlos gemacht wurden, soll eine Stimme gegeben werden. Erinnert werden soll aber auch an Menschen, die protestiert haben gegen Unrecht und Unmenschlichkeit und dafür mit der Freiheit oder mit dem Leben bezahlen mussten.

Auch säkulare Formen des Gedenkens haben ihren Ursprung in der religiösen Praxis: Die jüdisch-christliche Religion ist eigentlich der „Erfinder“ der Erinnerungskultur. In der Bibel gibt es die Weisung „Gedenke“ in vielen Zusammenhängen. In der Bibel werden auch bestimmte Orte zur Erinnerung markiert, Gedächtnisfeste eingesetzt.

In der EKBO ist in den letzten Jahren eine beachtliche Erinnerungs- und Gedenkkultur gewachsen, die nach zeitgemäßen Formen fragt, auch um junge Menschen einzubeziehen. Sie beruft sich bewusst auf ihre biblischen Wurzeln und ist Teil der Glaubenspraxis und des kirchlichen Handeln: Gedenktage wie zum Beispiel der 9. November werden ins Kirchenjahr integriert und liturgisch begangen, Menschen, die aus ihrem christlichen Glauben heraus Widerstand gegen Diktatur und Unrecht leisteten werden als Glaubenszeugen wahrgenommen.

Rogate-Frage: Womit beschäftigen Sie sich in Ihrer Arbeit?

Marion Gardei: Es sind vor allem die beiden großen Diktaturen des vorigen Jahrhunderts, die die kirchliche Erinnerungsarbeit beschäftigen, aber immer bezogen auf die Gegenwart. In einer Zeit, wo es immer weniger Zeitzeugen gibt, gilt es, die Arbeit der kirchlichen Erinnerungsorte in unserer Landeskirche zu stärken und zu koordinieren. Hier wird Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes be-greifbar. Wir entwickeln hier Profile und Lernprogramme für außerschulisches Lernen, aber auch für Erwachsene. Lern- und Erinnerungsorte werden auch durch kirchliches Handeln zu Gedenkorten, an denen auch spirituelle Erfahrungen gemacht werden können. Für die vielen Ehrenamtlichen, die an kirchlichen Gedenkorten arbeiten, biete ich zum Beispiel theologische, pädagogische und historische Aus- und Fortbildungen an.

Mich beschäftigt sehr die Frage, wie wir Jugendlichen zeigen können: „Das was da früher passiert ist, hat auch mit Deinem Leben zu tun“. Ich suche mit anderen zusammen nach neuen Formen der Erinnerungskultur, die Jugendliche nicht als Bildungsobjekte betrachtet, sondern als Gesprächspartner ernst nimmt. Dazu müssen wir bei der Lebenswelt der Jugendlichen heute ansetzen: Wo erleben sie Unterdrückung, Ausgrenzung und Gruppenzwang? Wie schafft man es, auch gegen den Trend zu seinen Überzeugungen zu stehen?

Ein weiterer Teil meiner Arbeit besteht in der Zusammenarbeit mit staatlichen Gedenkstätten, wir entwickeln gemeinsam Vorträge, Bildungsprogramm und Ausstellungen. Auch ökumenische oder interreligiöse Erinnerungsgottesdienste bezogen auf bestimmte Gedenktage, Personen oder Orte gehören zu meinen Aufgaben, hier gilt es liturgische Formen zu entwickeln.

Rogate-Frage: Ist nicht jeder Gottesdienst Erinnerung?

Marion Gardei: Vergegenwärtigende Erinnerung ist konstitutiver Bestandteil jüdischen und christlichen Glaubens. Der Gottesdienst birgt liturgische Elemente des vergegenwärtigenden Erinnerns: Jüdische Menschen feiern das Passahfest, als seien sie persönlich aus Ägypten befreit worden. Christen erfahren beim Abendmahl Jesu Gegenwart, als sei er lebendig unter ihnen. („Das tut zu meinem Gedächtnis“ ) Die Evangelien überliefern die Erinnerung an Jesu Leben, an sein Sterben und seine Auferstehung zu bewahren und damit die Gemeinde daran teil haben kann.

Alle kirchliche Erinnerungskultur hat die Grundlage, dass Gott selbst sich an sein Volk erinnert. Gott erinnert sich zum Beispiel der Not des Volkes in Ägypten: Er hört sein Klagen (2. Mose 3,7 ff), sein Leiden ist ihm nicht gleichgültig, er kennt die Menschen mit Namen, er gibt keines seiner Geschöpfe dem Vergessen preis. „Siehe, in meine Hände habe ich dich gezeichnet“, sagt Gott dem im Exil zweifelnden und leidenden Volk (Jes 49,16). Dass Gott des Menschen gedenkt, erkennen Christen in besonderer Weise in Jesus Christus.

