Fünf Fragen an: Dr. Thomas Schimmel, Geschäftsführer 1219. Religions- und Kulturdialog e.V.

Fünf Freitagsfragen an Dr. Thomas Schimmel, Geschäftsführer 1219. Religions- und Kulturdialog e.V., über einen historischen und zugleich modernen interreligiösen Austausch, das Engagement der Franziskaner und die „3. Lange Nacht der Religionen“ am 6. September 2014 in Berlin.

Dr. Thomas SchimmelDr. Thomas Martin Schimmel stammt aus Hagen und wuchs in der unmittelbaren Nachbarschaft einer liberalen Franziskanerkirche und einer lutherischen Kirche auf, so dass er schon früh die Kirchenspaltung nicht verstand. Er studierte an der Freien Universität Berlin und an der Johannes-Keppler-Universität in Linz/Oberösterreich Politikwissenschaft. Nach seinem Studium war er für unterschiedliche Bundestagsabgeordnete als Wissenschaftlicher Referent in Bonn und Berlin tätig. Nebenberuflich engagierte er sich als OSCE-Wahlbeobachter auf dem Balkan sowie als Dozent in der außerschulischen Jugendbildung. Nach dem Regierungsumzug nach Berlin leitete er das Lobbybüro der Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisation der europäischen Franziskanerprovinzen, der Missionszentrale der Franziskaner, bevor er als Projektleiter am Fusionsprozess der deutschen Franziskanerprovinzen mitwirkte, über den er auch promovierte. Seit 2011 ist Thomas M. Schimmel Geschäftsführer der franziskanischen Initiative 1219. Religions- und Kulturdialog e.V. Daneben ist er regelmäßig als Dozent für Politik an der Verwaltungsakademie des Landes Berlins tätig. Er predigt gelegentlich im Rogate-Kloster, so am Franziskustag, Freitag, 3. Oktober 2014|15:00 Uhr, im Gottesdienst für Mensch und Tier.

Rogate-Frage: Herr Dr. Schimmel, was ist die „1219. Deutsche Stiftung für interreligiösen und interkulturellen Dialog e.V.“ und was sind Ihre Aufgaben?

Thomas Schimmel: 1219. Religions- und Kulturdialog e.V. ist eine franziskanische Initiative zum Religionsdialog. Im Jahr 1219 schloss sich der heilige Franziskus von Assisi dem 5. Kreuzzug an – allerdings nicht, um gegen die Muslime zu kämpfen, sondern um den ganzen Irrsinn friedlich zu beenden. Bei Damiette im Nildelta versuchte er zuerst die christlichen Kreuzfahrer zur Vernunft zu bringen. Leider vergeblich. In einer Gefechtspause ging er dann ins feindliche Lager und verlangte den Sultan zu sprechen. Man erkannte in ihm sofort als einen religiösen Menschen, weil er in seinem Habit wie ein Sufi aussah, also ein Anhänger des mystischen Islams. Der Sultan ließ ihn tatsächlich vor und beide haben miteinander gesprochen. Franziskus hat in dem Lager der Muslime die islamische Glaubenspraxis erlebt – und war beeindruckt. Auch der Sultan war von Franziskus beeindruckt, auch wenn das Gespräch selbst nicht zum Frieden führte. Jedoch ließ der Sultan Franziskus unter Geleit sicher ins Christenlager zurückbringen und schenkte ihm ein Horn, das als Visum galt, mit dem sich Franziskus ohne Gefahr frei im heiligen Land bewegen konnte. Diese Begegnung hat dazu geführt, dass Franziskus in der zweiten Fassung seiner Ordensregel die offensive Mission und den Streit mit Andersgläubigen untersagt hat. Außerdem hat er in Gesprächen darauf hingewiesen, dass alle Schriften über Gott mit Ehrfurcht zu behandeln sind. Und schließlich hat er vorgeschlagen, dass es in allen christlichen Ländern – analog zum Ruf des Muezzin – ein Zeichen zum gemeinsamen Gebet geben solle – eine Anregung, die zum täglich dreimaligen Glockengeläut bei uns heute geführt hat. Aus dieser Geschichte zieht der Franziskanerorden seine besondere Verpflichtung, sich für den Religionsdialog einzusetzen. 1219 e.V. will dafür ein Werkzeug sein und wie Franziskus ohne Vorurteile und Vorbehalte auf andere Religionen zugehen. Heute heißt der Auftrag, Voraussetzungen für ein friedliches Zusammenleben in unserer Gesellschaft zu schaffen. Konkret bedeutet das, dass wir als 1219 e.V., dessen Leiter ich bin, religionskundliche Aufklärung betreiben – mit Seminaren und Publikationen zum Beispiel – oder über die aktive Mitwirkung im Initiativkreis der Langen Nacht der Religionen bzw. dem Koordinierungskreis des „Berliner Forums der Religionen“. Als Ordensinitiative sind wir da vielleicht vorbehaltloser als die großen kirchlichen Verwaltungen?

