Fünf Fragen an: Pastor Jasper von Legat

Fünf Fragen an Pastor Jasper von Legat, Friedensbeauftragter der Bremischen Evangelischen Kirche, über die Zunahme von Unwahrheiten in Diskussionen, die Verlagerung der Kriegsführung in das Internet und Frieden, der sich in einer solidarischen Gemeinschaft zeigt.

Jasper von Legat (Foto: BEK Matthias Dembski)

Jasper von Legat (32) Jahre stammt gebürtig aus Bremen. Er hat in Göttingen und in Berlin studiert und setzt sich für den solidarischen Zusammenhalt unserer Gesellschaft ein.

Rogate-Frage: Herr Pastor von Legat, die Bremische Evangelische Kirche hat zwei Pastoren für die Friedensarbeit berufen. Einer davon sind Sie. Ist das Engagement für Frieden nicht eigentlich Aufgabe jedes Christen?

Jasper von Legat: Ja, das sehe ich auch so. Jede Christin ist Friedensbeauftragte und Friedensstifterin. Das ist unser bleibender Auftrag. Wir leben aus der großen Verheißung von Gerechtigkeit und Frieden. Wir kennen aus den Psalmen die, fast romantische, Vorstellung, dass Frieden und Gerechtigkeit sich küssen. Und auch die prophetische Überlieferung kennt die Vision eines allumfassenden Friedens, in denen Waffen keine Rolle mehr spielen dürfen und alle Völker im großen Shalom zusammenleben. All das fast Jesus Christus in der Bergpredigt zusammen: Selig sind die Friedfertigen.

Rogate-Frage: Was genau ist Ihr Auftrag im Arbeitsbereich Friedensarbeit?

Jasper von Legat: Unser Auftrag als Friedensbeauftragte der Bremischen Kirche ist es, die Friedensarbeit in den Gemeinden, Einrichtungen und Werken zu stärken und zu bündeln. Wir versuchen also Menschen, die sich für den Frieden einsetzen und in dem Bereich arbeiten, an einen Tisch zu bekommen, sie zu vernetzen und miteinander ins Gespräch zu bringen. Sicherlich werden wir auch an der ein oder anderen Stelle versuchen, einen Impuls zu setzen.

Rogate-Frage: Wie definiert sich Frieden im theologischen/christlichen/friedenstheologischen Sinne?

Jasper von Legat: Frieden ist Kernthema der biblischen Botschaft und der Kirche. Wir finden die Forderung nach Frieden und die Hoffnung auf Frieden in den Texten des Alten Testaments und des Neuen. Immer wieder begegnet uns der große Wunsch nach Frieden. Jeden Gottesdienst stellen wir unter den „Frieden Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft.“

Dabei gibt es in der christlichen Ethik die unlösliche Verbindung von Gerechtigkeit und Frieden. Das hängt zusammen und begrenzt beispielsweise auch den Einsatz von Waffen. Es gibt keinen Frieden ohne Gerechtigkeit im Zusammenleben, in unserer Gesellschaft. Und andersherum gilt das auch. Es gibt keine Gerechtigkeit, wenn Krieg herrscht. Denn der Krieg bleibt Unrecht!

Rogate-Frage: Welche friedenspolitischen Fragestellungen sehen Sie im Moment und wie sollte die Kirche darauf reagieren?

Jasper von Legat: Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat 2007 mit der Denkschrift „Aus Gottes Frieden leben – für gerechten Frieden sorgen“ umfangreich auf die damaligen friedenspolitischen Fragestellungen reagiert. Seit dem ist aber viel passiert. Wir beobachten vor allem eine zunehmend unsicherer werdende weltpolitische Situation, die Zunahme von Unwahrheiten und Lügen in den Diskussionen, eine wieder wachsende atomare Bedrohung und die Verlagerung der Kriegsführung in das Internet. Ebenso stehen wir vor einer entscheidenden Weiterentwicklung der Waffensysteme. In naher Zukunft können wir vollautomatisierter Kriegsführung rechnen. Der menschengemachte Klimawandel wird auch ein Friedens und Gerechtigkeitsthema – wenn er das nicht schon längst ist. Damit müssen wir uns beschäftigen, darüber müssen wir diskutieren. Klar ist, dass die Kirche aus Gottes Frieden lebt und für einen gerechten Frieden sorgt. Das bleibt Kennzeichen unserer Kirche.

Rogate-Frage: Ein Schwerpunkt Ihres Engagements soll auf dem „inneren Frieden in der Gesellschaft“ liegen. Wie gehen Sie in Ihrer Arbeit damit konkret um?

Jasper von Legat: Es ist zunächst wichtig zu verstehen, dass nicht nur bewaffnete Konflikte dem Frieden Gottes im Wege stehen, sondern auch die vielen großen und kleinen Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft dem Frieden entgegen wirken. Es geht um die zum Beispiel um die Neugestaltung unseres Wirtschaftssystems, das bisher viele Menschen zurücklässt. Wir müssen wegkommen von ungezügeltem Wachstum und deregulierten Finanzmärkten. Das bedeutet auch Verzicht und ist zunächst sicher schwer zu akzeptieren. Und doch wissen wir das alles bereits tief in unserem Innern.

Wir müssen dauernd gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entgegentreten. Wir müssen dafür sorgen, dass die Würde eines jeden Menschen gewahrt ist und wir uns als Geschöpfe Gottes begegnen.

Frieden zeigt sich in einer solidarischen Gemeinschaft. Wir müssen als Gesellschaft dafür sorgen, dass jede teilhat am Reichtum und Wohlstand dieses Landes. Die große Kluft zwischen arm und reich darf nicht größer werden. Diese Kluft muss kleiner werden.

You may say I’m a dreamer – But I’m not the only one – I hope some day you’ll join us – And the world will be as one

Rogate: Vielen Dank, Herr Pastor von Legat, für das Gespräch.

Weitere Freitagsfragen (Rogate-Kloster Sankt Michael zu Berlin ISSN 2367-3710) – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de

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