Der Gottesdienst regt zur „Nachahmung Gottes“ an, Menschen sollen in Empathie ihr Engagement für die Entrechteten wahrnehmen… Jeder Gottesdienst erinnert an die Nächstenliebe als höchstes Gebot.

Rogate-Frage: Sie haben die Schändung des Erinnerungsortes KZ-Außenlager Jamlitz-Lieberose in einer Presse-Information verurteilt. Was ist dort passiert? 

Marion Gardei: Zwei Ausstellungstafeln wurden am 10. Mai zerstört, davor wurde der jüdische Friedhof geschändet. Heute, am 18. Mai 2016, haben erneut Unbekannte einen Anschlag auf den Standort des ehemaligen KZ-Außenlagers verübt. Der Anschlag ist also der zweite innerhalb einer Woche. Diesmal wurde die Eingangstafel der Freiluftausstellung des Gedenkortes vollständig zerstört. Die Tafel enthielt grundlegende Informationen über den Holocaust und die Geschichte des ehemaligen KZ-Außenlagers. Der erneute Anschlag hat bei der Evangelischen Kirchengemeinde und bei der Landeskirche Entsetzen und tiefe Abscheu hervorgerufen. Ich finde, die Tat zeigt eine neue Stufe des Hasses und der Gewalt. Wir lassen uns aber davon in unserer kirchlichen Erinnerungsarbeit nicht beirren oder einschüchtern.

Rogate-Frage: Erfahren die Täter durch die Proteste gegen ihr Treiben und die Berichterstattungen über Schändungen von Gedenkstätten nicht Anerkennung und Bestätigung?

Marion Gardei: Ja, das ist eine zweischneidige Sache. Im Fall Jamlitz war es sicher so, dass die Täter durch die Berichterstattung „animiert“ wurden, ohne dass diese natürlich Schuld daran hätte. Wir können doch auch nicht verschweigen, was da geschieht. Wir leben offenbar in einer Zeit, in der rechtsextreme und rechtspopulistische Kräfte wieder erstarken. Unsere kirchliche Erinnerungsarbeit zielt darauf, das zu verhindern, Mut zu machen, gegen den Trend zu leben, gegen Antisemitismus und Intoleranz aufzustehen. Die Anschläge zeigen: Wir müssen noch viel mehr tun. Jetzt erst recht.

Rogate: Vielen Dank, Frau Pfarrerin Gardei, für das Gespräch.

Weitere Informationen über Marion Gardei finden Sie hier.

Weitere Freitagsfragen – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de.

ISSN 2367-3710, Nationales ISSN-Zentrum für Deutschland, Deutsche Nationalbibliothek.

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Willkommen zu unseren nächsten öffentlichen Gottesdiensten in der Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg:

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Gebet: Gott, breite Deinen Frieden aus über Frankreich.

Entsetzen füllt unser Herz.
Gott, höre unsere Klage,
und sieh auf das Leid unserer Freunde in Frankreich.
Gott, höre unsere Klage,
und komm mit Deiner Hilfe.
Gott, sieh auf unsere Trauer
und schweige nicht zu den kaltblütigen Morden.
Nimm unter Deinen Schutz die,
die wir nicht schützen konnten:
die Jungen, die sangen und tanzten,
die Paare, die sich trafen,
die Freunde, die Fußball guckten,
die Jungen und Alten,
Frauen und Männer.
Sühne Du ihren Mord.
Gott, höre unser Rufen
und behüte die Verletzten,
die Davongekommenen,
die unter Schock Stehenden.
Umhülle mit Deiner Gegenwart die Trauernden.
Gott, höre unser Gebet,
verbirg Dich nicht.
Komm mit Deinem Trost und Leben.
Im Namen Jesu Christi bitten wir Dich.
Breite Deinen Frieden aus über Frankreich,
in den Herzen der Trauernden, in unserer Mitte.
Amen.

(Text: Katharina Wiefel-Jenner für die VELKD)

Das Rogate-Kloster im November: Vespern, Eucharistie und Totengedenken.

