Fünf Fragen an: Heiko Maas, Bundesminister der Justiz

Fünf Freitagsfragen an Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, über Unrecht an homosexuellen Männern, die Schuld des Staates und die Öffnung der Ehe für alle. Ein Beitrag zum Tag der Menschenrechte.

Heiko Maas (Foto: Frank Nürnberger)

Bundesminister Heiko Maas (Foto: Frank Nürnberger)

Heiko Maas, geboren 1966, studierte Rechtswissenschaften an der Universität des Saarlandes und legte die juristischen Staatsexamina ab. 1994 wurde er erstmals in den Landtag des Saarlandes gewählt. 1996 war er Staatssekretär und von 1998 bis 1999 Minister für Umwelt, Energie und Verkehr des Saarlandes. 2012 wurde er Minister für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr des Saarlandes. Seit 17. Dezember 2013 ist er Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz.

Rogate-Frage: Herr Bundesminister Maas, der Paragraf 175 im Strafgesetzbuch existierte fast 123 Jahre mit weitreichenden und teilweise tödlichen Folgen für schwule Männer. Am 10. März 1994 hat der Deutsche Bundestag ihn aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Ist die Sache damit für Sie erledigt?

Heiko Maas: Nein, denn der Staat hat große Schuld auf sich geladen, weil er so vielen Menschen das Leben erschwert hat. Nach meinem Verständnis war der §175 StGB von Anfang an verfassungswidrig. Er steht für Unrecht, Diskriminierung und gebrochene Biographien.
Dazu müssen wir uns auch heute noch klar bekennen. Ich kann Ihnen versichern, dass wir die Aufarbeitung des homosexuellen Männern geschehenen Unrechts außerordentlich ernst nehmen.

Rogate-Frage: Waren viele Männer von einer polizeilichen und juristischen Verfolgung in der DDR und Bundesrepublik durch den Paragrafen betroffen? Welchen Folgen hatte es für diese Personen?

Heiko Maas: Viele der Betroffenen leiden noch heute unter den Folgen der Verurteilungen. Wichtig ist, dass der Staat bekennt, dass er Schuld auf sich geladen hat, weil er so vielen Menschen das Leben erschwert hat.
Wir versuchen, zusammen mit der Magnus-Hirschfeld-Stiftung die Schicksale aufzuarbeiten und zu dokumentieren. Es nicht damit getan, wenn man 50.000 Urteile aufhebt und in der Öffentlichkeit ist kaum bekannt, worum es überhaupt geht.

Rogate-Frage: Warum wurden die nach Verurteilten nach 1945 niemals durch die Regierung rehabilitiert? Warum sind diese Urteile immer noch gültig?

Heiko Maas: Es ist unbestritten, dass diese Urteile Unrecht sind, das haben der Bundestag und das Bundesjustizministerium, auch in der Vergangenheit, mehrfach klargemacht.
Sehr umstritten ist aber, ob eine rückwirkende Aufhebung von nachkonstitutionellen Strafurteilen verfassungsrechtlich überhaupt möglich ist. Einer Aufhebung nachkonstitutioneller rechtskräftiger Gerichtsentscheidungen und damit auch von Verurteilungen wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen könnte der in Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 GG normierte Gewaltenteilungsgrundsatz sowie die durch das Rechtsstaatsprinzip gewährleistete Rechtssicherheit entgegenstehen.
Es wäre das erste Mal, dass der Gesetzgeber in nachkonstitutionelle Rechtsprechung eingreifen würde.

Rogate-Frage: Was tun Sie als verantwortlicher Justizminister und Ihr Ministerium konkret, um das Unrecht an den nach dem Paragraf 175 Verurteilten wieder gut zu machen und sie zu rehabilitieren?

Heiko Maas: Im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird derzeit geprüft, inwieweit eine solche Rehabilitierung möglich ist.
Die Frage ist doch, wie eine solche Wiedergutmachung aussehen kann oder soll. Klar ist: Der Staat muss sich zu seiner Schuld bekennen. Ob das mit materiellen Entschädigungsleistungen verbunden ist, muss man im Zusammenhang mit der Frage klären, ob die Urteile formal aufgehoben werden können. Das wäre dann möglicherweise auch eine Rechtsfolge der Aufhebung von Urteilen.
Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich Ihnen noch nicht sagen, wann und mit welchem Ergebnis diese Prüfung abgeschlossen sein wird.

