Fünf Fragen an: Dr. Heiner Koch, Erzbischof im Erzbistum Berlin

Fünf Freitagsfragen an Erzbischof Dr. Heiner Koch, Erzbistum Berlin, über den Ruf eines Kölners in die Hauptstadt, die Angst vor Fremden und das Verständnis des römisch-katholischen Ehesakramentes.

Erzbischof Dr. Heiner Koch (Bild: Erzbistum Berlin)

Bischof Dr. Koch stammt aus Düsseldorf. Seine Promotion trägt den Titel: „Befreiung zum Sein als Grundperspektive christlicher Religionspädagogik“. Nach seiner Priesterweihe am 13. Juni 1980 arbeitete er zunächst in der Seelsorge, bevor er ins Erzbischöfliche Generalvikariat Köln wechselte. Dort war er erst in der Erwachsenenseelsorge tätig und dann Leiter der Hauptabteilung Seelsorge. Papst Johannes Paul II. ernannte Koch am 19. September 1993 zum Kaplan Seiner Heiligkeit (Monsignore), und am 10. Februar 1996 zum Päpstlichen Ehrenprälaten. Nach seiner Priesterweihe am 13. Juni 1980 arbeitete er zunächst in der Seelsorge, bevor er ins Erzbischöfliche Generalvikariat Köln wechselte. Von 2002 bis 2005 leitete Heiner Koch als Generalsekretär die Vorbereitung und Durchführung des Weltjugendtags in Köln.

Seit Februar 2010 ist Dr. Heiner Koch als Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für die Katholische Deutsche Auslandsseelsorge zuständig. Seit Januar 2013 war er der 49. Bischof des Bistums Dresden-Meißen. Zum Erzbischof von Berlin ernannt am 8. Juni 2015. Als zehnter Bischof des Erzbistums Berlin hat Verbindungen zu dreien seiner Vorgänger: Mit Kardinal Woelki zusammen war er Weihbischof im Erzbistum Köln unter Kardinal Meisner. Mit Kardinal Sterzinsky arbeitete er schon als Weihbischof in der Familienkommission der Deutschen Bischofskonferenz, ihm folgte er als Vorsitzender dieser Kommission nach.

Rogate-Frage: Herr Bischof Dr. Koch, Segens- und Glückwünsche Ihnen zur Ernennung zum Erzbischof von Berlin! Muss man eigentlich mal im Erzbistum Köln gewesen sein, um in der Kirche Karriere zu machen? Und verstehen Sie die Kritik von Bischof Dr. Gerhard Feige an den drei Wechseln in der Leitung ostdeutscher Bistümer?

Heiner Koch: Jahrzehntelang wurde kein Kölner in das Amt eines Diözesanbischofs berufen. Wenn heute Domkapitel einen Kölner als Bischof wählen, so bin ich überzeugt, dass sie es nicht tun, weil der Betreffende ein Kölner ist, sondern weil sie überzeugt sind, dass dieser geeignet für die Leitung ihres Bistums ist. Was meine Berufung nach Berlin betrifft, so liegt ein wesentlicher Unterschied zu früheren Berufungen darin, dass ich nicht aus dem Osten Deutschlands weggerufen werde, sondern im Osten Deutschlands bleibe. Mir wurde die Leitung der einzigen Kirchenprovinz anvertraut, der nur ostdeutsche Diözesen angehören, von denen ich bislang eine selbst leitete. Wenn das kein Zeichen für Kontinuität ist! Sicherlich, ich wäre auch gerne in Dresden geblieben bei den Menschen, die mich sehr herzlich aufgenommen haben und mit denen zusammen ich noch vieles auf den Weg bringen wollte. Nichtsdestoweniger sehe ich meiner neuen Aufgabe in Berlin nun mit tiefer Bereitschaft und großer Spannung entgegen.

Rogate-Frage: Sie haben in Dresden das zeitweise Erstarken von Pegida erlebt. Aktuell gibt es in Ihrem Bundesland vermehrt Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte. Warum ist die Angst vor Fremden und Minderheiten in Sachsen so groß und wie können Kirche und Christen darauf reagieren?

Heiner Koch: Ich weiß nicht, ob die Angst vor Fremden und Minderheiten in Sachsen viel größer ist als in anderen Bundesländern. Zu den wöchentlichen Pegida-Demonstrationen in Dresden kamen Busse aus verschiedenen Teilen Deutschlands. Bei diesen zusammengeführten Großdemonstrationen konnte man sich in Dresden der bundesweiten Medienaufmerksamkeit sicher sein. Leider wurde aber bundesweit kaum über die vielen Aktionen in Sachsen für Fremde und Migranten berichtet. Auch unsere Kirchengemeinden waren da sehr aktiv. Nichtsdestoweniger: Die Angst und die Ablehnung von Fremden macht mir große Sorge. Aber Angst ist nicht zu überwinden durch einen moralischen Zeigefinger oder durch politischen Druck. Da muss man einfühlsam in die Tiefe der Seelen der Menschen gehen. Das ist mühsamer als die Abgabe großer Erklärungen.

Rogate-Frage: Ihre neue Heimat Berlin gilt als liberal und weltoffen. Die kirchliche Landschaft ist zwar vielfältig, aber die Stadt und ihre Menschen gelten als kirchenfern. Mit welchem Ansatz wollen Sie den Berliner Bischofssitz einnehmen und die Kirche prägen? 