Willkommen zu unseren öffentlichen Gottesdiensten in der Kapelle der gastgebenden Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg, in November:

  • Dienstag, 3. November 15 | 19:00 Uhr, Vesper
  • Dienstag, 10. November 15 | 19:00 Uhr, Vesper
  • Dienstag, 17. November 15 | 19:00 Uhr, Vesper
  • Dienstag, 24. November 15 | 19:00 Uhr, Eucharistie mit Gedenken an die Toten

Vorschau:

  • Dienstag, 1. Dezember 15 | 19:00 Uhr, Vesper
  • Dienstag, 8. Dezember 15 | 19:00 Uhr, Vesper

Erreichbar ist die Zwölf-Apostel-Kirche mit öffentlichen Verkehrsmitteln und über die U-Bahnhöfe: Kurfürstenstraße (U1) Nollendorfplatz (U1, U2, U3, U4). Oder per Bus: Kurfürstenstraße (M85, M48), Nollendorfplatz (M19, 187) und Gedenkstätte Dt. Widerstand (M29). PKW-Stellplätze vor dem Gemeindezentrum und in der Genthiner Straße.

Totengeläut: Rund 750 Kirchen läuten morgen während der „Tagesschau“ für gestorbene Flüchtlinge

Renate Künast, Bündnis 90/Die Grünen, war Mitunterzeichnerin des Rogate-Aufrufs

Rund 750 Kirchengemeinden in Österreich und in Deutschland werden nach Schätzungen der Initiatoren morgen (2. Oktober 2015) während der „Tagesschau“ (20:00 bis 20:15 Uhr), die jeweilige Totenglocke ihrer Kirche zu läuten, um an die auf der Flucht gestorbenen Menschen zu erinnern, zu mahnen und um damit zum Gebet für Tote und Lebende sowie zur Erinnerung an die Flüchtlinge aufzurufen. Das Gedenkläuten in Österreich ist bereits um 15:00 Uhr.

Auf Bitten des Rogate-Klosters beteiligen sich am Gedenkläuten in Berlin das Rathaus Tempelhof-Schöneberg mit der Freiheitsglocke, die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche sowie zahlreiche weitere Kirchen, Kapellen und Kirchhöfe. Daneben sind zahlreiche Gemeinden aus Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen-Anhalt, Hessen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz eingebunden. Namentlich erfasst ist lediglich ein Teil der beteiligten Kirchengemeinden, da eine zentrale Zusammenstellung nicht erfolgte. Wir gehen nach Rückmeldungen aus den Regionen von rund 400 beteiligten Kirchen bundesweit aus, für Österreich liegen die Schätzungen bei 350 Gemeinden. Eine aktuelle Übersicht uns gemeldeter geplanter Gedenkgeläute finden Sie hier.

Renate Künast, Bündnis 90/Die Grünen, hat als Mitunterzeichnerin den Aufruf unterstützt: „Das Läuten der Glocken in Deutschland und Österreich gibt uns die Möglichkeit, inne zu halten und an die zu denken, die auf der Flucht gestorben sind. Es soll uns eine Mahnung sein: wir dürfen Flüchtenden die Rettung nicht unmöglich machen. Fluchtwege dürfen nicht lebensgefährlich sein.“

Pfarrer Martin Germer, Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche: „In unseren Gottesdiensten und täglichen Andachten beten wir regelmäßig für die Menschen, die vor Krieg und Gewalt auf der Flucht sind, und besinnen uns auf unsere Verantwortung, Mitmenschen in Not beizustehen. Das gemeinsame Gedenkläuten vieler Kirchen nimmt diese Gebete auf und möchte alle, die sich für Zuflucht suchende Menschen einsetzen, in ihrem Engagement bestärken.“

Bezirksstadtrat Daniel Krüger, Bezirk Tempelhof-SchönebergBezirksstadtrat Daniel Krüger, Bezirk Tempelhof-Schöneberg, hat das Läuten der Freiheitsglocke befürwortet: „Der aktuellen humanitären Kraftanstrengung unserer deutschen Zivilgesellschaft können wir uns nur gemeinsam, Kirchen, soziale Institutionen und Staat, stellen. Die Freiheitsglocke im Rathaus Schöneberg steht nicht nur symbolhaft für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung, sondern war und ist Symbol von Aussöhnung und Völkerverständigung nach der größten humanitären Katastrophe des 20. Jahrhunderts, dem zweiten Weltkrieg. In dieser Tradition steht unsere Mitwirkung.“

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Rogate Kl_Postkarte_Trauergottesdienst Flüchtlinge_040915 KopieDer Kirchenkreis Schöneberg und das Rogate-Kloster laden zudem am Freitag, 2. Oktober, 20:15 Uhr, im Anschluss an das Totengeläut, zu einem zentralen Berliner Gedenk-Gottesdienst für auf der Flucht gestorbene Menschen ein.

Mitwirkende: Propst Dr. Christian Stäblein, EKBO, Pfarrer Burkhard Bornemann, amtierender Superintendent im Kirchenkreis Schöneberg, Pfarrerin Beate Dirschauer, Flüchtlingskirche Kreuzberg, Erzpriester Girgis El Moharaki, koptisch-othodoxe Gemeinde Berlin, und Br. Franziskus, Rogate-Kloster. Orgel: Manuel Rösler.