Rogate-Frage: Die Evangelische Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz wird künftig die Trauungen für homosexuelle Paare gleich den Gottesdiensten für heterosexuelle Verbindungen gestalten. Die Bundesregierung zögert mit einer völligen Gleichstellung der registrierten Partnerschaften mit den Ehen. Kann es sein, dass die evangelische Kirche in der gesellschaftlichen Entwicklung weiter ist als der Staat? Was wird aus der Ehe für alle?

Heiko Maas: Die Positionen innerhalb der Regierungskoalition sind bekannt. Mein Ziel und das Ziel der SPD bleibt die vollständige Öffnung der Ehe für Paare gleichen Geschlechts; das ist und bleibt unsere Position.

Es ist gut, dass die Debatte über die Ehe für alle inzwischen umfassend geführt wird – auch beim Koalitionspartner. Ich glaube, auch der Union wird langsam bewusst, dass die Menschen in Deutschland längst weiter sind, als ihre eigene Beschlusslage.‎ Ich kann Ihnen versichern, dass wir weiterhin für die völlige Gleichstellung kämpfen werden.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich, dass der Deutsche Bundestag Ende Oktober ein Gesetz aus unserem Haus beschlossen hat, durch das in zahlreichen Vorschriften eine Ausdehnung auch auf die Lebenspartnerschaft erfolgt. Dies ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zur umfassenden Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft – auch wenn wir noch nicht am Ziel sind.

Rogate: Vielen Dank, Herr Minister Maas, für das Gespräch!

Weitere Informationen hier: bmjv.de und heiko-maas.de.

Zum Thema haben wir weitere Freitagsfragen veröffentlicht:

  • Ansgar Dittmar, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Lesben und Schwule in der SPD, über den Einsatz für Gleichstellung in seiner Partei, Unrechtsurteile und politische Machbarkeiten in der Großen Koalition.
  • Georg Härpfer, Vorstandsmitglied der Schwulenberatung Berlin, über eine für manche tödliche Rechtssprechung, Verurteilungen in der jungen Bundesrepublik und den Verdacht, ein ‚175er‘ zu sein.
  • Volker Beck, Mitglied des Deutschen Bundestages, über eine Geste des Respekts, homosexuelle Menschen als Gottes Ebenbild und genug Ehe für alle.

Andere Freitagsfragen – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de

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Willkommen zu unseren öffentlichen Gottesdiensten (Auswahl) in der gastgebenden Ev. Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg:

  • 2015 12 13 Sternenkinder-GottesdienstSonntag, 3. Advent, 13. Dezember 2015 | 17:00 Uhr, Sternenkinder-Gottesdienst für verwaiste Eltern und ihre Angehörigen zum Worldwide Candle Lighting Day, mit Pater Engelbert Petsch, Aktion “Die Flamme der Hoffnung”, und Pfarrer Burkhard Bornemann, amtierender Superintendent im Kirchenkreis Schöneberg. Orgel: Dr. Julian Heigel.
  • Dienstag, 15. Dezember 15 | 19:00 Uhr, Eucharistie
  • Gottesdienstliche Winterpause bis zum 12. Januar
  • Dienstag, 12. Januar 16 | 19:00 Uhr, Eucharistie, in der Kapelle, ohne Gesang/Musik und mit viel Stille
  • Dienstag, 19. Januar 16 | 19:00 Uhr, Vesper
  • Dienstag, 26. Januar 16 | 19:00 Uhr, Vesper
  • Dienstag, 2. Februar 16 | 19:00 Uhr, Eucharistie, in der Kapelle
  • Freitag, 15. Juli 2016 | 19:30 Uhr, Eröffnungsgottesdienst zum 24. Lesbisch-schwulen Stadtfest des Regenbogenfonds. Mit Angelika Schöttler, Bezirksbürgermeisterin Tempelhof-Schöneberg.
  • Unseren Fördervereinsflyer finden Sie hier.
  • Hier unser Monatsplan Dezember 15/Januar 16.

5 Kommentare zu „Fünf Fragen an: Heiko Maas, Bundesminister der Justiz

  1. Die SPD hat uns in Sachen Ehe verkauft. Wir sind Ihnen solange egal, wie sie die CDU als Machtpartner nimmt. Ich bin kein Mensch zweiter Klasse, warum soll ich eine Ehe zweiter Klasse bekommen?

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