Rogate-Frage: Bereits zum dritten Mal findet am 6. September die „Lange Nacht der Religionen“ in Berlin statt. Fast 100 Synagogen, Moscheen, Kirchen, Tempel, religiöse Orte und Gemeindehäuser werden an diesem Abend in ganz Berlin ihre Türen öffnen. In diesem Jahr koordinieren Sie erstmalig diese Veranstaltung. Was ist das besondere an diesem Format? Reicht Ihnen die „Lange Nacht der Kirchen“ nicht mehr?

Thomas Schimmel: Die Lange Nacht der Religionen will Türen öffnen, die sonst verschlossen sind. Sie will die Orte der Stille, der Solidarität, der Gottesbegegnung und des gesellschaftlichen Engagements, das aus dem Glauben heraus geschieht, auf dem Stadtplan Berlins markieren. Sie will, dass sich Menschen unterschiedlicher Weltanschauung begegnen und neugierig aufeinander sind. Sie will sowohl die religiöse Vielfalt Berlins zeigen, als auch die positive Rolle, die die Religionen in dieser Stadt im Zusammenleben spielen. Oft wird gesagt, Berlin sei eine heidnische Stadt. Aber das stimmt nicht, wenn man genau hinschaut. Über 250 Glaubensrichtungen gibt es hier und auch Menschen ohne Religionen, die aber doch auch eine Weltanschauung haben, die das menschliche Dasein nicht auf Konsum und Spaß reduzieren. Im Moment nehmen wir Religion sehr negativ wahr. Unser Bild wird geprägt von wildgewordenen und ungebildeten Idioten, die meinen, ihre Intoleranz und ihr männliches Weltbild mit Gewalt durchsetzen zu können. Solche Leute gibt es in allen Religionen und Regionen dieser Welt und sie säen die Saat des Hasses, der Angst und der Gewalt. Für uns stellt sich da doch immer wieder die Frage: Lassen wir uns auf dieses Spiel und diese Gewaltspirale ein? Oder zeigen wir den Menschen in dieser Stadt und in diesem Land, dass wir hier in Deutschland und hier in Berlin anders miteinander umgehen? Dass für uns gläubige Menschen, egal ob Muslime, Christen, Juden, Hindus, Sikhs, das Streben nach Gerechtigkeit und Frieden der Dreh- und Angelpunt allen privaten und gesellschaftlichen Handelns ist?

Die Lange Nacht der Kirchen ist aus meiner Sicht ein ähnliches Format – aber mit anderen Zielen. Ich würde mich freuen, wenn die Lange Nacht der Kirchen zeitgleich mit der Langen Nacht der Religionen stattfinden würde – so wie ja auch die Lange Nacht der Synagogen im Rahmen der Langen Nacht der Religionen stattfindet. Ich nehme wahr, dass die beiden großen Kirchen bei der Beteiligung an der Langen Nacht der Religionen noch zurückhaltend sind. Aus meiner sehr persönlichen Sicht sind sie noch sehr in ihrem volkskirchlichen Ziergarten beschäftigt, in dem sie sich selbst genügen. Aber es ist nicht mehr selbstverständlich, dass mein Nachbar, meine Schwiegertochter, die Klassenlehrerin meiner Kinder evangelische Christin oder katholischer Christ ist. Da muss ich in Kontakt treten, neugierig auf das andere sein und mich selbst auch verständlich erklären können. Lange Nächte sind dafür eine gute Gelegenheit. Zwar sind wir Christen noch die größte religiöse Gruppe – aber eben nicht mehr die Einzigen. Die gesellschaftspolitische Rolle der großen Kirchen hat sich radikal verändert – auch wenn das viele nicht wahrhaben wollen – und diese Rollenveränderung muss eine Verhaltensänderung nach sich ziehen: Wir sind eine Gruppe unter anderen und wir müssen das vorbehaltlose gesellschaftspolitische Gespräch mit „den anderen“ auf Augenhöhe suchen und finden.