Erreichbar ist die Zwölf-Apostel-Kirche mit öffentlichen Verkehrsmitteln und über die U-Bahnhöfe: Kurfürstenstraße (U1) Nollendorfplatz (U1, U2, U3, U4). Oder per Bus: Kurfürstenstraße (M85, M48), Nollendorfplatz (M19, 187) und Gedenkstätte Dt. Widerstand (M29). PKW-Stellplätze vor dem Gemeindezentrum und in der Genthiner Straße. Adresse: An der Apostelkirche 1, Berlin-Schöneberg.

Presse-Einladung: Bundesweites Totenläuten für gestorbene Flüchtlinge

Presse- und Fototermin heute, Donnerstag, 1. Oktober,  12:00 Uhr. Fototermin um 12:45 Uhr vor der Kirche.

RKl KK EvangAT_Totenglocken Flüchtlinge_110915_1web KopieAnfang September haben der Kirchenkreis Schöneberg und das Rogate-Kloster zu einem Totenläuten für auf der Flucht gestorbene Flüchtlinge aufgerufen. Daran beteiligen sich am Freitag in Berlin das Rathaus Tempelhof-Schöneberg mit der Freiheitsglocke, die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche sowie zahlreiche weitere Kirchen, Kapellen und Kirchhöfe.

Doch nicht nur in Berlin stieß unser Aufruf auf Resonanz. Auch Gemeinden und Kirchenkreise aus anderen Teilen Deutschlands und Österreichs läuten am Freitagabend ihre Glocken zum Gedenken. Diese gute Resonanz auf unseren Aufruf hat uns positiv überrascht. Um die Idee und unser Anliegen zu einem Erinnern an die auf der Flucht gestorbenen Menschen, zum Gebet für sie aufzurufen und die Lebenden zum Engagement zu mahnen, deutlich zu machen, laden der Kirchenkreis Schöneberg und das Rogate-Kloster morgen zu einem Presse-Termin ein.

Termin: Donnerstag, 1. Oktober, 12:00 Uhr, Fototermin um 12:45 Uhr vor der Kirche.
Adresse: Rogate-Kloster Sankt Michael zu Berlin in der Zwölf-Apostel-Gemeinde, An der Apostelkirche 3 (Pfarrhaus, Bibliothek), 10783 Berlin-Schöneberg, U Nollendorfplatz

Ihre Gesprächspartner sind:

  • Renate Künast, MdB, Bündnis 90/Die Grünen
  • Angelika Schöttler, Bezirksbürgermeisterin Tempelhof-Schöneberg
  • Pfarrer Burkhard Bornemann, amtierender Superintendent Kirchenkreis Schöneberg
  • Pfarrer Martin Germer, Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche Charlottenburg
  • Baustadtrat Daniel Krüger, Bezirk Tempelhof-Schöneberg
  • Laszlo Hubert, Moabit hilft e.V.
  • Bruder Franziskus, Rogate-Kloster St. Michael

Wir bitten für die Planung um Ihre Zusage und Anmeldung per Mail.

Den Aufruf finden Sie hier.
Ev. Kirchenkreis Berlin-Schöneberg und das Rogate-Kloster Sankt Michael zu Berlin

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Rogate Kl_Postkarte_Trauergottesdienst Flüchtlinge_040915 KopieDer Kirchenkreis Schöneberg und das Rogate-Kloster laden zudem am Freitag, 2. Oktober, 20:15 Uhr, im Anschluss an das Totengeläut, zu einem zentralen Berliner Gedenk-Gottesdienst für auf der Flucht gestorbene Menschen ein.

Mitwirkende: Propst Dr. Christian Stäblein, EKBO, Pfarrer Burkhard Bornemann, amtierender Superintendent im Kirchenkreis Schöneberg, Pfarrerin Beate Dirschauer, Flüchtlingskirche Kreuzberg, und Br. Franziskus, Rogate-Kloster. Orgel: Manuel Rösler.

Erreichbar ist die Zwölf-Apostel-Kirche mit öffentlichen Verkehrsmitteln und über die U-Bahnhöfe: Kurfürstenstraße (U1) Nollendorfplatz (U1, U2, U3, U4). Oder per Bus: Kurfürstenstraße (M85, M48), Nollendorfplatz (M19, 187) und Gedenkstätte Dt. Widerstand (M29). PKW-Stellplätze vor dem Gemeindezentrum und in der Genthiner Straße. Adresse: An der Apostelkirche 1, Berlin-Schöneberg.