Fünf Fragen an: Jochen Bohl, Landesbischof für Sachsen

Fünf Freitagsfragen an Jochen Bohl, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen, über die Rolle eines Bischofs, theologische Auseinandersetzungen und den Fremdenhass im Freistaat.

Landesbischof Jochen Bohl (Bild: EVLKS)

Landesbischof Jochen Bohl wurde am 26. Juni 2004 in der Kreuzkirche zu Dresden als Bischof eingeführt. Morgen, 29. August 2015, findet dort seine Verabschiedung aus dem Amt statt.
Bohl war seit November 1995 Direktor des Diakonischen Amtes des Diakonischen Werkes der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Er wurde 1950 in Lüdenscheid/Westfalen geboren und studierte von 1968 bis 1974 Evangelische Theologie an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal, der Philipps-Universität Marburg/Lahn und der Ruhr-Universität in Bochum. Sein Erstes und Zweites Theologisches Examen legte er in der westfälischen Kirche ab. Seinen zweijährigen Vorbereitungsdienst (Gemeindevikariat) absolvierte er 1974 – 1976 in Brüninghausen bei Lüdenscheid. 1977 wurde Bohl ordiniert und war dann nach dem Probedienst in der westfälischen Kirche von 1978 bis 1986 Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde Aplerbeck im Kirchenkreis Dortmund-Süd.

Rogate-Frage: Herr Landesbischof Bohl, welche Momente und Stationen sind Ihnen aus Ihrer Amtszeit besonders nah gegangen? Auf welche hätten Sie gern verzichtet?

Jochen Bohl: Ich habe viele festliche und herzerhebende Gottesdienste mitfeiern dürfen, in denen die Freude am Glauben überzeugend zum Ausdruck kam. Das war ein Privileg des Bischofsamtes und wird mir fehlen. Die Weihe der Frauenkirche war ein Höhepunkt und auch der Dresdner Kirchentag 2011. Unschön waren die Auseinandersetzungen um Pegida in den letzten Monaten.

Rogate-Frage: Aus der Ferne betrachtet, ist es innerhalb der sächsischen Landeskirche unruhig geworden. Es gab Auseinandersetzungen unter anderem um die Gleichbehandlung der Partnerschaften im Pfarrhaus von lesbischen Pfarrerinnen und schwulen Pfarrern mit heterosexuellen Ehen. Was kann ein Bischof in so einer Situation tun, wenn verschiedene Flügel innerhalb der Kirche miteinander ringen und sich die Flügel streiten?

Jochen Bohl: In der Augsburgischen Konfession und auch in der sächsischen Kirchenverfassung heißt es, dass die Bischöfe ohne Macht, sondern mit dem Gotteswort leiten sollen, es ist ein geistliches Amt. Es kommt darauf an, die Einheit zu fördern durch Gespräch, Predigt und theologische Reflexion. Über Homosexualität diskutieren wir in der sächsischen Landeskirche seit 30 Jahren. Die Zeit war reif, zu einer Entscheidung zu kommen. Der äußere Anlass war die Gesetzgebung des Bundestages über die eingetragene Lebenspartnerschaft. Und es gibt nun mal Pfarrer, die diese Möglichkeit für sich in Anspruch nehmen wollen. Viele haben sich in die Diskussionen eingebracht und darüber entdeckt, dass in der Sichtweise der jeweils anderen Seite auch ein gewisses Recht liegen könnte. Es spricht für unsere Landeskirche, dass das Gespräch in dieser Breite auch an der Basis geführt wurde.

Rogate-Frage: Ihr Nachfolger, Pfarrer Dr. Carsten Rentzing, wurde von der Synode mit einer Stimme Mehrheit gewählt. Was geben Sie ihm auf dem Weg? Was raten Sie dem neuen Landesbischof?