Rogate-Frage: Wie reagieren die noch nicht beteiligten Religionsgemeinschaften auf dieses besondere Veranstaltungsformat? Gibt es Vorbehalte auf dieses interreligiöse Angebot?

Thomas Schimmel: Es gibt natürlich Religionsgemeinschaften, die nicht dabei sind. Die Zeugen Jehovas zum Beispiel, oder die Aleviten. Das ist sehr schade. Ich würde mich auch freuen, wenn wir diese Gruppen motivieren könnten, das nächste Mal mitzumachen. Auch über eine Teilnahme des Humanistischen Bundes wäre ich froh. Ich finde es auch schade, dass christliche Ordensgemeinschaften nicht dabei sind. Mit ihrer besonderen Spiritualität bereichern sie das Bild des Christentums und hier wären ja auch interreligiöse Projekte spannend: mit buddhistischen Mönchen zum Beispiel.

Die Motive, warum Gruppen nicht mitmachen sind unterschiedlich. Einige halten das nicht für nötig und bleiben lieber unter sich. Andere halten interreligiöse Aktionen für Teufelszeug, das der Satan erfunden hat. Das Interessante ist ja, dass sich die fundamentalistischen Gruppen alle Religionen in vielen Bereichen gut verstehen und die gleichen Argumente und die gleichen Floskeln haben. Die könnten vielleicht einen Lange Nacht der Fundamentalisten veranstalten? Aber Spaß beiseite: Die meisten religiösen Gruppen, die nicht mitmachen, haben schlicht und einfach oft keine Ressourcen: Sie arbeiten ja mit ehrenamtlichen Mitarbeitenden. Die Gruppen haben einfach keine Zeit, kein Geld und keine Kraft, auch noch so einen Abend neben der alltäglichen Arbeit zu stemmen.

Rogate-Frage: Wer nimmt an der „Langen Nacht der Religionen“ teil und was wird angeboten?

Thomas Schimmel: An der Langen Nacht der Religionen nimmt ein schöner Querschnitt der Religionsgemeinschaften in Berlin teil. Man kann alles finden: Quäker, Muslime, Bahá’í , liberale und orthodoxe Juden, evangelische, hochkirchliche, freikirchliche, neuapostolische und katholische Christen, Hindus, Sikh, Buddhisten vieler Konfession, den Candomblé Tempel – aber auch das Forum Offene Religionspolitik oder den Orden der Schwestern der Perpetuellen Indulgenz e. V. Das Angebot der Gruppen ist sehr unterschiedlich. Es gibt Ausstellungen, Konzert, Andachten, Gottesdienste, Meditationen, Einführungsvorträge, Führungen, Gesprächsangebote. Einen Überblick kann man sich auf der Internetseite Indr.de oder in dem gedruckten Programmheft verschaffen, das man bei uns erhalten kann.

Rogate-Frage: Wo sind Sie an diesem Abend zu finden? Alle Orte können Sie sicher nicht besuchen….