Heiner Koch: Als liberal und weltoffen versteht sich auch meine frühere Wirkungsstadt Köln. Dies ist ohnehin eine Grundhaltung, die voll im Mainstream liegt, zu dem jeder gehören will. Ich freue mich aber auf diese Haltung der Menschen in Berlin, weil sie uns als Christen in der Minderheit auch die Möglichkeit eröffnet, offen und aufmerksam wahrgenommen zu werden, auch mit unserem Profil und unseren Einstellungen, die viele nicht teilen. Mir haben allerdings auch manche Berliner schon gesagt, dass ich in Berlin nicht mit der Großherzigkeit der Rheinländer und der Sachsen rechnen könnte. Aber ich hoffe auf sie. Im Übrigen komme ich nicht mit einem fertigen Konzept. Ich werde zunächst auf die Erfahrungen und Überlegungen der Katholiken in Berlin, Brandenburg und Vorpommern hören und meine Erfahrungen in unser Miteinander einbringen. Ich komme aus dem Bistum Dresden-Meißen, in dem es prozentual nicht einmal halb so viele Katholiken gibt wie in der Stadt Berlin. Ich bin voller Erwartung, von den Berliner Katholikinnen und Katholiken zu erfahren, wie sie mit dieser großen Zahl Katholiken in ihrer Stadt und auch im Zusammenwirken mit den evangelischen Christen den Auftrag erfüllen, den Jesus in seinen letzten Worten den Jüngern damals und uns heute anvertraut hat: „Geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.“ (Mt. 28,19 bis 20). Ich bin gespannt zu sehen, welche Erfahrungen sie mit diesem Auftrag gemacht haben. Mindestens genauso interessiert bin ich aber daran, wie die kleine Zahl der Katholiken in Vorpommern und Brandenburg, die nun wirklich Diaspora in der Diaspora sind, ihre Sendung erfüllen.

Rogate-Frage: Aktuell wird die Öffnung der staatlichen Ehe diskutiert und die „Ehe für Alle“ gefordert. Kardinal-Staatssekretär Parolin aus dem Vatikan nannte das irische Ja eine „Niederlage für die Menschheit“. Die Mitglieder der Berliner CDU haben sich jüngst mehrheitlich gegen eine Eheöffnung ausgesprochen. Ist es nicht ein Widerspruch, dass die Kirche für andere Minderheiten (zum Beispiel Flüchtlinge, ethnische Gruppen etc.) gleiche Rechte und Schutz fordert, aber für gleichgeschlechtliche Paare eine staatliche Gleichbehandlung vehement ablehnt? Warum?

Heiner Koch: Was verstehen Sie unter dem Begriff „Ehe“? Für uns Katholiken ist die Ehe ein Sakrament, das sich Mann und Frau spenden, die bereit sind, Vater und Mutter für ihre Kinder zu werden, sofern es ihnen möglich ist, und die sich ein Leben lang Zeit nehmen, miteinander als Eheleute und Familie lieben zu lernen. Dieses unser Verständnis der Ehe unterscheidet sich wesentlich vom Verständnis der Ehe der meisten Bundesbürger. Manche halten eine lebenslange Bindung für die Ehe nicht für wesentlich, andere wollen grundsätzlich nicht Vater oder Mutter werden, wieder andere sagen, in der Ehe müssten auch nicht Mann und Frau zusammengefügt sein. Solange wir so unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was der Begriff Ehe eigentlich meint, werden wir auch zu konkret unterschiedlichen politischen und rechtlichen Schlussfolgerungen kommen. Das Wort „Ehe“ ist heute so undifferenziert gebraucht, dass es für differenzierte Diskussionen kaum noch geeignet ist: Zu viele verstehen zu viel Unterschiedliches unter diesem Begriff. Ich bin für Differenzierung. Das Differenzierte soll auch differenziert bezeichnet und behandelt werden. Es lebe die Differenz! Das hat nichts mit Diskriminierung zu tun, sondern mit der Vielfalt des Lebens.

Rogate-Frage: Papst Franziskus hat ein Jahr der Barmherzigkeit für das kommende Kirchenjahr ausgerufen. Was ist Barmherzigkeit für Christen? Kann die Kirche barmherzig sein? Wie?

Heiner Koch: Die Barmherzigkeit ist ein Wesenszug Gottes, wie ihn Jesus Christus gezeigt und gelebt hat: Mensch, du fällst nie aus der Liebe meines Herzens heraus. Ich habe ein Herz für dich, jetzt in deinem Leben und in der Stunde deines Todes. Auch dann lasse ich dich nicht fallen, deshalb wirst du in Ewigkeit leben. Die Barmherzigkeit ist in unserem Glauben also zunächst das Leben, das wir von Gott geschenkt bekommen. In unserem Leben als Christen und als Kirche versuchen wir ein wenig von dieser Barmherzigkeit Gottes in die Welt zu tragen. Auch wenn Jesus die Menschen hart angegangen hat und oft deutliche Forderungen an sie stellte, die sie nicht hören wollten oder sie ablehnten, so tat er dies doch aus Barmherzigkeit. Barmherzigkeit ist also keine süße Soße nach dem Motto: alles ist gut. Barmherzigkeit ist anspruchsvoll.

Rogate: Vielen Dank, Herr Bischof Dr. Koch, für das Gespräch!

Weitere Informationen finden Sie hier: Erzbistum Berlin

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