Jochen Bohl: Ich meine nicht, dass mein Nachfolger öffentliche Ratschläge seines Vorgängers braucht, ich bete für ihn und seinen Dienst am Amt der Einheit. Die Bischofswahlen sind in Sachsen immer knapp ausgegangen. Das hängt mit der Vielgestaltigkeit des Landes und auch der Kirche zusammen – im Erzgebirge sind viele Gemeinden vom Pietismus geprägt, in der Leipziger Region gibt es eine lange theologische Tradition lutherischer Prägung, die sich mit der Moderne auseinandergesetzt und sie auch beeinflusst hat. Diese Einflüsse sind bis heute wirkmächtig.

Rogate-Frage: Sachsen, die Landeshauptstadt Dresden, Heidenau und Freital haben in der Vergangenheit durch Pediga und Übergriffe auf Einrichtungen für Flüchtlinge Schlagzeilen gemacht. Sind manche im Freistaat stärker als andere Bundesbürger anfällig für rechte Parolen und Ausländerhass? Woran liegt es?

Jochen Bohl: In Sachsen hat es nach 1990 zahlreiche und tiefreichende Veränderungsprozesse gegeben, in denen es für viele nicht leicht war, sich zu orientieren und für sich eine gute Lebensperspektive zu finden. Viele Institutionen sind schwach. Wir haben über zehn Jahre die NPD im Landtag gehabt, und das letzte Wahlergebnis von 4,9 Prozent bedeutet nicht, dass deren Ansichten aus der Welt sind. Die Kirche hat immer wieder das Liebesgebot des christlichen Glaubens gegen diese Verirrungen zur Geltung gebracht und ich kann nur sagen, dass ich traurig und betrübt bin über die Feindseligkeit gegenüber den Menschen, die zu uns kommen. Das ist für Sachsen inzwischen ein ernstes Problem geworden. Für die Flüchtlinge ist das Klima von Hass und Einschüchterung furchtbar und entwürdigend.

Rogate-Frage: Wie reagieren die Kirchgemeinden und die Landeskirche auf diese Situation? Was muss passieren, damit Ausländer und Fremde in Sachsen sich angenommen und sicher fühlen können?

Jochen Bohl: Die Landessynode hat im vergangenen Herbst schon ein Programm aufgelegt  – und mit einem für unsere Verhältnisse hohen Betrag ausgestattet – zur Unterstützung der vielen Initiativen, die sich für die Zukunft der Flüchtlinge bei uns einsetzen. Ich bin dankbar, dass viele Kirchgemeinden und Christenmenschen helfen und überzeugende Zeichen für Mitmenschlichkeit und Hilfsbereitschaft geben.

Rogate: Vielen Dank, Herr Landesbischof Bohl, für das Gespräch!

Mehr Infos finden Sie hier: evlks.de

Weitere Freitagsfragen – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de

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Willkommen zu unseren nächsten öffentlichen Gottesdiensten in der gastgebenden Ev. Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg:

  • Dienstag, 1. September 15 | 19:00 Uhr, Vesper, das Abendgebet, anschließend Rogate-Abend zum Monat der Diakonie “Geschlechtsanpassung, wie? Schritte in ein neues Leben” zum Thema der Behandlung transidenter Menschen, mit Dr. Sascha Bull, leitender Oberarzt der Abteilung Plastische und Handchirurgie in der Evangelischen Elisabeth Klinik der Paul-Gerhardt-Diakonie.
  • Donnerstag, 3. September 15 | 20:30 Uhr, KOMPLET, das Nachtgebet (jeden Donnerstag im Sept.)
  • Sonnabend, 5. September 15 | 14:00 Uhr, Führung mit der Hamburger Fotografin Kathrin Stahl durch die Ausstellung “Max ist Marie – Mein Sohn ist meine Tochter ist mein Kind”, ein Foto- und Textprojekt-Engagement über und für transidente Menschen. Eine Veranstaltung zum Monat der Diakonie Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz​. Die Ausstellung ist bis zum 13. September sonnabends, zwischen 11:00 und 15:00 Uhr, während der “Offenen Kirche” sowie vor und nach den Gottesdiensten zu sehen.
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