Thomas Schimmel: Als 1219 e.V. haben wir eine eigene Veranstaltung gemeinsam mit dem Kathedralforum an der Hedwigskathedrale: eine Kathedral- und Stadtführung ab 16.50 Uhr und anschließend eine hl. Messe mit Erklärung der Liturgie. Am Abend werde ich religiöse Orte besuchen, die ich noch nicht kenne: zum Beispiel den Candomblé-Tempel in der Tradition afro-brasilianischer Religion in Kreuzberg. Empfehlen kann ich aber auch einen Besuch bei den Sufis in Neukölln oder bei den Sikhs in Reinickendorf: Hier wie dort habe ich tiefe Spiritualität erlebt. Aber auch die tolle geistliche Musik in einer Neuapostolischen Kirche, die erstaunliche Geschichte der Gewaltfreiheit bei den Quäkern oder die tiefe Frömmigkeit bei gleichzeitiger Weltzugewandtheit in den Moscheen ist ein wunderbares Erlebnis. Am Ende ist eigentlich vollkommen egal, wohin man an diesem Abend geht: Man wird Gastfreundschaft erleben und einen neuen, erstaunlichen Blick auf Gott und den eigenen Glauben erfahren.

Rogate: Vielen Dank, Herr Dr. Schimmel, für das Gespräch!

Weitere Informationen hier: langenachtderreligionen.de und 1219.eu

Weitere Freitagsfragen – und Antworten – finden Sie hier: Rogatekloster.de

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Willkommen zu unseren öffentlichen Gottesdiensten in der gastgebenden Ev. Zwölf-Apostel-Kirche, An der Apostelkirche 1, 10783 Berlin-Schöneberg, Lageplan:

  • Gamle Oslo kro og kirkekorDienstag, 26. August 14 |19:00 Uhr, VESPER, das Abendgebet
  • Donnerstag, 28. August 14 |19:30 Uhr, KOMPLET, das Nachtgebet
  • Donnerstag, 4. Sept. 14 |19:30 Uhr, KOMPLET, das Nachtgebet
  • Sonnabend, 6. September, 18:00 Uhr, musikalische Vesper mit dem «Gamle Oslo kro og kirkekor». Gemeinsam veranstaltet mit der Norwegischen Kirche in Berlin (Sjømannskirken).
  • Unseren August-Plan finden Sie hier.
  • Unseren Gottesdienstplan für den September finden Sie hier.Dienstag, 2. September 14 |19:00 Uhr, VESPER

5 Kommentare zu „Fünf Fragen an: Dr. Thomas Schimmel, Geschäftsführer 1219. Religions- und Kulturdialog e.V.

  1. Christliche Selbstverleugnung auf die Spitze getrieben

    Das Ganze erscheint wie eine Veranstaltung zur Verharmlosung und Verleugnung der derzeit Europa von innen heraus bedrohenden Islamisierung (Ergebnis geschichtsblinder Fantasten, die nicht verstehen, dass die poltisch-rechtliche Ideologie der totalen Herrschaft – der Islam – die Vernichtung jeglicher Zivilisation anstrebt). Man kann das ewige „die bösen Kreuzritter“ nicht mehr hören. Die Kreuzzüge waren der Versuch, die Märtyrergräber und Heiligen Stätten in der Levante von islamischer Besatzung zu befreien und den „dem Schwert Islams“ ausgelieferten Glaubensgeschwistern beizustehen. Dem vorausgegangen war der aus Arabien hervorbrechende, die großen christlichen Nationen wie Syrien und Ägypten niederwälzende Jihad gegen den gesamten Nahen Osten. Es ist schlimm, von einem Kirchenmann erneut die Siegerpropaganda der islamischen Eroberer, Angreifer und Versklaver hören zu müssen, nach dem Motto wie tolerant waren doch das „Golden Age“ und „Al Andalus“ (Geschichtsverdrehungen aus der Zeit der Aufklärung, als das katholisch geprägte Mittelalter dämonisiert werden sollte.): Alles Lüge! Was passierte wirklich? Versklavung durch Raubzüge, Ermordung, Verschleppung (Schätzungen schwanken zwischen 1 und 1,25 Millionen christlicher Sklaven, die in den Orient verkauft wurden), Zwangskonversion, Zwangsprostitution, Zwangssterilisation und Vernichtung der christlichen Hochkulturen. Diskriminierende Kleidung und rasierte Schläfen für christliche und jüdische, Überlebenssteuern bezahlende und rechtlose Dhimmis, Sklaven der mohammendanischen Herrenmenschen.

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